Interview des Monats: Karel Hanika über Druck, Zweikämpfe und Motocross

Mit gerade einmal 19 Jahren muss der tschechische Moto3-Pilot Karel Hanika erwachsen werden. Mit seinem breiten Grinsen, den unverwechselbaren Locken und einem sorglosen Auftreten erschien der Youngster 2014 in der hartumkämpften Einsteigerklasse der MotoGP. In seinem zweiten Jahr im Red Bull KTM Ajo Werksteam steht der ehemalige Europameister und Red Bull MotoGP Rookies Cup Sieger nun stärker im Rampenlicht.

Sein bisher bestes Saisonergebnis erzielte die ‘98’ mit einem siebten Platz beim Grand Prix von Argentinien, in Mugello war sogar ein Podestplatz in greifbarer Nähe. Wir trafen Karel in Barcelona – sozusagen sein zweiter Heim-Grand Prix (und vielleicht sogar der einzige, wenn sich die Gerüchte bewahrheiten und der GP in Brünn aus dem Kalender gestrichen wird) – wo er seinen Wohnsitz hat, nicht weit entfernt von der Werkstatt des Ajo-Teams, in einem ehemaligen Derbi-Werk ganz in der Nähe der Strecke in Montmelo.

Karel Hanika Jerez 2015

Karel Hanika Jerez 2015

Zweites Jahr in der Moto3. Man sagt, das erste Jahr dient zum Lernen und Erfahrungen sammeln … ist das Leben im zweiten Jahr ein bisschen einfacher?
„Ich würde nicht direkt sagen einfacher. Letztes Jahr musste ich die Strecken und die Weltmeisterschaft kennenlernen, aber jetzt zählt für mich nur noch eines und das sind Ergebnisse. Bisher lief es nicht so schlecht. Um deine Frage also zu beantworten: ja, ich würde sagen, dieses Jahr ist es ein bisschen einfacher!“

Der Lernprozess ist für dich aber noch nicht abgeschlossen?
„Definitiv. Letztes Jahr habe ich mich hauptsächlich auf die neuen Strecken konzentriert und versucht, möglichst wenig Fehler zu machen. Jetzt versuchen wir, das Limit höher zu stecken und schnellere Rundenzeiten zu fahren. Mittlerweile kann ich selbstständig arbeiten und die Erfahrungen, die ich letztes Jahr gesammelt habe, helfen mir. Mein Gefühl wird von Rennen zu Rennen besser. Die viele Arbeit zahlt sich aus und bei jedem GP kommen wir näher an die Topfahrer heran. Ich denke, dass wir schon bald mit ihnen mitfahren können.“

Karel Hanika Jerez 2015

Karel Hanika Jerez 2015

Letzte Saison hat Jack Miller um die Weltmeisterschaft gekämpft, deshalb konntest du dich wahrscheinlich ganz ohne Druck auf deine eigenen Fortschritte konzentrieren; spürst du jetzt mehr Druck oder eine andere Erwartungshaltung, z.B. dass Top 5-Platzierungen oder Podestplätze von dir erwartet werden?
„Das beschreibt es ziemlich genau. Letztes Jahr musste ich mir nur wenige Gedanken um meine Ergebnisse machen und bin sehr oft übers Limit gegangen. Jetzt kann ich die Situation besser einschätzen, wie in Mugello, wo wir das Podium in der letzten Kurve verloren haben, aber die Leute haben gesehen, dass wir vorne mithalten können. Meine Zeit wird kommen und ich werde weiterhin 100% geben.“

Wie gehst du mit dem Druck um? Wenn man Fahrer wie Arthur Sissis sieht – um willkürlich einen Namen zu nennen – dann kann man es sich nicht leisten, auf diesem Level längerfristig mittelmäßige Ergebnisse einzufahren?
„Ich kenne Arthur und seine Situation. Er war ein guter Fahrer, der auch auf dem Podium stand, aber leider fährt er jetzt nicht mehr in der Weltmeisterschaft. Hoffentlich läuft es bei mir anders. Ich kann zwar noch keine Topresultate vorweisen, aber ich hoffe, dass die Leute sehen, dass ich 100% gebe und hart an mir arbeite. Bei den letzten GPs lag ich in fast jeder Session unter den Top 10 – das ist nicht so schlecht. In den Rennen muss ich noch cleverer und ruhiger werden. Klar sind das jetzt nur Worte, denn am Ende zählt nur das Ergebnis auf dem Papier.“

Wie fand das Team die Saison 2014? Haben sie dir Ratschläge für die neue Saison mitgegeben?
„Natürlich spüre ich Druck, aber jeder im Team versucht mich zu unterstützen und mich auf den richtigen Weg zu bringen. Ich tue alles, um ein Topfahrer zu werden und trainiere hart, um mit den Besten mithalten zu können. Nach den ersten beiden Rennen war ich nicht wirklich zufrieden und meine Arbeit an der Strecke hätte besser sein können. Das Team hat sich zusammengesetzt und alle haben nochmal betont, dass wir von der ersten Minute des ersten Trainings bis zur letzten Minute des letzten Trainings konzentriert arbeiten müssen. Ich habe meine Herangehensweise in den letzten Rennen geändert und ich kann ehrlich sagen, dass ich den besten Job gemacht habe … bisher konnte ich es leider noch nicht in Ergebnisse umsetzen, dazu fehlt uns noch ein letzter Schritt.“

