Herz-Sache: Gespraech mit Motortechniker Peter Gorbach

Elektronische Fahrhilfen, Reifengrip, aktive Federung – manchen Baugruppen wird reichlich Aufmerksamkeit zuteil. Sollte eigentlich nicht der Motor, das Herzstück eines Motorrads, im Vordergrund stehen? Also die Kraftquelle, auf die es letzten Endes wirklich ankommt, die das Adrenalin ins Blut schießen lässt? Weil die Motorenabteilung in Mattighofen zuletzt mehr als fleißig entwickelte, stand KTM-Techniker Peter Gorbach uns dazu Rede und Antwort.

 

Peter, die Duke-Baureihe gibt es inzwischen mit 125, 200, 390 or a 690 Kubikzentimetern Hubraum. Welche wäre Deine Empfehlung?

Es kommt natürlich darauf an, was gewünscht wird. Die 125er empfiehlt sich für Einsteiger und alle, die diese Kubatur auch mit dem Autoführerschein lenken dürfen. 200er und 390er  bieten entsprechend dem Hubraum mehr Leistung und erlauben es müheloser schneller zu fahren. Die 200er ist spurtstark, handlich und wendig und im Citygetümmel schwer zu schlagen. Wenn die Ausfahrt auch mal länger dauert, würde ich zur 390er greifen. Mit mehr Schmalz machen Landstraßen noch mehr Laune und Überholmanöver fallen auch leichter.

 

Diese drei Dukes ähneln sich optisch. Wie groß sind die Unterschiede bei den Motoren?

125er und 200er bauen auf dem gleichen Gehäuse auf, nur die Zylinderbohrungen unterscheiden sich. Der 390er Motor ist ein anderer, wenn auch in den Grundzügen ähnlich konstruiert. Alles fällt entsprechend größer aus. Kurbelwelle, Kupplung und Getriebe sind stärker dimensioniert, weil mehr Drehmoment zu verkraften ist. Der Kolben ist geschmiedet und aufwendiger gefertigt als der aus Gußmaterial, auch der Zylinder ist anders. Schon allein aus technischer Sicht müssen etliche Bauteile kostspieliger sein, weil die Belastungen auf Grund der Mehrleistung höher ausfallen. Im Zylinderkopf finden baugleiche Kipphebel Verwendung, dafür unterscheiden sich wiederum Ventile und Ventilfedern.

 

Kann man sagen, dass die Konstruktion des 390er Triebwerks anspruchsvoller war?

Die Motorarchitektur ähnelt im Grundsatz den kleineren Singles, aber weil die Leistungsausbeute höher ist, fallen die mechanischen Beanspruchungen höher aus. Das gilt es bei der Konstruktion zu berücksichtigen. Die Testverfahren sind ebenfalls ähnlich, aber an die Mehrleistung angepasst und entsprechend aufwendiger, um sicherzustellen, dass wirklich alles wie gewünscht funktioniert sowie die Dauerhaltbarkeit sichergestellt ist. Das Chassis ist identisch mit dem der 125er und 200er, demzufolge sind auch Airbox und Auspuff Gleichteile. Hier waren einige trickreiche Anpassungen und weiterführende Funktionsstest notwendig, um sicher zu stellen, dass alles harmoniert. Der Mehraufand hat sich aber gelohnt, wir sind mit der Leistungsausbeute sehr zufrieden.

 

Die Duke 690er verfügt über einen komplett eigenständigen Einzylinder. Gibt es trotzdem Gleichteile, die auch bei den kleineren Dukes verwendet werden können?

Nicht wirklich, die Motoren sind zu unterschiedlich. Im Vergleich fallen Kolben und Kurbelwelle des 690er geradezu riesig aus, alle Motorinnereien bewegen sich schneller und sind höheren Belastungen ausgesetzt. Die Konstruktion ist wirklich speziell, der Kolben praktisch ein Kunstwerk. Auch die Ventile sind deutlich größer. Außerdem weist der Zylinderkopf lediglich eine Nockenwelle auf, während die kleineren Motoren mit zwei Nockenwellen konstruiert sind.

