Aus der MotoGP™-Perspektive

Was Pol Espargaró und Brad Binder auf ihren Dashboards angezeigt wird und welche Bedienfunktionen sie auf ihren Lenkern vorfinden, wenn die beiden auf ihren KTM RC16 über die Strecken der MotoGP schießen. Wir haben nachgefragt …

Brad Binder und Pol Espargaro.
PC @RobGray/PolarityPhoto

Glücklicherweise ist die MotoGP nicht die Formel 1. Obwohl sie über kein Schalter-Arsenal, das einem Düsenjet gut zu Gesicht stehen würde, verfügen, besitzt die KTM RC16 eine Instrumentierung voller faszinierender Technologie. Diese 2-Rad-Rennmaschinen können so fein eingestellt werden, dass die Fahrer pro Runde konstant um einige Zehntel schneller sein können. Körperlich haben Pol Espargaró, der seit dem ersten Grand Prix im Jahr 2017 bei KTM fährt, und Brad Binder, der 2020 als Rookie zu Red Bull KTM Factory Racing stieß und die Erfordernisse der Königsklasse und des Equipments erst kennenlernen muss, großen Einfluss auf das Verhalten und die Performance der RC16 und müssen auch einige essentielle Bedienelemente betätigen.

Die rechte Lenkerstummel der KTM RC16.
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Brad Binder: Es erklärt sich eigentlich von selbst. Wir haben den Gasdrehgriff, den Bremshebel, den Motor-Stoppschalter und den Leerlauf-Hebel, den ich betätige, wenn ich in die Boxengasse einfahre. Er ist so gestaltet, dass es schwieriger ist, ihn auf der Strecke unabsichtlich zu betätigen und das Bike in den Leerlauf zu schalten.

Bei sich ändernden Bedingungen können verschiedene Einstellungen eines Bikes notwendig sein. Binder im Regen in Le Mans, Frankreich.
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Pol Espargaró: Auf der rechten Seite haben wir logischerweise ganz wenige Schalter, da meine rechte Hand mit dem Gasgeben beschäftigt ist. Mir ist die Position des Bremshebels nicht so wichtig. Er muss nicht in der perfekten Position sein, aber was wichtig ist, ist das Feedback. Für mich muss er sich weich anfühlen und darf nicht zu weit wegstehen. Meine Finger sind nicht besonders lang. Ich bevorzuge einen ‚weichen‘ Hebel und möchte ihn nahe am Lenker haben.

Pol Espargaró feiert in Le Mans, Frankreich, einen Podestplatz.
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Brad Binder: Der Griffgummi macht für mich keinen Unterschied. Letztes Jahr in der Moto2™ habe ich etwas dünnere verwendet, aber in diesem Jahr in der MotoGP bin ich auf einen etwas dickeren umgestiegen. Am Anfang fühlt sich das etwas komisch an… aber man gewöhnt sich schnell daran.

Hier sieht man, dass sehr viele Informationen auf einem Dashboard angezeigt werden können. Jeder Fahrer hat seine eigenen Vorlieben dafür, welche Informationen er auf der Strecke sehen will.
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Pol Espargaró: In den Tests habe ich viel mit den Griffgummis herumgespielt. Bei den Herstellern, für die ich vorher in der MotoGP gefahren bin, war der Gummi immer etwas zu hart und ich hatte Probleme mit den Händen. Ich musste immer viel Klebeband verwenden. Als ich zu KTM wechselte, schlug einer meiner fantastischen Mechaniker andere Griffgummis vor, und am Ende entschied ich mich für einen mit Gel. Er ist etwas dicker, aber wenn ich drei Tage lang in der Hitze von Malaysia fahre, leiden meine Hände nicht mehr. Das war eine große Verbesserung.

Hier an Binders Bike sieht man, dass die Bedienelemente in verschiedenen Farben gehalten und am linken Lenkerstummel angebracht sind.
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Brad Binder: Ich achte eigentlich nicht mehr auf die Farben, aber ich habe mir die Reihenfolge der Schalter eingeprägt: der obere (rote) ist für die Motorbremse, der mittlere (orange) für die Traktionskontrolle und der dritte (grüne) für die Kennlinien des Motors. Außerdem haben wir noch den Geschwindigkeitsbegrenzer für die Boxengasse (schwarz) und der ganz oben (blau) ist für die Launch-Control. Oft müssen wir während der Sessions mit den Schaltern herumspielen, damit die Jungs die Informationen bekommen, die sie brauchen, um die Elektronik einzustellen. Es war schwierig für mich, mich daran zu gewöhnen, wann ich welche betätigen muss.

Binder erklärt, dass das Team an einem Rennwochenende verschiedene Einstellungen der Traktionskontrolle und der Kennlinien durchtestet.
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Pol Espargaró: Als ich bei KTM anfing, war die Konfiguration der Schalter anders als bei jedem anderen Bike, mit dem ich vorher gefahren war. Ich musste mich erst einmal daran gewöhnen und bei den Tests damit experimentieren. Während des Rennens strömt so viel Adrenalin durch deine Adern, dass es schwierig ist, auf einer schnellen Runde einen Schalter zu drücken. Heute geht das automatisch und um ehrlich zu sein, muss es das auch.

Espargaró erklärt, dass ihm der Griffgummi und das Hebel-Feedback wichtig sind.
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Brad Binder: Ich habe noch nicht viel mit der Motorbremse herumgespielt, da sie am Anfang eines Wochenendes eigentlich immer gleich perfekt eingestellt ist. Mit der Traktionskontrolle und den Kennlinien spielen wir oft herum, da man in manchen Zonen der Strecke mehr Power braucht als in anderen. All das versucht man, im Laufe eines Grand-Prix-Wochenendes einzustellen.

