Die Dakar als Privatfahrer

Wenn es um die berühmteste Rallye der Welt geht, fährt Orange auf der Erfolgsschiene. In den letzten 12 Jahren hat KTM bei der Dakar zwölfmal den Sieg davongetragen, auch auf den Rängen platzierten sich Fahrer auf Bikes aus Mattighofen überdurchschnittlich oft und erfolgreich. Hier widmen wir uns einem Privatfahrer, der uns ins Auge gestochen ist: Patrick Beaule aus Kanada, der das 9.000 km-Rallye-Marathon, zu dem 182 Motorradfahrer aufbrachen, tapfer durchstand und im Ziel auf Platz 62 beendete. Wir haben den 37-jährigen KTM-Piloten aus Quebec zum Interview gebeten, um die speziellen Anforderungen und Strapazen der Dakar näher zu durchleuchten.

 

 

Welcher Beschäftigung gehst Du zum Broterwerb nach und wie kam die Idee, die Dakar zu bestreiten, überhaupt auf den Tisch?

Patrick Beaule: Ich bin bei KTM Kanada Verkaufsleiter und zuständig für den östlichen Landesteil. Meine Begeisterung für Offroad-Racing hat dazu geführt, dass ich diesen Job inzwischen ausübe. Von der Dakar habe ich erstmals um´s Jahr 2000 gehört, als ein Kumpel daran teilnahm. Meine Stelle bei KTM hat nicht gerade dazu beigetragen, das Rallyefieber zu unterdrücken oder das Träumen verhindert, da einmal selbst mitzufahren. Eigentlich wurde permanent mehr Öl ins Feuer gegossen. Die Dakar ist ein Traum, der einem nicht aus dem Kopf geht, sondern die Sehnsucht wird immer stärker. Irgendwann musst Du es dann tun. Als Offroad-Racer trachtet man ständig danach, die nächste bessere, berühmtere, schwierige Veranstaltung zu bestreiten. Und wenn es irgendwann die ultimative Herausforderung sein muss, landet man zwangsläufig bei der Dakar.

 

Wieviel Arbeit und Zeit müssen zur Vorbereitung investiert werden?

Patrick Beaule: Gute Frage! Für alles, was mit Motorrad, Ersatz- und Verschleißteilen, Team-Orga, Versicherungsfragen, Teilebeschaffung,  Wareneingang, Transport/Versand vorbereiten, Unterstützung organisieren, Sponsoren finden und für sich einnehmen, medizinische Vorsorgemaßnahmen, kommunikative Aktivitäten, Interviews, Papierkram, Fahr- und Fitnesstraining zusammen hängt, haben mein Team und ich mit Sicherheit über 1.000 Stunden geschuftet!

 

Inwiefern wurde die Maschine speziell für die Dakar-Rallye vorbereitet?

Patrick Beaule: Eigentlich nicht besonders. Ich war in der glücklichen Lage, eine KTM 450 RR zu ordern und einzusetzen. Diese Rallye Replica wird in kleiner Auflage speziell für derartige Offroad-Wettbewerbe gebaut und angeboten. Ich habe lediglich einen Satz Heizgriffe nachträglich montiert, weil klar war, dass uns beim zweimaligen Passieren der Anden auch kühle Temperaturen erwarten.

 

Wie sah die Vorbereitung aus, punkto Fitness und Fahrtraining?

Patrick Beaule: Ich habe die nationale Cross Country-Serie bestritten , die in Kanada aus 14 Läufen besteht. Um Verletzungen auszuschließen, habe ich die letzten Monate vor der Dakar keine Wettbewerbe mehr bestritten, sondern nurmehr Fitness trainiert. Dazu fuhr ich mehrfach lange Strecken mit einer 350 EXC, zum Beispiel 1.700 Kilometer über zwei Tage; und ich habe meine Händlerbesuche mit dem Motorrad erledigt, wobei manchmal Tagesetappen von 800 bis 1.000 Kilometer zustande kamen.

 

Sponsoren und finanzielle Unterstützung für einen Privatfahrer, ein wichtiges Thema?

Patrick Beaule: Ohne geht gar nichts, Null! Mein Budget für die Dakar betrug 140.000 kanadische Dollar (105.000 Euro). Mit weniger wird es schwierig. Ich hatte einen bezahlten Mechaniker und ein Team, das mich im Lager nach jeder Etappe erwartet und betreut hat. Dazu genug Platz auf dem Assistenz-LKW für Ersatzteile und alles was man braucht, um überhaupt durchzukommen. Natürlich verlangen die Sponsoren etwas für ihr Investment, vollkommen verständlich. Also haben wir uns angestrengt und überall Klinken geputzt und Infos herausgegeben, um für Aufmerksamkeit zu sorgen und in den Medien präsent zu sein. Die Faustregel ist einfach: Je mehr Artikel erscheinen, je öfter man im TV auftaucht, desto besser. Auf meiner Facebook-Seite haben bei der Rallye 15.000 Leute pro Woche reingeklickt!

 

Mit welchen Kosten ist zu rechnen, wenn man die Dakar bestreiten will?

Patrick Beaule: 80.000 Dollar (60.000 Euro] sind glaube ich das absolute Minimum. Wenn es billiger werden soll, reduzieren sich nur die Chancen auf eine Zielankunft; oder man provoziert indirekt Stürze und verletzt sich am Ende noch.

 

Was hat am meisten Vergnügen bereitet?

Patrick Beaule: Die Dünenpassagen, ohne jeden Zweifel. Das Fahren und die Eindrücke mit allen Sinnen nehmen Dich unbeschreiblich gefangen. Gleichzeitig sind Überholmanöver vollkommen gefahrlos möglich, weil immer und überall genug Platz ist. Höllisch schwierig ist dafür die Navigation, auch die körperliche Anstrengung ist natürlich extrem.

 

Gab es auch furchteinflößende Momente?

Patrick Beaule: Etliche Downhill-Passagen hatten es verdammt in sich. Ein bis eineinhalb Kilometer lange Abfahrten durch Sand etwa. Wenn ich von Downhill spreche, meine ich Bergabpassagen, auf die man normalerweise eher Snowboarder oder Skifahrer loslassen würde!

 

Gab es Momente, bei denen die Zielankunft ernsthaft in Frage stand?

Patrick Beaule: Etliche Male, klar. Vieles entpuppte sich schwieriger als erwartet. Richtig grenzwertig wurde es aber nur einmal, als beim Motor ein technisches Problem auftauchte. Ich war gezwungen, mich abschleppen lassen, mit einem Seil, über 320 Kilometer. Dabei wusste ich nicht einmal, ob genügend Zeit zur Reparatur übrig blieb, geschweige denn, ob überhaupt die notwendigen Ersatzteile vorhanden waren. Zum Glück hat aber alles geklappt.

 

Wird es einen zweiten Rallye-Einsatz geben?

Patrick Beaule: Von mir aus gerne. Ich muss noch mal drüber schlafen, ob wieder mit dem Motorrad oder mit einem Auto. Aber ich möchte nochmal dabei sein, ja.

 

Das Dakar-Fiber lässt einen offenbar nicht mehr los?

Patrick Beaule: Als Rennfahrer findet man Gefallen an Wettbewerb; und es macht Freude, diese Leidenschaft beim längsten Rennen auf diesem Planeten auszuleben. Man lernt eine Menge guter Typen kennen, lernt unglaublich viel dazu, schärft seine Fähigkeiten, lernt physisch wie psychisch mit Hausforderungen umzugehen. Also lauter positive Dinge, die einem auch im richtigen Leben helfen, besser zurecht zu kommen.