Das LC4-Genie: Entwicklung der KTM 690 DUKE

Der KTM BLOG sprach mit KTMs 4-Takt-Motorkonstrukteur Sebastian Faistauer über die Neuerungen der KTM 690 DUKE im Modelljahr 2016.

KTM 690 DUKE MJ2016

KTM 690 DUKE MJ2016

Bei der Medienpräsentation der KTM 690 DUKE auf Gran Canaria übernahm der 30-Jährige eine Schlüsselrolle und gab einen detaillierten Einblick in die Details, die die neue LC4-Generation zum stärksten und leichtesten 1-Zylinder auf dem Markt machen. Zu den bedeutendsten Neuerungen gehören eine zusätzliche Ausgleichswelle an der Nockenwelle im Zylinderkopf und ein direkt kontrollierter DLC-beschichteter Kipphebel mit Gleitabgriff. Das Ergebnis ist ein Plus an ‘1000’ nutzbaren U/min, 73 PS und mehr Drehmoment sowie Emissionen, die die Abgasnorm Euro 4 erfüllen. Im Mittelpunkt des Projekts, das auch eine ganze Reihe an neuen Elektronikfeatures einschließt, stand die Ausgleichswelle der neuen LC4. Wir testeten die neue 690 DUKE am Tag nach der Präsentation und das Leistungsgewicht erinnerte uns stark an die größere Schwester – die KTM 1290 SUPER DUKE R. Sicherlich ein nettes Kompliment.

„Die Ausgleichswelle war einer der wichtigsten Aspekte bei diesem neuen Motor und fast nebenbei haben wir das Gewicht dieses leistungsstarken 1-Zylinders reduziert“, erklärt Faistauer. „Für den ersten Test haben wir eine zusätzliche Ausgleichswelle am Zylinderkopf sowie einige gefräste Prototypenteile montiert, um verschiedene Settings auszuprobieren. Mit dem richtigen Set-Up wussten wir, was wir zu tun hatten und dann haben wir ziemlich schnell den ersten Motor gebaut. Aber hinter solchen Projekten steckt immer ein umfangreicher Zeitplan mit Dauerlauf-Tests und dem Produktionsprozess, um das Konzept in die Serie zu bringen.“

Wie ist diese Idee entstanden?
„Wie wir bei der Präsentation der 690 DUKE erwähnt haben, ist der LC4 für uns eine ‘Marke in der Marke’. Wir glauben an den 1-Zylinder, aber das bedeutet nicht, dass wir glauben, er ist besser als ein 2-, 3- oder 4-Zylinder. Es gibt keinen anderen Weg, ein leichtes und gleichzeitig leistungsstarkes Motorrad zu konstruieren. Wir wollten mehr Leistung, bei besserer Fahrbarkeit und weniger Vibrationen. Das Motor-Management mit Ride-by-Wire, Zündsystem und den verschiedenen Mappings verdanken wir der großartigen Leistung der EMS-Jungs, denn das war ein entscheidender Punkt, um die Fahrbarkeit zu verbessern. Es geht nicht nur um das Ausgleichssystem, das Motor-Management spielt eine wichtige Rolle.“

Gab es einen Moment, an dem es schwierig war, das Ausgleichssystem weiter zu verbessern und auf ein für dich zufriedenstellendes Level zu bringen?
„Es war ziemlich schnell klar, dass es gut funktionieren würde … aber einen Platz für die zusätzliche Ausgleichswelle zu finden, war ein schwieriges Thema. Die Höhe des Motors wollten wir nicht verändern und der Zylinderkopf war am Ende ein geeigneter Platz, denn dort können wir die Kraft der unteren Ausgleichswelle und der Kurbelwelle nutzen … und wirken mit der kleineren Welle dagegen. Man kann es mit dem Hebelgesetz berechnen; wenn Masse und Distanz aufeinander abgestimmt sind, funktioniert es gut. Nur dank eines kompakten Ventiltriebs haben wir ein kompaktes Design.“

KTM 690 DUKE MJ2016 Motor

KTM 690 DUKE MJ2016 Motor

In deiner Präsentation sagtest du, dass ihr Erkenntnisse vom Motor der KTM 450 SX-F genutzt habt. Kannst du uns darüber etwas mehr erzählen?
„Der kompakte Ventiltrieb nutzt einen direkt kontrollierten und DLC-beschichteten Kipphebel für die Auslassventile und das ist das gleiche Konzept, das wir auch in der aktuellen KTM 450 SX-F verwenden. Für den Einlass greifen wir auf die Erfahrungen bei unseren Street-Bikes zurück. Die Einlassventile sind direkt durch DLC-beschichtete Schlepphebel gesteuert.

