DEN THRON VERTEIDIGEN: 3 FRAGEN ZU RED BULL KTM IN DER MXGP-SAISON 2022

Für das erfolgreichste Team des modernen MXGP-Zeitalters beginnt mit der anstehenden Saison 2022 eine neue Phase. Technical Director Dirk Grübel beantwortet ein paar der wichtigsten Fragen zum 66. Austragungsjahr der FIM-Grand-Prix-Weltmeisterschaft.

Die Situation für das überlegene Red Bull KTM-Team in der Motocross-Weltmeisterschaft 2022 ist geprägt von einer aufregenden Umstellung. Die Mannschaft konnte die Königsklasse dieses Sports von 2010 bis 2014, 2017, 2018 und 2021 gewinnen. Seit Einführung der Klasse im Jahr 2004 hat sie die MX2-Kategorie fest in der Hand; und in allen außer fünf Saisons triumphierte eine KTM 250 SX-F.

Die beiden Modelle KTM 450 SX-F und KTM 250 SX-F entwickelten sich seit Beginn des letzten Jahrzehnts zur Messlatte im Motocross-Sport und das Jahr 2022 schlägt in Sachen Technologie mit Veränderungen am Rahmenkonzept und einem brandneuen 4-Takt-Motor ein neues Kapitel auf. Im Fall der KTM 450 SX-F bedeutet dies einen mächtigen Schritt nach vorn, war die letzte Generation doch seit 2015 sehr erfolgreich in MXGP und AMA Supercross im Einsatz gewesen.

Was die Fahreraufstellung betrifft, fuhr Red Bull KTM in den Jahren 2020 und 2021 mit Tony Cairoli, Jeffrey Herlings und Jorge Prado das mächtigste MXGP-Fahrertrio aller Zeiten auf. Gemeinsam bringen sie es auf 15 Weltmeistertitel mit KTM. Cairoli – statistisch gesehen der zweiterfolgreichste Fahrer in der Geschichte des Sports – entschied sich am Ende der letzten Saison, seine Karriere zu beenden, und Prado wechselte das Team. Herlings fand sich in der Rolle des Nummer-1-Fahrers wieder und nimmt nun seinen dritten FIM-Titel ins Visier. Sein Teamkollege ist der MX2-Weltmeister des Jahres 2020, Tom Vialle – ein Fahrer, der mit 13 Siegen 2020 und 2021 sein viertes Jahr im Grand-Prix-Sport und mit KTM beginnt.

Im Dezember musste Red Bull KTM einen schweren Schicksalsschlag hinnehmen, als der 19-jährige Österreicher Rene Hofer auf tragische Weise ums Leben kam. Er hatte 2021 seinen ersten Grand Prix gewonnen und stand am Beginn einer großartigen Karriere im Sport.

Ein verrückter Sturz sorgte am letzten Januartag 2022 bei Jeffrey Herlings für eine gebrochene linke Ferse und weitere Komplikationen für das Team. Er musste operiert werden, was Vialle beim ersten Lauf zur Weltmeisterschaft am 20. Februar in Großbritannien (nun um eine Woche verschoben auf den 27. Februar) zum wichtigsten Aushängeschild der Marke macht.

Trotz all der Schwierigkeiten werden die orangen Bikes auch im Jahr 2022 wieder die sein, die es in beiden Kategorien zu schlagen gilt.

Wir haben uns mit Dirk getroffen und nachgefragt, wie das MXGP-‚Urgestein‘ KTM nun nach vorn blickt …

1. Über große Veränderungen bei Red Bull KTM …

„Im letzten Jahr beeindruckten wir mit unserem ganzen Ensemble aus zwei LKWs für die beiden Teile des Teams und dem verbindenden Bereich dazwischen … das sah eindrucksvoll aus, ich wusste aber, dass sich das Ende 2021 ändern würde. Unsere neue Struktur sieht aber auch sehr beeindruckend aus – zu sehen gibt es die, sobald die Saison beginnt. Unser Zelt ist immer noch groß und auffällig! Die letzten vier Monate nach Ende der vergangenen Saison waren eine Berg- und Talfahrt. Aber das Leben geht weiter und in diesem Sport muss man sich selbst motivieren können, um mitspielen und erfolgreich sein zu können. Wir müssen das Positive um uns herum wahrnehmen und so viel positive Energie wie möglich aus dem ziehen, was wir durchgemacht haben.“

