Akrapovič Teil 2 – Interview

Geringes Gewicht, verbesserte Leistung, schönes Design, perfekte Passform, knackiger Sound: Die Auspuffanlagen von Akrapovič aus Slowenien genießen nicht umsonst einen legendären Ruf. Der KTM BLOG sprach mit dem Firmengründer Igor Akrapovič.

Es ist unmöglich, die Akrapovič-Fabrik zu besuchen und nicht von der modernen Architektur beeindruckt zu sein. Die Gebäude am Ortsausgang in Ivancna Gorica schimmern silbrig, geheimnisvoll in der slowenischen Sonne. Wer nicht weiß, was hier vor sich geht (nirgendwo ist ein Firmenschild zu sehen), könnte hier auch eine Zweigstelle der NASA vermuten. Als ich dies zu Beginn meines Besuchs bei Igor Akrapovič anspreche, gibt er das Kompliment gleich schmunzelnd weiter: „Dafür war nicht ich zuständig, sondern meine Gattin Slavojka, die Architektin ist.“

Das Büro von Igor Akrapovič ist luftig und großzügig; die Einrichtung komponiert aus Glas und Metall, der Boden aus Holz. Es gibt zwei Schreibtische, zwei Konferenz-Tische und ein imposantes rotes Sofa als Blickfang. An einer Wand steht jene VTR1000 SP-2, mit der Colin Edwards in der Saison 2000 den Superbike-WM-Titel erkämpfte, die erste WM-Krone für die slowenischen Auspuff-Spezialisten. Bekannt ist, dass der Hausherr dunkle Klamotten bevorzugt. In der Tat: Igor trägt ein schwarzes Hemd zur schwarzen Hose, dazu schwarze Turnschuhe. Obwohl zweifellos vielbeschäftigt, nimmt er sich Zeit,  wirkt entspannt und gelassen, der Empfang ist überaus liebenswürdig und freundlich.

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Der Auspuff-Hersteller hat seine Wurzeln bekanntlich im Rennsport und natürlich erinnert sich Igor, wie alles begann: „Ich bin über zehn Jahre selbst aktiv Motorradrennen gefahren. Ich hätte irgendwann in die Firma meines Vaters einsteigen können, die Kunststoffartikel produzierte. Aber ich hatte nur meine Rennkarriere im Kopf, habe die großen Stars bewundert und wollte Teil dieser Szene sein. Ich habe mich immer selbst um die Technik meiner Maschinen gekümmert. Also begann ich mit einem Tuning-Shop, überholte und präparierte Motoren für andere Fahrer. Das war 1990. Ventile, Zylinderköpfe, Kolben und Nockenwellen, darum drehte sich meine Arbeit. Ich war spezialisiert auf Kawasaki, Honda RC30 und dann auch Ducatis. Ich habe dann bald gemerkt, dass die damaligen Auspuffanlagen nicht ideal waren. Also habe ich beschlossen, etwas Eigenes zu bauen. Nach fünf oder sechs Monaten schaffte ich meine erste Rohrbiegemaschine an. Kurz darauf folgte der erste Leistungsprüfstand. Von da ab ging es darum, fleißig zu sein und Fortschritte zu machen. Probieren, tüfteln, entwickeln und Erfahrungen sammeln.“

Die Auspuffsysteme, die zunächst unter dem Markennamen „Scorpion“ angeboten wurden, kamen bei Sportfahrern sehr gut an. Im Wesentlichen zeichnete die Anlagen aus, wofür Akrapovič-Anlagen auch heute bekannt sind: Sie waren leicht, leistungsfördernd, geschickt verlegt und liebevoll verarbeitet. Diese Qualitäten sprachen sich rasch herum, immer mehr Rennfahrer und Teams wurden zu Kunden.

Igor erinnert sich an den Durchbruch im Motorsport auf internationaler Bühne: „Zuerst probierte Kawasaki Deutschland Ende 1993 meine Auspuffanlage mit Jochen Schmidt in der Pro-Superbike-Meisterschaft aus. Sie waren damit sehr zufrieden. Schmidt fuhr 1994 auch Gaststarts in der Superbike-WM, wobei seine ZXR 750 in Hockenheim schneller lief als die offiziellen Werksmaschinen. Die Japaner erkundigten sich nach der Ursache dafür und fragten daraufhin nach Auspuff-Testmustern, die sie im Werk einer genauen Prüfung unterzogen. Offenbar hat das Ergebnis beeindruckt. Als später Harald Eckl in der WM das Werksteam der Grünen übernahm und unseren Auspuff verwenden wollte, waren die Japaner  einverstanden. Danach ging alles sehr schnell. Keine zwei Jahre später setzten alle japanischen Hersteller in der Superbike-WM auf unsere Anlagen. Das war für den Bekanntheitsgrad als Auspuffmarke natürlich extrem hilfreich.“