 

Die Motoren der 1190 Adventure und der künftigen 1290 Super Duke sind dann wieder eine andere Welt…

Zweifellos, ja. Beide basieren auf dem RC8-Triebwerk, einer absolut modernen Zweizylinder-Konstruktion mit klarem, logischen Aufbau, die wirklich keinen Vergleich scheut. Die Performance, betrachtet man jeden Zylinder einzeln, ist außergewöhnlich gelungen. Vieles lässt sich mit der 690er vergleichen, aber der Drehfreude wird anstatt bei 8.000 erst bei über 10.000 Touren Einhalt geboten. Für die Adventure 1190 wurden Zylinderkopf, Kanäle Ansaugkanäle sowie die Einspritzung überarbeitet, um die Charakteristik tourenfreundlicher zu gestalten. Die Leistungsentfaltung ist angenehm spontan, aber weniger aggressiv als beim RC8 R Superbike.

 

Beim 1290er Motor der künftigen Super Duke wurden die Kolben von bereits beachtlichen 105 auf nun 108 mm Durchmesser vergrößert. Angenehm überrascht hat mich, dass dies ohne große Probleme realisierbar war. Wir gingen von etwa einem Jahr Entwicklungszeit für die größeren Kolben aus, aber da alles großartig funktioniert hat, brachte bereits die zweite oder dritte Entwicklungsstufe die gewünschten Ergebnisse. Motorgehäuse und Innereien verkraften die Mehrleistung und das gesteigerte Drehmoment problemlos. Die Entwicklung des 1290er Projekts verlief insgesamt sehr geschmeidig, wir konnten die Leistung immer weiter steigern und hatten außerdem noch eine Menge Spaß dabei.

 

Stichwort Leistungssteigerung. Sind der Entwicklung hier Grenzen gesetzt?

Als Ingenieur kommt man manchmal nicht umhin zu denken, dass ein Punkt erreicht ist, von dem aus es schwierig werden könnte, weitere Fortschritte anzustreben. Zum Beispiel bei der Leistung. Aber wenn man sich intensiv mit bestimmten Aufgaben beschäftigt, findet man hier und da Details, die sich besser lösen lassen. Zwanzig davon ermöglichen dann wieder eine spürbare Verbesserung. Das wird nie aufhören. Neue Ideen, neue Technologien und damit Entwicklungsschritte wird es immer geben. In der Motorradindustrie allgemein ist die Motorenentwicklung zwar beachtlich modern, aber nicht übertrieben hochgestochen. Da ist die Automobilindustrie um einiges voraus. Einige der dort betriebenen Entwicklungen werden deshalb auch nach und nach in der Zweiradbranche Anwendung finden.

 

Zum Beispiel?

Spezielle Nockenprofile, variable Steuerzeiten und weitere konstruktive Kniffe, die den Verbrennungsvorgang beeinflussen; Stichwort Magergemischbildung. Im Automobilsektor werden beachtliche Anstrengungen getätigt, um niedrige Verbräuche zu erzielen. Warum nicht auch bei Motorrädern? Weil die Leistungsausbeute und damit verbunden höhere Drehzahlen beim Kunden unverändert im Vordergrund stehen. Manche Verfahren und Techniken aus der Autowelt sind deshalb nicht ganz so einfach zu transferieren.

 

Zum Schluss: Gibt es ein Modell in der KTM-Palette, auf das Sie besonders stolz sind?

Ich habe anfänglich in der Entwicklungsabteilung der Offroad-Motorräder gearbeitet. Für mich ist der 350er Motor noch immer etwas Besonderes. Dabei oblag mir die Projektleitung. Das Triebwerk basiert eigentlich auf einem 250er Motor. Erklärtes Ziel war, so kompakt und klein wie möglich zu bauen, gleichzeitig aber bei der Leistungsentfaltung gegen 450er zu bestehen. Da war eine enorme Herausforderung. Aber wir haben es hinbekommen und sind auch mit weniger Hubraum siegfähig. Damit wurde der Motocross-WM-Titel in der großen Klasse jetzt drei Jahre in Folge erobert. Darauf bin ich schon stolz.