Cairoli auf der Suche nach neuen Grenzerfahrungen bei bevorstehendem F1-Test

„Schwierig und nervös …” – Der MXGP-Weltmeister verrät uns exklusiv mehr zu einem weiteren besonderen Motorsport-Einsatz im Rahmen eines Red Bull Racing-Formel-1-Tests am 6. Juni.

Der frischvermählte Tony Cairoli unterbrach seine Pläne Ende 2017, um der Red Bull KTM MotoGP-Maschine auf der Rennstrecke von Valencia die Sporen zu geben. Jetzt wartet der Grand-Prix-Sieger aus Sizilien ungeduldig darauf, diese Woche auf dem Red Bull Ring seine ersten Runden in einem Formel 1-Auto drehen zu können. #222 wird sich dem Red Bull Racing-Testteam anschließen, um in einem zwei Jahre alten RB12 einige fliegende Runden hinzulegen.

„Ich habe Red Bull ganz schön genervt, um das möglich zu machen. Für mich ist es fantastisch und es verhilft unserem Sport auch zu mehr Publicity, denn nicht viele Motocross-Fahrer bekommen so eine Chance“, gibt Cairoli zu. „Es war bereits extrem aufregend, ein MotoGPTM-Bike zu fahren, und jetzt Formel 1 – einfach der Wahnsinn.“

Throwback: Tony Cairoli (ITA) 2010 © Ray Archer

Der neunmalige Champion verriet uns exklusiv, dass bereits einige Vorarbeit für seine ‚Formel 1-Premiere‘ geleistet wurde. Erst kürzlich besuchte er das Hauptquartier des Teams in England, um einen Sitz speziell für sich gießen zu lassen und eine Pflicht-Sitzung auf dem Simulator des Teams zu absolvieren. „Es ist wie bei einem PlayStation-Spiel, mit dem Unterschied, dass du die Bewegungen des Autos spürst und das Gas und die Kupplung extrem sensibel ansprechen“, verriet er. „Am Anfang war es schwierig, dann aber war das Team von meinen Rundenzeiten sehr überrascht. Meine Zeiten waren sehr dicht an denen der Fahrer und nicht viel langsamer als die von Verstappen! Ich kann es kaum erwarten, den echten Rennwagen zu testen.“

Der 32-Jährige ist bereits ein erfahrener Rally-Fahrer; eine Leidenschaft, der er nachgeht, wenn die MXGP-Saison vorüber ist. Tonys Planung in Sachen Vorbereitung für die Chance, ein Formel 1-Auto zu fahren, gestaltete sich ein wenig kompliziert. „Es wäre besser gewesen, wenn ich etwas Kart gefahren wäre, aber ich hatte nicht viel Zeit“, so Cairoli. „Wir kämpften um die Meisterschaft, und das bedeutete, dass wir uns zuerst um unseren Hauptberuf kümmern mussten. Bei diesem Event geht es rein um den Spaß.“

Cairoli konnte sich dank seiner Beobachtungen und Erfahrungen am Simulator schon Gedanken über die technischen Einzelheiten und Feinheiten des Formel 1-Fahrens machen. „Bei diesen Autos sind die Bremspunkte essentiell. Am Simulator bremste ich immer spät, weil nichts passieren kann … das ist in der Realität natürlich anders! Das Lenkrad war ziemlich kompliziert, aber der schwierigste Teil war, mich in das Auto zu setzen und den Sitz angepasst zu bekommen; es ist ein merkwürdiges Gefühl, beim Fahren fast zu liegen. Außerdem ist das Cockpit extrem eng: Wenn du die Hände auf dem Lenkrad liegen hast, berühren deine Knöchel fast die Seitenteile des Autos. Es gibt so gut wie keinen Platz und alles ist sehr kompakt gestaltet.“

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Throwback: Tony Cairoli (ITA) 2010 © Ray Archer

Der Red Bull KTM-Fahrer tritt in einer Motorsport-Disziplin an, die vielleicht das höchste Maß an individueller Entfaltung zulässt. Der Motocross-Sport ist unter anderem deshalb so hart, weil alle wichtigen Muskelgruppen des Fahrers bis aufs Äußerste beansprucht werden, während dieser versucht, das Bike durch das Terrain und die Luft zu prügeln. Bei der Formel 1 ist es genau umgekehrt: Bei keiner anderen Sportart ist das Umfeld des Athleten derartig eingeschränkt. Ein scharfer Kontrast für TC222.

„Genau, und besonders deshalb, weil ich an Asthma leide und bereits klaustrophobisch wurde, als ich 30 Minuten lang mit meinem Helm auf dem Kopf stillsitzen musste, um den Sitz angepasst zu bekommen“, sagt er, halb im Scherz. „Und dann drücken dich die Sitzgurte und der Oberteil des Autos hart nach unten, noch bevor du überhaupt den Motor gestartet hast: Das war der schwierigste Teil des ganzen Prozesses und jener, der bei mir die größte Nervosität auslöste!“

Die Tage, in denen Legenden wie John Surtees und Mike Hailwood zwischen den Weltmeisterschaften und Disziplinen wechselten, sind lange vorbei. Cairoli will aber dennoch beweisen, dass der Instinkt vielleicht immer noch die wertvollste Eigenschaft eines Rennfahrers ist. Abgesehen von seinem Stolz gibt es noch eine Sache, die er bedenken muss, wenn er dem Kiesbett aufgrund eines Fehlers zu nahe kommen sollte: „Ich hoffe, dass das Team versichert ist, ziehe es aber vor, nicht daran zu denken!“

Throwback: Tony Cairoli (ITA) 2010 © Ray Archer

Fotos: Ray Archer