Dakar-Vorbereitungen: 12 Monate harte Arbeit

Während sich das KTM Factory Racing-Team bei der Rallye Dakar 2019 durch die Wüsten Perus kämpfte, war die gesamte Aufmerksamkeit auf seine aktuelle Aufgabe – die vielen und unterschiedlichen Herausforderungen dieser Veranstaltung zu meistern – gerichtet. Bei der Dakar anzutreten ist aber eine gigantische Aufgabe und die Vorbereitungen nehmen ganze 12 Monate in Anspruch.

Das zweiwöchige Rennen ist nicht Teil einer Weltmeisterschaft und es gibt auch keine hohen Preisgelder zu gewinnen – es ist ganz einfach eine der größten Herausforderungen im Offroad-Motorradsport – wenn nicht sogar die größte. Jeder will die Rallye Dakar gewinnen.

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Aus der Sicht des Laien könnte es fast so aussehen, als hätte das KTM-Team keine echte Konkurrenz. Der Sieg von Toby Price im Jahr 2019 war der 18. Dakar-Triumph in Folge für die österreichische Marke. Dennoch ist dieser unerreichte Rekord bei diesem Rennen keine Frage des Glücks oder mangelnden Einsatzes der anderen Teams. Stattdessen fußt er auf einem unglaublichen Team, leidenschaftlichen Fahrern und intensiver Vorbereitung. Alles beginnt, wenn die Rallye des Vorjahres endet.

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Red Bull KTM Rally Factory Racing Team Dakar 2019 © Marcin Kin

Der Entwicklungsprozess steht sowieso nie still. Beim letzten Lauf zur FIM Cross-Country-Rallies-Weltmeisterschaft in Marokko Ende 2017 startete das Team zum ersten Mal mit der neuesten Version der KTM 450 RALLY – und gewann diese Rallye prompt mit Matthias Walkner am Lenker, der zehn Monate später auch die Dakar für sich entscheiden sollte.

„Das neue Bike war ein großer Erfolg“, erzählt Walkner. „Es fühlt sich beim Fahren viel sicherer an, obwohl es gleichzeitig auch schneller war. Unser Sport hat sich in den letzten Jahren stark verändert und die neuen, jungen Fahrer ziehen das Fahrgefühl der leichteren, schlankeren neuen Bikes vor.“

Trotz seines Erfolgs wurde das Bike während der FIM-Cross-Country-Rallies-Saison 2018 kontinuierlich weiterentwickelt. Um die Leistungsentfaltung noch geschmeidiger zu machen, wurde am Motor gefeilt. Das kommt den Fahrern besonders auf den längsten Sonderprüfungen zugute, wenn sie müde werden und alle energiesparenden Maßnahmen willkommen sind. Auch der Federung wurde im Laufe der Saison 2018 einige Aufmerksamkeit geschenkt. Aufgrund der langen Distanzen und der unterschiedlichen Terrains auf den Sonderprüfungen ist es schlicht unmöglich, ein perfektes Federungs-Setup zu finden. Ein Setup eignet sich vielleicht gut für weiche, sanfte Sanddünen, funktioniert aber dann auf schnellen, felsigen Prüfungen überhaupt nicht. Es geht darum, einen Kompromiss und ein wirksames Setup zu finden, welches dem Bike ein gutes Handling gibt, den Fahrer aber gleichzeitig so gut wie möglich entlastet.

Matthias Walkner (AUT) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Nicht nur die Bikes werden vor dem Start der Dakar auf Vordermann gebracht, sondern auch die Fahrer. Fitness und Kraft sind naheliegende Eigenschaften, die Fahrer brauchen, wenn sie jeden Tag bis zu zwei Wochen lang hunderte Kilometer im Renntempo zurücklegen müssen. Weniger offensichtlich sind die Erschöpfung und die mentalen Belastungen, die bei einer so harten Veranstaltung auf die Athleten warten.

Fahrer bereiten sich auf die Dakar vor, indem sie während des Jahres und ganz besonders bei der Vorbereitung auf die Dakar eng mit Ernährungsberatern und Physiotherapeuten zusammenarbeiten. Einige sind natürlich strenger mit sich selbst als andere, Tatsache ist aber, dass man in Topform sein muss, um ganz vorne mitfahren zu können. Die Rallye selbst verlangt den Startern einiges ab. Selbst, wenn sie ohne Sturz ins Ziel kommen, sind die körperlichen Belastungen enorm. Stürze sind ein Teil der Dakar und selbst die kleinsten Schnitzer können Prellungen und Zerrungen verursachen, die im weiteren Verlauf des Rennens ihren Tribut fordern. Bereits am Start der Rallye an einer Verletzung zu laborieren, ist nie von Vorteil – die Effekte des im Wettkampf ausgeschütteten Adrenalins können aber erstaunlich sein. Manchmal ist Motorradfahren eben die beste Medizin.

