Alle Hände voll zu tun: Brad Binder darüber, wie er sich von seinen Verletzungen erholt

Der Moto3-Weltmeister des letzten Jahres hat sich von zwei Brüchen in seinem linken Arm erholt und findet in der Moto2 endlich zu seinem Speed zurück. Der südafrikanische Champion berichtet über seinen Erholungsprozess und kann es kaum erwarten, auch in der Moto2 zu triumphieren …

Brad Binder (RSA) 2017

Letzten Winter dachte Brad Binder wohl oft mit Wehmut daran zurück, wie er 2016 sensationell seinen allerersten Grand Prix in Jerez, Spanien, gewann, nachdem er von ganz hinten gestartet war und das gesamte Moto3-Feld aufgerollt hatte. Der 21-Jährige verbrachte die meiste Zeit zwischen den beiden Saisons damit, gegen den Schmerz anzukämpfen und seinen linken Unterarm, den er sich in Valencia während der ersten Runden auf einer Moto2-Maschine gebrochen hatte, wieder einigermaßen zu kurieren. Gerade, als er wieder fit genug war, die neue KTM in dieser Klasse am Limit zu bewegen, schlug das Pech wieder zu: Er brach sich beim GP von Argentinien – dem zweiten Saisonrennen – neuerlich den Arm und kam dennoch als Neunter ins Ziel!

Frustriert muss Binder mitansehen, wie Miguel Oliveira die Konkurrenzfähigkeit des KTM-/WP-Pakets, mit dem das Ajo-Team 2017 antritt, demonstriert. Vor nicht allzu langer Zeit war es noch seine auf der KTM RC 250 GP prangende Nummer 41, die auf dem Weg zu einem unangefochtenen Moto3-Weltmeistertitel 14 Mal am Podium zu sehen war, 7 Mal davon ganz oben.

Miguel Oliveira (POR, #44) & Brad Binder (RSA, #41) Mugello (ITA) 2017

Im (Renn-)Sport kann das Pendel eben extrem weit in beide Richtungen ausschlagen. Binder hatte nicht einmal genug Zeit, im Ruhm der Saison 2016 zu baden: Bereits im November musste er den Champagner gegen Schmerzmittel tauschen und den beschwerlichen Weg zurück zur Form und auf die Rennstrecke antreten. Um euch einen Einblick in diesen schwierigen Prozess zu geben und ihn zu seinem Weg zurück an die Spitze zu befragen, haben wir den in Spanien lebenden Rennfahrer um zehn Minuten seiner Zeit gebeten …

War es eine der größten Herausforderungen deiner Karriere, dich von dieser Verletzung zu erholen und wieder fit zu werden?
„Es war die Hölle! Ich habe geglaubt, dass im Januar alles in Ordnung sein würde und ich wieder fahren könnte. Dann brauchte ich aber eine weitere Operation, weil der Knochen nicht gewachsen war und prompt brach ich ihn mir wieder in Argentinien. Damit waren noch eine Operation und noch eine Platte nötig und ich musste weitere sechs Wochen warten. Das Ätzende daran ist, dass ich nach drei verschiedenen Operationen leider viel Muskelmasse am Arm verloren habe! Das hat alles so viel schwieriger gemacht.“

Du hast dir ja bereits in der Vergangenheit Knochenbrüche zugezogen, aber noch nie einen so komplizierten. Das muss auch für dich neu gewesen sein …
„Tatsächlich kann ich mich glücklich schätzen. Früher brach ich mir bereits ein paar Rippen, einen Arm und ein Bein. Das ging aber jedes Mal relativ glimpflich aus; ich musste nie operiert werden. Zurückblickend war das vielleicht auch eine Lernerfahrung für mich. Ich dachte, dass ich sechs Wochen lang ausspannen und den Knochen einfach wachsen lassen könnte. In Wirklichkeit geht es dabei aber um so viel mehr.“

Zum Beispiel?
„Die viele Arbeit, die es braucht, um Muskeln wieder stark zu machen und den Arm wieder normal bewegen zu können. Darauf war ich nicht vorbereitet.“

