Kolumne: Jon Urry über seinen ersten Besuch bei KTM

Es ist schon ein Running Gag zwischen mir und den Jungs von KTM, aber die Wahrheit ist, dass alles was mit Offroad zu tun hat, mir irgendwie Angst macht. Ich habe mich schon immer mehr für Street- als Offroadmotorräder interessiert. Ich war wirklich mehr als nur ein bisschen naiv, als ich vor sieben Jahren, im Frühjahr 2007, eine erste Anfrage für eine Besichtigung des österreichischen Werkes startete.

KTM 990 ADVENTURE 2007

Um ehrlich zu sein, nahm ich damals in meiner Unwissenheit an – so wie viele Fahrer, die hauptsächlich auf der Straße unterwegs sind, KTM wäre einfach eine kleine Firma, die sehr gute Offroadbikes und ein paar skurrile Streetbikes produzierte. Natürlich wusste ich, wie erfolgreich KTM bei der Dakar unterwegs war, aber das war es auch schon. Ich weiß nicht, ob das für ganz Europa zutrifft, aber bei uns im Vereinigten Königreich gibt es eine ziemlich klare Trennung zwischen Street- und Offroadfahrern – es ist ein bisschen wie mit Öl und Wasser: Sie neigen dazu sich nicht zu vermischen. Street-Händler verkaufen Street-Motorräder, Offroad-Händler verkaufen Offroad-Motorräder. Ein paar Anrufe bei KTM und schon wurde ich nach Mattighofen zu einer geführten Tour durch das Werk eingeladen. In meiner Naivität nahm ich wieder einmal an, dass es sich um einen kurzen Rundgang durch ein ziemlich kleines Werk handeln würde. Nicht ganz falsch zu dieser Annahme zu gelangen, wenn man bedenkt, dass die einzigen großen und hubraumstarken Straßenmotorräder, die KTM damals baute, die 990 AADVENTURE, die SUPER DUKE und die SUPERMOTO waren. Bis zur Produktion der RC8 war es noch ein Jahr hin und der Rest der Straßen-Modellpalette waren Einzylinder.

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KTM 990 SUPER DUKE 2007

Bevor ich ins Flugzeug stieg, betrieb ich ein bisschen Hintergrundrecherche. Dabei wurde mir klar, dass mich in Österreich vermutlich eine Überraschung erwarten würde … Zu dieser Zeit gab es in UK mehr KTM Händler als Harley-Davidson, Ducati, Triumph oder sogar BMW-Händler. 2006 produzierte KTM in Österreich 85000 Motorräder, was sie zum zweitgrößten europäischen Motorradhersteller machte. Zu meiner Verteidigung: 55000 davon waren Offroad-Motorräder. Aber es gab nichts zu leugnen: KTM war eine Größe im Motorradmarkt. Und wie sich während meines Aufenthaltes rausstellte, schienen sie noch weiter zu wachsen!

Ich erinnere mich noch genau an das erste Mal, als ich das KTM Werk sah. Schon aus einiger Entfernung sieht man das (natürlich!) orange Gebäude, das an sich schon beeindruckend ist, aber noch beeindruckender war die Glasvitrine vor dem Gebäude, in der die damals aktuelle Modellreihe ausgestellt war. Am stärksten beeindruckte mich aber die Größe des Gebäudes: Es war riesig und weit entfernt von dem kleinen Werk, das ich erwartet hatte!

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Thomas Kuttruf, mein Guide für diesen Tag (und guter Freund) und nach wie vor als Presse/PR Verantwortlicher bei KTM, führte mich durchs Werk und schon wurde der Grund für die Größe offensichtlich. Zu meinem Erstaunen baut KTM nahezu jedes Teil selber. Kaum ein Arbeitsschritt wird ausgelagert und so konnte ich Teams von Schweißern zuschauen, die an Rahmen und Auspuffrohren arbeiteten, während woanders in Handarbeit Räder eingespeicht wurden – 55000 Paare pro Jahr.

Thomas erzählte, dass 85% des Motorrads entweder im Werk selbst oder in naheliegenden lokalen Unternehmen produziert werden. Wenn sich kein passender Zulieferer finden lässt, baut KTM einfach eine eigene Produktionsstätte. Ich habe schon Werke von anderen Herstellern gesehen, aber das Werk in Mattighofen war mit nichts zu vergleichen, das ich bisher gesehen hatte, genauso wie die Einstellung der KTM Mitarbeiter.

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Wie man sich vorstellen kann, ist Geheimhaltung in Hinblick auf neue Modelle für einen Hersteller von größter Priorität. Trotzdem nahm Thomas mich und einen Fotografen mit in das brandneue Forschungs- und Entwicklungsgebäude. Trotz vieler verschlossener Türen, führte uns Thomas durch die Abteilungen. Er zeigte uns den Prototypen der RC8, das KTM Superbike, rund sechs Monate vor der offiziellen Präsentation! Es war das erste Mal, dass ich Thomas getroffen hatte, aber er vertraute mir und meinem Fotografen, dass wir nichts über die geheimsten Projekte ausplaudern würden. Kann man sich einen japanischen Hersteller vorstellen, der so ein Risiko eingeht?

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KTM RC8 Concept 2007

Zurück im Büro entschuldigte sich Thomas, dass der KTM Vertriebs- und Marketingchef Hubert Trunkenpolz (genau, das T in KTM steht für Trunkenpolz) zur Zeit nicht im Haus war. Das sei aber kein Problem, denn er wartete auf einen Anruf von mir. Keine zwei Minuten später sprach ich mit einem der KTM Vorstandsmitglieder über die zukünftige Entwicklung der Firma. Er sprach erstaunlich offen über die Zukunftspläne. Ich erinnere mich, dass Hubert Trunkenpolz sagte, dass KTM in einigen Jahren mehr Motorräder verkaufen würde als BMW und damit zum größten Motorradhersteller in Europa aufsteigen würde (dieses Ziel erreichte KTM im Jahr 2013, obwohl der Motorradmarkt durch die Finanzkrise eine schwere Zeit erlebte). Außerdem planten sie ein aufregendes 125ccm-Viertaktmotorrad für Einsteiger zu bauen (die 125 DUKE wurde 2011 gelauncht), das nicht nur schön designt, sondern auch zum Wachstum der Firma beitragen sollte.

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KTM 125 DUKE 2011

Ich erinnere mich auch daran, dass er sagte, dass Leute eher Motorräder kaufen, wenn sie interessant designt sind. Etwas, das die 125/200/390 DUKE bewiesen haben. Außerdem sprach er von kleinvolumigen Rennmotorrädern für die Straße, die später in diesem Jahr mit der RC-Modellpalette Realität werden. Rückblickend hat er also Details zu jedem einzelnen zukünftigen KTM Modell ausgeplaudert!

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KTM RC 125 2014

Das war das erste Mal, dass ich in Mattighofen war und es sollten viele weitere Male folgen. Bei jedem Besuch scheint die Firma größer zu werden, die Glasvitrine voller und die Mitarbeiter immer optimistischer was die Zukunft angeht. Das einzige, was gleich bleibt, ist die Farbe des Gebäudes …