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Zwei Aspekte des Cross-Country-Rallye-Sports im Allgemeinen und der Dakar im Besonderen sind Schlafmangel und die mentalen Belastungen, denen sich die Fahrer stellen müssen – und sich darauf vorzubereiten, ist schwierig. Es gibt nur wenige andere Sportarten, bei denen die Athleten maximale Leistungen über derart lange Perioden abliefern müssen, und das oft ganz alleine und mit relativ wenig Zeit für Erholung nach jedem Tag. Um dem standzuhalten, müssen Fahrer mental extrem stark sein, und nicht alle Top-Fahrer können mit der Einsamkeit des Rallye-Sports gleichermaßen gut umgehen.

„Für mich ist das ganz sicher der härteste Teil der Rallye Dakar“, gibt KTM Factory Racing-Fahrerin Laia Sanz zu. Bereits nach ein paar Tagen fühlst du dich ausgepumpt und der Schlafmangel trägt nur noch mehr dazu bei. Du wachst müde auf und musst dann den ganzen Tag fahren. Anders als bei anderen Rennen musst du bei der Dakar nach jedem Tag noch dein Roadbook für den nächsten Tag vorbereiten und die Fahrerbesprechung besuchen, bevor du dich hinlegen kannst. Das wird nach einer gewissen Zeit wirklich schwierig. Die Einsamkeit macht dir auch zu schaffen, sie hat aber auch ihre guten Seiten – du erlebst so viele umwerfende Landschaften und ich liebe das Freiheitsgefühl der Dakar. An schlechten Tagen fragst du dich dann schon, was du eigentlich hier machst, aber wenn du die Ziellinie überquerst, weißt du, dass es das wert war.“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Als das Jahr voranschreitet und der Start der Dakar näher rückt, machen sich Fahrer und Teams an die letzten Vorbereitungen für das wichtigste Rennen des Jahres. Die Bikes und Team-Fahrzeuge werden verstaut und auf die ‚Heritage Leader‘, die von Le Havre in Frankreich in See sticht, verladen. Dieses Schiff transportiert an die 300 Rennfahrzeuge über den Atlantik und durch den Panamakanal, bevor es Ende Dezember im Hafen von Lima in Peru ankommt.

Die Teams selbst führen in den Dünen von Abu Dhabi einen letzten Test durch, wobei sie darauf abzielen, die letzten Einstellungen an Bike und Federung vorzunehmen, die Navigation noch einmal zu trainieren und das gesamte Team zusammenzubringen, bevor man im Januar nach Südamerika aufbricht.

Den Fahrern bleiben dann noch ein paar Wochen, um zu trainieren, sich zu entspannen und sich mental auf die bevorstehende Herausforderung vorzubereiten. Alle Fahrer und Fahrerinnen verbringen diese Zeit auf andere Art und Weise. Manche versuchen, so viel wie möglich zu trainieren, während andere die Chance nutzen, ein letztes Mal mit Freunden und Familie entspannen zu können.

Der Gewinner der Rallye Dakar 2017, Sam Sunderland, ist einer jener Fahrer, die das Beste aus dieser Pause machen. Er ist nie weit von einem Bike oder dem Sand entfernt.

„Die letzten Wochen vor dem Rennen verbringe ich in Dubai, um möglichst lange in den Dünen zu trainieren“, so Sunderland. „Dubai ist ohnehin wie eine zweite Heimat für mich. Dort habe ich Familie und Freunde und genieße die Atmosphäre. Darüber hinaus verbringe ich viel Zeit im Fitnesscenter und fahre etwas Motocross mit Freunden. Dann feiern wir gemeinsam Weihnachten und dann geht‘s schon zur Dakar – viel Zeit zum Ausruhen bleibt da nicht. Ich versuche, bis zum letzten Augenblick zu arbeiten, da ich glaube, dass es wichtig ist, nie mit dem Trainieren aufzuhören und immer auf der Höhe zu sein.“

Sam Sunderland (GBR) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Fotos: Marcin Kin