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Du bist erst 19 … aber bereits jetzt bist du ziemlich groß für einen Moto3-Fahrer. Musst du besonders auf deine Ernährung oder andere Dinge im Alltag achten?
„Auf jeden Fall! Es gibt nicht viel, das ich wegen meiner Größe unternehmen könnte; neben mir gibt es noch ein oder zwei andere Fahrer, die auch etwas zu groß für diese Klasse sind. Es macht das Leben schon ein bisschen schwerer, besonders weil die KTM ein eher kleines Motorrad mit sehr gutem Handling ist. Obwohl ich versuche, mich möglichst gut vorzubereiten, ist es schwierig sich hinter der Verkleidung zu verstecken. Aber ich versuche alles einfach ganz entspannt anzugehen und bisher geht dieser Plan auf. Auch an meinem Gewicht kann ich nicht viel ändern. Ich habe fast kein Körperfett und ein Bein abschneiden kann ich mir auch nicht! Ich muss einfach versuchen, das Gewicht zu halten. Die Leistung unseres Motorrads ist sehr gut, so dass auch ein großer und schwerer Fahrer wie ich in den Topspeed-Listen vorne dabei sein kann; es gibt also keinen Grund zum Klagen. Etwas mehr Gewicht kann in den Kurven durchaus hilfreich sein, aber in anderen Bereichen hat es natürlich Nachteile.“

Wie schwer bist du?
„So um die 65 Kilo; einer der Schwersten im Feld denke ich.“

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Hast du 2014 etwas mehr Leistung vermisst? Die Hondas haben einen großen Schritt nach vorn gemacht?
„Es ist nicht einfach, gegen Honda zu fahren, aber KTM hat bei der Entwicklung einen großartigen Job gemacht. Letztes Jahr lag ich oftmals fast am Ende der Topspeed-Liste, aber 2015 haben wir nochmal Leistung gefunden. Wir können leicht mit den Hondas mithalten und manchmal sogar schneller sein, nicht nur ich, auch die anderen KTM Fahrer. Hinzu kommt der Vorteil durch das gute Handling.“

Hast du für die Saison 2015 etwas an deiner Arbeit abseits der Strecke verändert?
„Vor meinem ersten Jahr in der Weltmeisterschaft bin ich nach Spanien gezogen und in diesem Winter habe ich mein Trainingsprogramm verändert, ich konzentriere mich jetzt mehr auf die Kondition. Wir trainieren sechs Tage die Woche, oftmals zweimal am Tag. Es ist sehr intensiv und hilft mir, mich in den Rennen länger zu konzentrieren und anschließend weniger erschöpft zu fühlen.“

Was für eine Art Training ist das?
„Wir fahren viel Fahrrad … manchmal mit dem Mountainbike, aber meist auf der Straße. Wir laufen und fahren Motocross, in meinen Augen das beste Training überhaupt, da man viele verschiedene Muskelgruppen trainiert. Ich bin kein besonders schneller Fahrer, aber ich versuche 30 Minuten Läufe zu absolvieren, um die Kondition und das Gefühl zu trainieren. Außerdem fahren wir Supermoto, gehen ins Fitnessstudio und machen viele verschiedene Dinge, damit es nicht langweilig wird. Diese Trainingsroutine hilft nicht nur beim Fahren, sondern ist auch mental extrem wichtig.”

Karel Hanika KTM RC 250 GP Jerez 2015

Karel Hanika KTM RC 250 GP Jerez 2015

Als KTM Werksfahrer hast du bestimmt eine nette Auswahl an Motocross-Bikes?
„Denkst du! Ich wollte gerne einen Zweitakter und dachte zuerst an eine 150er, aber dann habe ich mich für die 2015er 250 SX-F entschieden. Für mich, als nicht so erfahrenen Motocross-Piloten, ist es das perfekte Motorrad, mit dem ich mich kontinuierlich verbessern kann! Ich habe auch schon die 350er und eine Enduro ausprobiert, aber keine gefiel mir so gut wie die 250er.“

Wie siehst du dich selbst? Bist du nach wie vor ein aufstrebender Grand Prix-Fahrer und denkst du, dass die Fans und Medien das genauso sehen?
„In Tschechien ist unser Sport nicht die Nummer 1 – diese Position hält Fußball und Hockey – aber die Zahl der Fans steigt und man kann die Unterstützung spüren. Sie schätzen deine Arbeit. Natürlich sind alle Fans verschieden, aber sie über dich reden zu hören und zu wissen, dass sie dich bei jedem Rennen unterstützen, ist ein tolles Gefühl und bringt einen nach vorne. Es gibt im Grand Prix nur drei tschechische Fahrer. Meine Position in der WM ist dieses Jahr besser, weil ich konstanter vorne mitfahren kann. Ich bin gerne in der MotoGP.“

Letzte Frage. Wie ist es, in der Moto3 zu fahren; die Rennen sind manchmal ziemlich verrückt mit einer großen Gruppe, die so eng beisammen ist, dass sich die finalen Positionen erst auf den letzten Metern entscheiden?
„Man muss ruhig bleiben! Wenn man das Rennen in Mugello nimmt oder viele aus dem letzten Jahr, dann liegen oft bis zu 15 Fahrer innerhalb von zwei Sekunden. Es ist sehr eng beisammen. Ich denke, die Moto3 ist am spannendsten nicht nur für die Fahrer, auch für die Zuschauer. Wenn du viele Fahrer auf einem ähnlichen Niveau hast mit ähnlichem Material, dann ist es sehr spannend. Es gibt nur kleine Dinge, die man machen kann, um besser als die anderen zu sein, wie einen Meter später zu bremsen oder eher wieder ans Gas zu gehen. In dieser Klasse gibt es so viele gute Fahrer und ich kann sagen, dass es in dieser oder der letzten Saison kein Rennen gab, in dem mir langweilig gewesen wäre. Man fährt immer am Limit, kämpft und hat Spaß dabei … und das ist es, worum es im Grunde geht.“

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Karel Hanika KTM RC 250 GP Barcelona 2015

Fotos: www.ktmimages.com