1997 erfolgte etwas Ungewöhnliches, nämlich die Namensänderung von Scorpion auf Akrapovič. Hintergrund war eine Markenrecht-Intervention von Autobauer Ford, die damals den „Scorpio“ produzierten. „Wir waren zu der Zeit eine Firma mit 16 Angestellten“, erinnert sich Igor, „16 Anwälte wären wohl besser gewesen, um sich mit einem Weltkonzern gerichtlich anzulegen. Das kam überhaupt nicht in Frage. Weil alles geschützt war, was als Ersatz möglich schien, haben wir eben meinen Namen genommen und gesagt, mal schauen, was dabei herauskommt. Akrapovič klingt eigenständig und ein bisschen exotisch und war dann auch kein Problem, sondern als Markenname rasch akzeptiert.“

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Igor Akrapovič

Akrapovič ist längst eine weltweit arrivierte Firma, die mit 700 Mitarbeitern an die 100.000 Auspuffanlagen pro Jahr fertigt, für Ein-, Zwei-, Drei- und Vierzylinder, für Racing- wie Serienmotorräder. Dazu inzwischen auch für Autos und ebenso auch für Custom-Bikes und Scooter über 125 Kubik. Weil Anlagen für Vierzylinder einen Großteil der Produktion ausmachen, KTM aber viele Zweizylinder anbietet, drängt sich die Frage auf, was für einen Auspuffspezialisten aus konstruktiver Sicht die größere Herausforderung darstellt, Anlagen für Zwei- oder Vierzylinder?

„Zweizylinder sind schwieriger“, antwortet Igor. „Wegen der Platzverhältnisse am Motorrad, weil es räumlich enger und beschränkter zugeht. Vierzylinder erlauben dazu mehrere Konfigurationen, also 4-in-1 oder 4-in-2. Wenn bei einem Twin der Auspuff unter den Motor soll, wie z.B. bei einer Panigale, kann man eigentlich keinen optimalen Auspuff bauen. Man kann nur versuchen, das Beste aus den Gegebenheiten zu machen. Punkto Performance bleibt es eine große Herausforderung.“

Die Antwort von Igor Akrapovič geht aber noch weiter: „Für die VTR1000-Honda von Colin Edwards haben wir über drei Jahre insgesamt 54 verschiedene Auspuffanlagen entwickelt. Honda hat das Motorrad laufend verbessert. Sie haben sich gepusht und uns auch. Entwicklungstechnisch haben wir 1999, 2000 und 2001 viel gemacht. Es war unglaublich viel Arbeit und auch kostspielig, aber wir haben eine Menge gelernt. Also kennen wir uns auch mit Zweizylindern sehr gut aus. Natürlich haben wir die meiste Erfahrung mit Inline-Fours, auch mit Big-Bang-Triebwerken, die etwas kompliziertere Lösungen erfordern. Aber grundsätzlich kann man sagen, dass Anlagen für Vierzylinder einfacher zu realisieren sind als für Twins.“

Honda VTR1000SP Colin Edwards

Honda VTR1000SP Colin Edwards

Ein anderer Punkt ist, dass Motoren laufend verbessert werden. Entsprechend muss auch die Abgasanlagen-Entwicklung folgen. Dazu wollen die Wünsche der Fahrer berücksichtigt sein. Manchmal haben die Teams verschiedene Auspufftypen im Einsatz, weil dieser oder jener Fahrer damit besser zurecht kommt. Der eine bevorzugt mehr Drehmoment, der andere lieber Spitzenleistung. „Diese Dinge lassen sich über den Auspuff beinflussen, wie die Leistungskurve natürlich auch“, nimmt Igor Akrapovič den Faden wieder auf. „Zumindest wir können das, dank unserer Erfahrung. Dazu kommen Dinge, die bei der Entwicklung auf dem Prüfstand verborgen bleiben. Das Ansprechverhalten etwa, weil es in den Messprotokollen nicht zu sehen ist. Es kommt vor, dass Fahrer das bemängeln, obwohl die Leistungskurve perfekt aussah. Aber beim Aufziehen waren sie unzufrieden. Keine Connection zum Hinterrad, kein gutes Feeling. Dann liegt es am Entwickler. Manche spüren, dass diese Anlage mit sich mit gleicher Powerkurve besser dosieren lässt und schöner als Gas hängt als eine andere. Reine Gefühlssache also. Deshalb braucht man für die Entwicklung extrem gute Mitarbeiter. Leute mit viel Erfahrung und die mit viel Engagement bei der Sache sind.“

