Halt´s Maul und nimm mein Geld!

 Warum Gastkolumnist Clemens Gleich sich eine KTM 690 Duke kaufte.

 

 

 

Die aktuelle 690 Duke gehört zu jenen KTMs, die neues, vorher markenfremdes Publikum zu den Orangen ziehen. Bei der ersten Begegnung hasste ich sie, weil ich die alte Duke, diese merkwürdige Weltraumziege, so geliebt hatte. Es war wie Verrat. Als sie bei der Alpen-Verleihaktion »High Bike« in der Angebotsreihe stand, bekam sie dann doch ihre Chance. Aber nur, weil mir KTM-Produktmanager Jörg Schüller bei der Berichterstattung zum European Junior Cup ins Gewissen gesagt hatte: »Du musst diese Mopete unbedingt einmal auf der Straße fahren. Unbedingt!« Eine Alpenfahrt später schrie ich in mein Telefon »Shut up and take my money!«. Denn die 690 Duke ist das Motorrad am Markt, das den meisten Fahrspass pro investiertem Euro abgibt – mit großem Abstand.

 

Der Charakter der Duke hat sich grundlegend geändert. Früher war dieses Krad eine drahtige Ziege, von der jeder, der sie mal gefahren hatte, dasselbe sagte: »Speziell. Muss man sich drauf einfahren.« Erst danach machte sie Spaß. Dazu kam noch, dass sie mit ihren hochwertigen, einstellbaren Fahrwerkskomponenten fast 9000 Euro kostete, was die auf Zahlen getrimmte Kundschaft nicht verstand: »Aber dafür bekomme ich doch vier Mal so viele Zylinder!« Fahren musste man die Ziege eher wie eine klassische Supermoto, dann funktionierte sie am besten.

 

Die aktuelle Generation ist ein Naked Bike geworden, das sofort ohne Einarbeitung Spaß bereitet, weil sie es dem Fahrer so einfach macht. Supermoto-Drücken: geht. Naked-Bike-Legen: geht. Sportkrad-hängen: geht. Das Fahrwerk ist »one size fits all« – es gibt nichts einzustellen, sondern nur eine für KTM-Verhältnisse erstaunlich weiche Landstraßen-Grundeinstellung, weil eh nur die wenigsten Kunden wirklich Sinnvolles mit diesen Dämpferschräubchen anzustellen in der Lage sind.

 

Schließlich gibt es noch serienmäßig ABS, weil man ohne dieses Schlagwort in dieser Klasse kaum noch was verkauft. Das ABS ist abschaltbar, damit man Stoppies üben kann, und es ist obendrein eines der bestabgestimmten Systeme am Markt. Ich hasse ABS, die bei den kleinsten Bodenwellen vor Kehren die vordere Bremse aufmachen, und dieses hier hat sich als tadellos erwiesen.

 

Der Motor hackt unter 3000 U/min unter alarmierender Geräuschkulisse mit der Axt auf dem Antriebsstrang herum, macht das aber mit einem darüber liegenden komplett nutzbaren Drehzahlband bis über 8000 U/min wett. Der Einzylinder überzeugt vor allem mit absoluter Leichtigkeit. Die Duke ist rund 30 kg leichter als die nächste Konkurrenz bei den Nakeds. Über diesen Fakt kam ich als Gewichtsfetischist einfach nicht weg.

 

Das alles kam bei der High-Bike-Testfahrt unerwartet zusammen. Meine Schlüsselerinnerung aus den Alpen ist eine Gruppe mit Papageienlederkombis, Aggro-Aufkleber und Gopro-Kameras auf den Airbrush-Helmen. Durch diese Gruppe pflügte ich im nächsten engen Geläuf durch, mit höflich, aber demoralisierend korrekt gesetztem Blinker. Diese Begegnung war insofern bemerkenswert, als ich normalerweise nun wirklich kein Rennfahrer bin. Dennoch hatte ich Zeit, mir anzusehen, wie schwer sich die alle taten und wie leicht es die Duke mir machte. Da war sie im Prinzip schon gekauft.

 

Das Motorrad kostet rund 7500 Euro. Mit dem meisten Fahrspaß pro Euro meinte ich nicht allein den Preis. Die Versicherung verlangt trotz Laternenparkplatz und Teilkasko ohne Selbstbeteiligung wegen 50 kW nur 82 Euro pro Jahr. Die Inspektionsintervalle betragen 10.000 km. Beim ersten Einfahren verbrauchte sie drei Liter auf 100 km, später fast nie über fünf und selbst bei Dauervollgasetappen auf der Autobahn nur sechskomma. Als der verrückte Jeremy McWilliams Rekordzeiten in Cartagena fuhr, maßen die Techniker 7,3 Liter pro 100 km, was die obere Grenze sein dürfte. Krass wenig für die Nichtauskenner. Die Duke gibt einem das Gefühl, sich durch das ganze System durchzuschummeln. Sie kostet wenig. Aber sie kann anrauchen wie die Hölle. Sie ist die ultimative Jedermann-Fahrmaschine.

 

Das belegt die wahre Geschichte, die mir der Herr Mayer erzählt hat, mein KTM-Händler. In sein Geschäft kommen auch Kunden für die 690 Duke, die schon ein Motorrad haben. Mit Ducati 1199 Panigale S mit Kohlefaserblinkerschalter und nackter Supermodel-Boxencrew oder mit BMW S 1000 RR im Ausstattungspaket »Döner«: mit allem bis hin zu bestickten Socken. Damit stellen sie sich stolz an den Treff. Aber sie wollen zusätzlich eine 690 Duke. Weil sie eine Maschine nicht zum Posen wollen, sondern zum einfach nur geil fahren.

Gastbeitrag von Clemens Gleich, freiberuflicher Autor und privat KTM Duke 690-Fahrer.