Brad Binder (RSA) Barcelona (ESP) 2017

Wie MXGP-Fahrer Tony Cairoli bei seiner Verletzung im Jahr 2016 herausfand, kann es auch zu Nervenschäden und anderen Komplikationen kommen …
„Ich war einer von denen, die glauben, dass es mit der Platte im Arm bereits getan wäre und dass alles Weitere ein Spaziergang werden würde … wenn du aber den ganzen Prozess durchmachen musst, begreifst du schnell, dass es nicht so einfach werden wird. Wenn du nach vielen, vielen Stunden Physiotherapie an einem Tag deinen Arm um 1 mm mehr bewegen kannst, ist das bereits ein Grund zur Freude. Dann ist da noch der mentale Aspekt und ich war sehr enttäuscht, dass alles so langsam ging. Das Gute ist, dass wir jetzt wieder auf dem richtigen Weg sind. Ich muss mir noch ein bisschen Muskelmasse antrainieren, aber wenn das geschafft ist, kann ich wieder anfangen, das Bike richtig zu fahren.“

Musstest du mit vielen Aufs und Abs fertig werden?
„Ich glaube, dass ich Glück hatte, mir meinen Arm ein zweites Mal zu brechen. Wäre das nicht passiert, hätte ich immer noch ein Problem damit, dass er immer anschwellen würde. Es stellte sich schnell heraus, dass bei der [ersten] Operation etwas schiefgegangen sein musste, denn jedes Mal, wenn ich meinen Arm belastete, schwoll er auf die Größe einer Bowlingkugel an. Das wurde in Ordnung gebracht und jetzt schwillt er gar nicht mehr an, egal wie stark ich ihn belaste. Jetzt geht es nur mehr darum, ihn stärker zu machen.“

Bist du der Meinung, dass Profisportler ihre Körper besser kennen als durchschnittliche Menschen?
„Keine Ahnung. Ehrlich gesagt kümmere ich mich nicht so sehr um solche Signale. Ich mache normalerweise keine Physiotherapie und lasse mich auch nicht massieren. Ich mag es zu trainieren und weiß, wie ich trainieren muss, und gehe Dinge so an, wie ich es für richtig halte. Wenn mir meine Schulter oder mein Bein etwas weh tut, verschwende ich keinen Gedanken daran, ob das meine Resultate am Rennsonntag beeinträchtigen könnte: Wenn du dich [im Rennen] hinter die Scheibe kauerst, vergisst du solche Dinge sowieso. Diese Erfahrung hat mir aber ein bisschen die Augen geöffnet. Ich stehe solchen Dingen jetzt offener gegenüber. Man lernt eben nie aus. In Argentinien hätte ich früher bemerken können, dass etwas nicht stimmte, und vorsichtiger sein können. Als ich die Schwellung sah, dachte ich, das sei normal – schließlich hatte ich den Arm drei Monate lang nicht benutzt. Dann wurde mir aber klar, dass etwas nicht in Ordnung war.”

Brad Binder (RSA) Barcelona (ESP) 2017

Abgesehen vom Schmerz, dem Unbehagen und den Sorgen: War die Umstellung vielleicht der größte Umbruch?
„Ja. Mein größtes Problem war, dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Mein Leben dreht sich um das Trainieren und alle meine Bestrebungen sind darauf ausgerichtet, am Sonntag stärker zu sein. Jetzt ist der Freitag mein bester Tag! Ich kann bereits seit sechs Monaten keine Liegestütze oder Klimmzüge mehr machen und auch keine Gewichte stemmen. Ich habe viel Muskelmasse verloren und bin viel leichter als ich normalerweise wäre. Es war schwierig.“

Du scheinst nicht gerade der geduldige Typ zu sein …
„Ich bin kein geduldiger Mensch! Ich mag es, Dinge anzupacken! Es kommt darauf an: Verschiedene Situationen können verschiedene Reaktionen hervorrufen. Im Moment bin ich entspannt und weiß, dass ich mir selbst Zeit geben muss, um wieder dahin zu kommen, wo ich sein möchte … trotzdem würde ich aber am liebsten ein paar Schritte überspringen, wenn das ginge!“

Wird sich das Klischee bewahrheiten, dass gute Rundenzeiten, Podestplätze oder Siege nach so einem Rückschlag noch süßer schmecken werden?
„Ich war schon immer davon überzeugt, dass ich viel geleistet habe, um so weit zu kommen. Jetzt fühlt es sich merkwürdig an, weil ich nicht trainieren oder die Dinge tun kann, die mir meiner Meinung nach einen Vorteil verschafft haben. Ich glaube dennoch daran, dass ich es schaffen werde – wenn nicht noch heuer, dann nächstes Jahr. Es hat länger gedauert, als ich gedacht hatte, aber ich werde wieder nach oben kommen und mich dann dort einnisten.“

Brad Binder (RSA) Barcelona (ESP) 2017

Fotos: KTM