Die Zusammenarbeit von KTM und Akrapovič begann 1999 mit Supermotos und erstreckt sich längst über alle Bereiche, auf Asphalt wie Offroad. Frage also: Gibt es einen KTM Auspuff, dessen Entwicklung eher knifflig war? Igor Akrapovič braucht nicht lange zu überlegen: „Kompliziert war die Racing-Anlage für das RC 8-Superbike, weil eine Unterflur-Anordnung auch die Kühlung erschwert. Dank neuer Materialien haben wir es schließlich hinbekommen. Aber so ist das: Jeder Motor hat seine Eigenheiten, die berücksichtigt werden wollen.“

Beim Moto3-Renner von KTM wurde die Einrohr-Auspuffanlage nach der ersten Saison durch eine Konstruktion mit zwei Megaphon-Dämpfern abgelöst. Warum? „Weil damit die Leistungskurve verbessert werden konnte. Einzylinder reagieren extrem sensibel. Im GP-Sport ist die Weiterentwicklung eigentlich einfacher, weil die Lautstärke keine große Rolle spielt. Ganz anders als im Offroad-Sport, wo zwei bis drei Dezibel eine enorme Herausforderung darstellen, weniger bei der Spitzenleistung als in punkto Durchzug und Ansprechverhalten. Das ist das größte Problem, trotz verringertem Geräuschentwicklung noch ähnlich gute Durchzugswerte zu erzielen.“

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KTM RC8 R IDM SBK

In Slowenien entstehen seit über zwei Jahrzehnten Auspuffanlagen für Straßenfahrer und für Rennfahrer und Teams, die damit auf Rennstrecken antreten. Der Erfahrungschatz im Umgang mit dem Werkstoff Titan ist riesig. Was sind ansonsten die größten Unterschiede? Igor Akrapovič: „Die Entwicklungsarbeit ist von den Abläufen ähnlich, nur die Zielsetzungen sind unterschiedlich. Auspuffsysteme für die Straße müssen homologiert sein und alle Vorschriften bezüglich Sound und Emissionen erfüllen. Natürlich wird stets versucht, die bestmögliche Leistung zu erzielen. Der Sound muss angenehm klingen, auch wenn dieser leiser zu sein hat. Natürlich spielt auch der Look eine wichtige Rolle.”

„Im Superbike-Sport gibt es gewisse Geräuschgrenzen zu beachten, anders als im GP-Sport, dennoch muss immer die Performance stimmen und das Gewicht möglichst niedrig ausfallen. Auch hier ist die Zielsetzung also eine andere. Grundsätzlich versuchen wir stets, unseren Kunden das technisch bestmögliche Machbare anzubieten. Das betrifft die Konstruktion, die Materialien ebenso wie Verarbeitung und Qualität im Allgemeinen. Deswegen gibt es etliche käufliche Racing-Anlagen, die sich kein bisschen von denen unterscheiden, die von namhaften Rennteams eingesetzt werden.“

Neben der rein technischen Komponente, ist es eine Besonderheit von Akrapovič, dass man eigentlich mit allen wichtigen Motorradherstellern und Marken – aus Europa wie Japan – eine fruchtbare Zusammenarbeit pflegt. Wie das möglich ist? „Man muss extrem professionell und vorsichtig arbeiten“, erläutert der slowenische Unternehmer dazu. „Glücklicherweise gelingt uns das seit Jahren sehr gut. Wir trennen strikt und tragen keine Geheimnisse von Einem zum Anderen. Die Firmen wissen, dass sie uns vertrauen können. Wir sind dank unseres Know-how behilflich, gewisse Vorteile bei der Performance auszuschöpfen, mehr nicht. Alles andere muss jeder für sich selbst erarbeiten.“

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Fährt der Auspuff-Gott eigentlich auch selbst noch Motorrad? „Ja, ich habe seit drei Jahren eine Diavel, aber mit dem Umzug der Produktion nach Crnomelj, der sich über ein halbes Jahr hinzieht, kam ich kaum mehr zum Fahren.“ Igor führt speziell die niedrige Sitzhöhe als Vorteil an, weil er sich vor Jahren beim Wintersport eine Knieverletzung zuzog. „Eigentlich unglaublich“, schüttelt er etwas fassungslos den Kopf, „nach 11 Jahren aktivem Motorradsport ohne schlimme Folgen, habe ich mich verletzt, als ich mit meiner damals 4-jährigen Tochter im Schnee spielte. Bänder und Meniskus waren beschädigt und haben mich lange behindert; später ließ ich es operieren, inzwischen geht es zum Glück wieder besser.“