Espargaró und Binder auf der Strecke von Aragon in Spanien.
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Pol Espargaró: Lange Kurven eignen sich gut dazu, die Schalter zu betätigen und Dinge zu verstellen. Wenn man in der Schräglage ist und Gas gibt, hat man Zeit, einen Schalter zu drücken – besonders im Training anstatt im Rennen. Ich muss gar nicht hinsehen, um zu wissen, welche ich drücke. Ich weiß, wo sie sich befinden. Es ist aber trotzdem besser, das auf den Geraden zu tun. So kann man Fehler verhindern – besonders in einem Rennen, in dem man mit anderen Jungs um Positionen kämpft und im Stress ist. Man könnte einen Fehler machen und die Motorbremswirkung zu einem kritischen Zeitpunkt des Rennens erhöhen anstatt sie zu verringern. Manchmal hat man auch kleine ‚Ausrutscher‘ am Bike, wird nach oben geworfen und betätigt die Schalter unabsichtlich. Fehler können auch passieren, wenn man auf die Startaufstellung zurollt. Man denkt an so viele verschiedene Dinge und da kommt es vor, dass man den falschen Schalter drückt! Dann sind da noch jene Momente während eines Rennens, in denen man die Motorbremse verstellen möchte, das Bike zu ruckeln beginnt und man einen anderen Schalter erwischt. Man muss sich die Einstellungen beim Start gut einprägen. Wenn man einen Fehler macht, dann bezahlt man dafür, indem man durch das alte Setup scrollen muss.

Beide Fahrer haben ein Nummer-1- und ein Nummer-2-Bike. Jedes Paar ist identisch abgestimmt, kann aber während des Trainings unterschiedlich eingestellt werden.
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Pol Espargaró: Wir verwenden heute ein anderes Dashboard als das ursprüngliche. Das neue hat eine klarere Anzeige. Wir haben das Display zusammen mit dem Team aufgesetzt und vielleicht ist meines etwas anders als Brads, wenn es um die Farben und Signale geht, aber die Nachrichten sind dieselben. Ich sehe mir gerne meine Sektorzeiten an. Ich sehe auch gerne die Unterschiede – ob meine Änderungen irgendwelche Auswirkungen haben. Ich glaube, dass sich mein Dashboard vor allem in den Farben von Brads unterscheidet.

Wenn die Abstände so klein sind wie in der MotoGP, zählt jedes Detail.
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Brad Binder: Jeder hat seine persönlichen Vorlieben. Manche sehen gerne die Sektorzeiten, ich aber nicht. Ich bevorzuge, meine gesamte Rundenzeit zu sehen, und selbst das kann mich schon mal ablenken. Allgemein kann man sagen, dass mein Dashboard alles bietet, was ich brauche und noch viel mehr. Um ehrlich zu sein, achte ich nur auf die Schaltlichter und die Rundenzeiten, wenn diese erscheinen, nachdem ich die Ziellinie überquert habe. Die Schaltlichter befinden sich oben. Was die Lampen auf der Seite tun? Gute Frage! [lacht] Ich weiß, wann ich den Geschwindigkeitsbegrenzer für die Boxengasse einschalten muss, damit das Bike die Höchstgeschwindigkeit dort nicht überschreiten kann. Dann gibt es noch mehr Lampen, die sind aber auch an, wenn ich die Launch-Control einschalte. Sie dienen als Orientierung.

Die Fahrer arbeiten das ganze Rennwochenende mit dem Team zusammen, um die KTM RC16 perfekt an die Strecke und die Bedingungen anzupassen.
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Pol Espargaró: Auf der Gabelbrücke steht eine große ‚1‘. Das zeigt mir, welches Bike ich fahre. Ich beginne ein Wochenende vielleicht auf meinem Bike ‚2‘, habe dann aber vielleicht einen Unfall und wechsle zum Bike ‚1‘ und im Warm-up fahre ich beide. Das dient dazu, dass unter den Technikern Klarheit bei den Elektronik-Einstellungen herrscht. Ich kann ihnen dann sagen, dass ich etwas an Bike ‚2‘ mag oder eine andere Einstellung an Bike ‚1‘ möchte.

In der Boxengasse ist die Geschwindigkeit der Bikes begrenzt und der Geschwindigkeitsbegrenzer wird beim Einfahren in diesen Bereich vom Fahrer aktiviert. Wenn er die Box verlässt, aktiviert das Team den Begrenzer.
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Brad Binder: Ich verwende die Schaltlichter oben am Dashboard hauptsächlich in den beiden freien Trainings. Danach weiß ich, wann ich schalten muss. Das kann man auch anhand des Motorgeräuschs erkennen. Auf einer langen Geraden, zum Beispiel in Katar oder Malaysia, ist es gut, auf die Lichter zu schauen, damit man zum richtigen Zeitpunkt schalten kann. Diese Bikes haben so viel Power, dass man etwas früher schalten kann, es macht also keinen so großen Unterschied. Trotzdem sind die Lampen ein guter Anhaltspunkt, aber wenn man die richtigen Schaltpunkte gefunden hat, schaut man eigentlich nicht mehr darauf.

Jeder Fahrer hat zwei Bikes zur Verfügung – und sobald sie ihr persönliches Basis-Setup gefunden haben, werden beide Bikes identisch abgestimmt.
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Pol Espargaró: Manchmal installiert die Dorna eine TV-Kamera unter dem Windschild, die auf mich gerichtet ist. Bei mir noch nicht so oft und ich bin mir nicht sicher, ob ich das mag! Wenn du total glücklich oder verärgert bist, sollte das ein privater Moment sein. Gleichzeitig verstehe ich natürlich, dass es für die Zuseher toll ist, uns näher zu sein und eine etwas andere Perspektive zu bekommen.