3D-Druck: Die Zukunft der Motorrad-Konstruktion?

Dank 3D-Druckverfahren entwickelt die Forschungs- und Entwicklungsabteilung von KTM neue Motorräder und Komponenten noch schneller. Kann diese Technologie tatsächlich den Ansprüchen der rigorosen Tests und Standards bei Straßenmotorrädern des 21. Jahrhunderts genügen?

Es sieht danach aus, als wäre die Antwort ‚Ja‘. Kürzlich präsentierte KTM seine SX-Baureihe des Modelljahres 2019 im Rahmen eines internationalen Launchs in Italiens Hauptstadt Rom. Eine der wichtigsten Neuerungen bei der KTM 250 SX mit 2-Takt-Motor dreht sich um die Verwendung eines 3D-Druckers, um neue Ideen zur (Weiter-) Entwicklung der Auspuffbirne umzusetzen und diese zu testen.

Michael Viertlmayr (AUT) 2018 © Sebas Romero/Marco Campelli

Head of Engine Offroad & Motocross R&D, Michael Viertlmayr, erklärte, wie KTM die 2019er-Version entwarf, um das Gesamtpaket der Auspuffbirne zu verbessern und die Bodenfreiheit des Motorrads zu erhöhen. Neben 3D-Druckverfahren griff KTM dabei auch auf seine immer größer werdenden Erfahrungen in der MotoGPTM zurück und verwendete ovale Querschnitte, um seine Performance-Ziele zu erreichen. Natürlich ist die Theorie nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist, die Komponenten an einem echten Bike zu testen.

„Wir haben einen Innovationszyklus“, so Viertlmayr. „Dieser beginnt mit einem Grundkonzept oder – wie in diesem Fall – mit der Idee, die Auspuffbirne zu verkleinern oder schlanker zu machen. Wir wussten um die Vorteile ovaler Querschnitte und wollten die Auspuffbirne näher am Rahmen verlegen. Mit Hilfe des 3D-Modells beginnen wir dann eine Simulations- und Berechnungsphase. Wir gehören zu den wenigen Unternehmen auf der Welt, die in der Lage sind, die hochkomplexe Thermodynamik eines 2-Takt-Motors zu berechnen, was viel schwieriger ist als bei einem 4-Takter.“

„Sind wir mit den Ergebnissen der Berechnungsphase zufrieden, bauen wir den ersten Prototyp“, fährt er fort. „Wenn wir mit den Ergebnissen nicht zufrieden sind, startet eine neue Schleife mit der Design-Abteilung. Wenn die Berechnungen vielversprechend sind, drucken wir die Segmente aus, schweißen sie zusammen und schon haben wir einen voll funktionstüchtigen READY TO RACE-Auspuffbirnen-Prototyp.“

„Wir haben die Möglichkeit, neue Teile am Prüfstand und von unseren Testfahrern auf der Strecke testen zu lassen. Das liefert jede Menge Feedback und Zahlen. Sind wir mit dem Design zufrieden, folgt die zweite Prototyp-Phase. Wenn nicht, geht es zurück zur Berechnungsphase.“

„Im zweiten Schritt nähern wir uns der Fertigungsphase; wir verwenden dieselben Schweißnähte und dieselbe Hüllengestaltung – die Hüllen sind, wie beim Serienbike, bereits aus gestanzten Blechen gefertigt. Allerdings werden die Birnen immer noch von Hand geschweißt und nicht – wie später in der Serie – von Robotern. Wir ziehen Vergleiche mit dem ersten Prototyp und testen auf die Haltbarkeit der Schweißnähte und die schweißtechnische Gestaltung. Sind die Resultate gut, geben wir die Produktionswerkzeuge frei, und nach einer Vorlaufzeit von 6 Monaten halten wir die ersten Serien-Auspuffbirnen in den Händen.“

„Die Serien-Birnen werden wieder mit dem ersten Prototyp verglichen und müssen genauso funktionieren wie dieser. Außerdem finden an diesem Punkt umfangreiche Haltbarkeitstests statt, um die Qualität sicherzustellen.“

„Alles in allem dauert dieser Prozess – vom Basiskonzept bis zum fertigen Produkt – etwa 18 Monate. Damit sind wir heute doppelt so schnell und zehnmal genauer als in der Vergangenheit, was für uns einen gewaltigen Fortschritt darstellt. Die Simulations- und Berechnungswerkzeuge sparen uns, zusammen mit dem Prototyping, viel Zeit und Mühe.“

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Idea 3D design © KTM

3D-Druck hat seit den frühen 1980ern immer mehr an Glaubwürdigkeit und Popularität gewonnen, nachdem die Rohmaterialien und die eigentlichen Drucker verbessert wurden und seit das Computer Aided Design (CAD) in der Lage ist, selbst die kleinsten Details präzise zu reproduzieren. Die Methodik wurde in Sachen Qualität und Wirksamkeit so weit verfeinert, dass diese Technologie selbst bei Fahrzeugen, Schusswaffen und sogar Operationsverfahren erfolgreich eingesetzt wird.

Dennoch ist es kaum zu glauben, dass 3D-Druckverfahren selbst mit Metallen und Materialien verwendet werden können, die stark genug sind, bei einem Motorrad – ja sogar einer KTM SX – verbaut zu werden! Für KTM wird diese Ressource immer bedeutender und wichtiger. Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung verfügt über vier 3D-Drucker; 3 für Kunststoff-Komponenten und einen für Metall.

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3D printer (plastic) © KTM

„Jedes Jahr entwickelt die Forschungs- und Entwicklungsabteilung mehr und mehr Teile“, hält Viertlmayr fest. „Am Anfang waren es nur wenige und der Kunststoff war von niedriger Qualität, aber die Materialien haben sich in der Zwischenzeit drastisch verbessert. Heute können wir nicht nur hochwertige Kunststoff-Teile drucken, sondern auch solche aus Aluminium wie zum Beispiel Zylinderköpfe, was schon ganz schön cool ist. Außerdem können wir in verschiedenen Stahl-Qualitäten drucken und sind in der Lage, sogar ‚stark belastete‘ Teile wie Kipphebel zu drucken.“

Die Vorteile liegen auf der Hand. „Wir sparen damit extrem viel Entwicklungszeit“, so Viertlmayr. „Die Segmente eines Auspuff-Prototyps zu drucken, dauert weniger als eine Woche, was uns alleine 2-3 Monate spart. Das macht uns das Leben deutlich leichter. Die gedruckten Teile sind voll funktionstüchtig. Es handelt sich nicht um Entwurfsteile; sie können am Prüfstand und auf der Strecke getestet werden, was einfach fantastisch ist und einen großen Schritt vorwärts darstellt.“

Eines Tages wird wohl die erste, vollständig am Computer entwickelte KTM präsentiert und in den Mattighofner Werkshallen ein neues Zeitalter der Fertigung einläuten: Der Countdown läuft.

Fotos: Sebas Romero | Marco Campelli | KTM