Igors Büro ist im ersten Stock in jener Halle, in der gleichzeitig auch Prototypenbau und Rennabteilung untergebracht sind. Der Prüfstand für die Rennmaschinen findet sich gleich darunter, quasi unter seinen Füßen, was ihn interessanterweise überhaupt nicht stört. „Der Lärm ist kein Problem“, grinst er, „im Gegenteil. Wenn ich das nicht mögen würde, wäre ich nicht in diesem Business. Richtig laut wird es nur, wenn ein MotoGP-Bike auf dem Prüfstand läuft, aber auch das ist nur störend, wenn gerade ein Meeting stattfindet.“

Igor Akrapovič: „Der Lärm ist kein Problem“, grinst er, „im Gegenteil. Wenn ich das nicht mögen würde, wäre ich nicht in diesem Business. Richtig laut wird es nur, wenn ein MotoGP-Bike auf dem Prüfstand läuft, aber auch das ist nur störend, wenn gerade ein Meeting stattfindet.“

Die Rennabteilung wird seit Jahren von Slavko Alojz Trstenjak geführt, der zu den engsten Mitarbeitern von Igor Akrapovič zählt und als großer Offroad-Freund auch maßgeblich zur Zusammenarbeit mit KTM beitrug, die 1999 mit Supermotos begann und sich heute längst durch alle Bereiche (Road Racing, Offroad- wie Rally-Sport) zieht. „Eigentlich steht die Entwicklung ja nie still“, fügt Igor mit spitzbübischem Lächeln noch hinzu. „Wenn unter mir der Prüfstand läuft, oft genug den ganzen lieben Tag lang, gehe ich gerne mal runter, weil es mich natürlich interessiert, was gerade passiert. Neue Entwicklungen sind immer spannend. Außerdem soll es schlimmere Probleme geben, wenn man so ein Unternehmen führt, als dem Sound von Rennmaschinen lauschen zu müssen, noch dazu von MotoGP-Bikes.“

Die Firma Akrapovič wird nächstes Jahr 25-jähriges Jubiläum feiern. Bislang stiegen die Verkaufszahlen kontinuierlich Jahr für Jahr. Weiterentwicklung und Innovationen werden dazu mit Millionen-Aufwand stetig vorangetrieben. Die Hexagonal-Dämpfer revolutionierten vor Jahren das Auspuffdesign. Inzwischen wurde zur INTERMOT-Messe ein neuartiges Sechskant-Design vorgestellt, dessen gebogene Form es ermöglicht, die Durchflusswerte bei gleichem Rohrquerschnitt zu verbessern. Neue Märkte sollen erschlossen werden, neue Produkte sind angedacht, auch in anderen Bereichen. Die Angebote für Automobile werden ausgebaut, dazu Produktionskapazitäten erweitert – der Blick in die Zukunft bleibt optimistisch.

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Igor Akrapovič INTERMOT 2014

„Ich bin zuversichtlich“, sagt Igor Akrapovič, „dass wir im Motorradbusiness weiterhin Zuwächse erzielen. Dafür wollen wir weiterhin mit den besten Teams in der MotoGP, bei den Superbikes und im Offroad-Sport zusammenarbeiten. Weil wir dabei lernen, Technik erproben und Erfahrung sammeln. Know-how aus dem Rennsport ist grundsätzlich positiv und immer auch für die Serienproduktion nützlich.“

Ähnlich wie KTM ist auch das Unternehmen Akrapovič ohne Engagement im Rennsport nicht vorstellbar.

Igor Akrapovič: „Racing war immer wichtig und echte Leidenschaft. Bevor es mit der Firma losging und danach erst recht. Manche Mitbewerber verfolgen andere Strategien und stecken Geld in die Werbung oder in Sponsorship, damit irgendwo ein Sticker klebt. Aber so funktioniert das nicht. Wir strengen uns an, unter allen Aspekten bestmögliche Auspuffsysteme zu bauen, setzen diese im Rennsport ein und nutzen unser Wissen für Serienanlagen. Siege und Erfolge werden anerkannt, verleihen der Marke Glanz und kurbeln das Geschäft an. Ohne Racing wäre Akrapovič sicher nicht das, was es heute ist.“

Fotos: Akrapovič, Buenos Dias