2. Über die Reise mit den neuen KTM SX-Fs …

„Wir hatten nur eine sehr kurze Winterpause und fuhren dann für ein paar zusätzliche Tests nach Spanien, ich bin positiv überrascht. Wir sind auf einem wirklich guten Weg. Beide Fahrer sind glücklich. Natürlich gibt es immer etwas zu verbessern und wir müssen kleine Anpassungen vornehmen. Aber wenn ich Tom dabei zusehe, wie er die KTM 250 SX-F peitscht und nach mehr Speed sucht, weiß ich, dass wir auf einem guten Weg sind. Es handelt sich um ein völlig neues Konzept und wir müssen noch viel über dieses Motorrad lernen, obwohl es auf all unseren Lektionen und dem Erfolg des alten Bikes basiert. Es ist ein fortwährender Prozess, auch für die Fahrer. Die anderen Bikes wurden jedes Jahr ein klein wenig verbessert, das technische Konzept blieb aber im Großen und Ganzen unverändert. Nun arbeiten wir mit einem neuen. Es ist anders … aber gut, wenn wir den ersten Tests trauen dürfen. Wir lernen ständig dazu, aber die Rundenzeiten sprechen eine eigene Sprache. Wenn die Fahrer auf ein neues Bike aufsteigen und sofort verunsichert sind, ist das nicht gut. Hier aber war jeder glücklich. Nun geht der Prozess weiter. Wir müssen noch mehr verstehen und die Vorteile bestmöglich ausnutzen. Details? Das gesamte Rahmen-Layout ist nun anders. Die gesamte Hinterradgeometrie mit Umlenkung, Schwinge, Federbein und so weiter. Das ist alles anders. Ebenso die Ergonomie. Das Bike ist äußerst symmetrisch und schlank. Die Bewegungsfreiheit des Fahrers und sein Platz auf dem Bike wurden mit einbezogen. Nach fünf Monaten bin ich glücklich damit, wo unsere Rennmaschinen stehen, und unsere Feedbackschleife mit der Produktion funktioniert wie immer.“

3. Über die Chancen von Jeffrey und Tom, die Zukunft und die Erwartungen für 2022 …

„Jeffreys Verletzung ist ein harter Schlag für uns alle. Als frischgebackener Weltmeister hatte er gerade einen Höhenflug, als das passierte. Damit fertigzuwerden, war nicht leicht … und dann im Dezember Renes Tod, das war ein Schock für uns alle. Ein Teammitglied wurde aus unserer Mitte gerissen. Er war großartig und entwickelte sich so schnell weiter, dass er vielleicht einmal Weltmeister geworden wäre. Jeffrey wird sich erholen. Es geht im schon besser. Wir wissen aber noch nicht, wann er zu uns zurückkehren wird. Jede Verschiebung eines Rennens wäre für ihn von Vorteil, es gibt also viele Fragezeichen. Tom ist ein Top-Fahrer und wird sich wieder auf die Jagd nach dem MX2-Titel machen. Wir haben uns mit Tom unterhalten und beschlossen, dass es besser ist, ihn noch ein weiteres Jahr als Titelanwärter in der MX2 zu belassen und ihn 2023 (hoffentlich als Weltmeister) in die MXGP zu holen. Wir sind der Meinung, dass er sich für das größere Bike körperlich noch etwas steigern muss, was auch seinem Selbstvertrauen gut täte. Wir freuen uns alle auf die MXGP, dürfen dabei aber nicht vergessen, dass Tom erst wenige Jahre im GP mitfährt und der Aufstieg in diesem Jahr vielleicht etwas zu früh gekommen wäre. Meiner Meinung nach war die Entscheidung richtig. Er fährt ein gutes Motorrad, ist ein guter Junge und ein fantastischer Fahrer. Gegen Mitte der Saison werden wir sehen, wohin sein Weg geht. Was 2022 anbelangt: Wir peilen immer Meistertitel an, das ist klar. Der Rennsport macht immer noch verdammt viel Spaß. Wir haben eine solide Struktur und die Atmosphäre im Team ist gut. Aber natürlich ist unser erklärtes Ziel, Titel zu gewinnen.“