Deine Geschichte über den Kipphebel, für den du lange nach dem richtigen Hersteller gesucht hast, klang nach einer großen Herausforderung …
„Es war eigentlich nicht schwierig, aber irgendwann kommt man an den Punkt, an dem man denkt ‘Wie machen wir das? Wo finden wir den richtigen Hersteller? Wer kann den hohen Qualitätsstandard halten?’ Wir mussten uns ein bisschen umschauen … und am Ende war nur noch einer übrig! Aber ich habe diese Geschichte erzählt, weil es ein Teil war, das wir mit europäischen Firmen hergestellt haben und es ist nicht einfach für einen solchen leistungsstarken 1-Zylinder die richtigen Materialien und Teile zu finden. Manchmal gibt es keinen leichteren Weg, um hochmodernes Design und Qualität zu erreichen.“

Wie lange bist du schon in Mattighofen?
„Acht Jahre. Am Anfang war ich für die LC4-Entwicklung verantwortlich. Das Positive an der Arbeit bei KTM ist, dass man sich nicht nur um einen Aspekt bei der Motorentwicklung kümmert. Du konzentrierst dich nicht nur auf die Ölpumpe oder die Kurbelwelle; man arbeitet am gesamten Motor. Man sammelt also vielseitige Erfahrung. Jetzt bin ich Gruppenleiter für die gesamte Viertaktentwicklung und bin in andere Projekte wie die kleinen DUKEs, die größeren wie die 1290 SUPER DUKE R, die KTM 1290 SUPER DUKE GT, die ADVENTUREs und das Street-Design involviert.“

Du musst bei deinen Ideen doch bestimmt immer wieder Kompromisse finden; z.B. muss ein 2 mm dicker Magnesium-Zylinderkopfdeckel nicht nur Tests überstehen, sondern auch im Zusammenspiel mit anderen Motorteilen funktionieren, um den gewünschten Effekt zu erzielen …
„Stimmt, es geht nicht nur um drei oder vier Teile, das Gesamtbild muss stimmen. Das Getriebe hat größere Wellen für eine bessere und erhöhte Leistungsabgabe. Man muss immer viele Punkte bedenken, idealerweise auch die, die dir nicht direkt in den Sinn kommen! Wie z.B. Ersatzteile. Wenn du Teile verbessern willst, muss man auch immer an die bereits bestehenden Kunden denken, um praktikable Lösungen für beide Seiten zu finden.“

KTM 690 DUKE MJ2016 Zylinderkopf

KTM 690 DUKE MJ2016 Zylinderkopf

Ist der LC4 und die neue 690 DUKE ein wichtiger Schritt in der Geschichte des Motors?
„Ich denke, es ist ein großartiger Schritt. Bei der Elektronik gab es ein paar beachtliche Upgrades. Vorher hatten wir zwar schon Ride-by-Wire, aber jetzt können wir es mit anderen Systemen wie MSR und Traktionskontrolle kombinieren.“

Wie geht es nach diesem leichten, schnellen und ausgeklügelten Motor weiter? Kann es bei den LC4 noch mehr Fortschritt geben?
„Sicherlich können wir immer noch große Schritte machen und in einigen kleinen Bereichen können wir noch dazulernen. Wie z.B. neue Produktionsverfahren und Materialien, um noch mehr Gewicht zu sparen. Außerdem gibt es immer wieder neue Konstruktionsmöglichkeiten. Einige Hersteller können mittlerweile beeindruckende Dinge machen, wie den Kipphebel formen oder einen Zylinderkopf von 2 mm Dicke herstellen. 2 mm sind fast nichts, aber mit einem stabilen Design, ist es ein besonderes Teil.“

Fotos: Sebas Romero | KTM