Der Mann hinter Roger De Coster

Ian Harrison, technischer Direktor des Red Bull KTM Teams in den USA, spricht über seine Beziehung zu Roger De Coster, die das Team zu großen Erfolgen geführt hat.

Roger De Coster wird zurecht viel gelobt für seine Aufgaben und sein Engagement, das dem Red Bull KTM Team in den letzten fünf Jahren mit Fahrern wie Ryan Dungey, Marvin Musquin und Ken Roczen auf ihren KTM 250 SX-F und KTM 450 SX-F Bikes zu zahlreichen Siegen und Titel verholfen hat. Dennoch ist es nicht der Verdienst eines einzelnen, sondern eine Teamleistung; einer der wichtigsten Menschen, die den berühmten Belgier unterstützen, ist der Südafrikaner Ian Harrison. Der technische Direktor hat schone bei anderen Teams mit Roger De Coster zusammengearbeitet und wechselte mit ihm ins KTM-Lager, als Pit Beirer und Robert Jonas Ende des letzten Jahrzehnts die Verantwortung für die Red Bull KTM Racing-Aktivitäten übernahmen. Mit der Basis und Werkstatt im kalifornischen Murrieta, ist KTM mittlerweile eines der Machtzentren in den amerikanischen Rennserien.

Ian Harrison (RSA) 2016

Ian Harrison (RSA) 2016

Wir wollten wissen, wie es ist eine Schlüsselrolle in diesem Team zu übernehmen und mit ‘RDC’ zu arbeiten …

Als Roger dich anrief und bat, zu KTM zu kommen, was ging dir da durch den Kopf?
„Ich erinnere mich noch gut an diese Zeit; 2010 waren wir noch bei Suzuki, aber die Dinge gerieten wegen der Wirtschaftskrise und schlechten Absatzzahlen ins Stocken. Ich suchte nach Perspektiven und sprach mit Roger über eine Möglichkeit, die ich in Aussicht hatte und er riet mir abzuwarten. Zwei Tage später erzählte er mir von dem KTM-Angebot. Um ganz ehrlich zu sein, sagte ich damals zu ihm, „bist du verrückt?! KTM hat in der 450 SX noch nie ein Rennen gewonnen. Kannst du dir vorstellen, was das für eine Aufgabe ist?!“ Er sagte, er stünde der Aufgabe positiv gegenüber, dass KTM bereit sei und sich schnell weiterentwickelte. Ich kannte Pit [Beirer, Motorsportdirektor] damals schon seit langer Zeit, seitdem ich in den 90ern Grand Prix mit Greg Albertyn gefahren bin. Nach dem Gespräch mit Roger hat er mich einige Male kontaktiert und da habe ich nicht mehr lange gezögert, ins Team zu kommen. Trotzdem war ich anfangs noch ein bisschen skeptisch, aber als ich einmal dabei war und das Engagement gesehen habe, wie schnell wir die Ausrüstung und Infrastruktur bekamen, die wir brauchten, war ich restlos überzeugt. Ziemlich schnell konnten wir erste Fortschritte verzeichnen, auch dank der Fahrer Ken Roczen und Marvin Musquin, die zu dieser Zeit anfingen, ihr volles Potenzial zu zeigen. Das Vertrauen mit der 450er mussten wir uns erst erarbeiten, aber wir wussten, dass wir eine gute Chance hatten, Ryan [Dungey] zu verpflichten, vor allem, wegen der Beziehung, die Roger und ich bereits zu ihm hatten. Wir hatten bereits fünf Jahre lang zusammengearbeitet und es war nur eine Frage der Zeit, bis sich die Dinge fügten. Je mehr ich über Österreich, die Firma, die Motorentwicklung und das Engagement im Motorsport gelernt habe, desto sicherer wusste ich, dass ich die beste Entscheidung meines Lebens getroffen hatte.“

„Je mehr ich über Österreich, die Firma, die Motorentwicklung und das Engagement im Motorsport gelernt habe, desto sicherer wusste ich, dass ich die beste Entscheidung meines Lebens getroffen hatte.“

Für die Leute, die sich nur von Foos, aus Video oder von der Rennstrecke kennen, kannst du kurz ein paar deiner Aufgaben beschreiben?
„Ich bin so etwas wie die Schnittstelle zum Werk in Österreich, leite Informationen und Ideen weiter, von denen wir denken, dass sie möglichweise Probleme lösen oder etwas verbessern können, da die Bedingungen in der Supercross-Meisterschaft und den nationalen Rennserien im Sommer viel heißer sind, als bei den Rennen in Europa. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber habe ich auch in der Motorentwicklung gearbeitet, aber bei KTM ist das nicht nötig und ich kann mich auf andere Bereiche konzentrieren, z.B. auf die Chassis-Entwicklung und die Federung. Ich meine damit nicht, dass etwas nicht funktioniert hat, eher, dass wir versucht haben, die richtige Balance des Bikes für die Supercross-Rennen zu finden und in diese Richtung weiterzuentwickeln.“

Kannst du beschreiben, wie es ist, mit Roger zu arbeiten?
„Ich arbeite seit mittlerweile 22 Jahren mit ihm, eigentlich meine gesamte Karriere. Was kann man über einen Menschen sagen, der seit mehr als 50 Jahren seines Lebens auf Topniveau im Rennsport arbeitet? Er hat wahrhaftig schon alles gesehen. Was mich aber am meisten verblüfft ist, wie schnell er Lösungen für Probleme finden kann. Er war selbst Rennfahrer und hat keinen Ingenieur-Hintergrund, aber er übertrifft bei weitem so manchen Techniker, weil er so schnell denken kann. Obwohl wir die Bikes weiterentwickeln und sie immer besser werden, können Probleme immer wieder auftreten. Er hat über die Jahre viel Erfahrung gesammelt und weiß, wie er vorgehen muss, um das Problem zu lösen. Als Chef, nun, ich sehe ihn nicht als Chef, eher als einen Freund. Er hat mich immer wie einen behandelt und er ist sehr methodisch, wenn es darum geht, deine Verantwortlichkeiten zu verändern, wenn er glaubt, die Zeit ist reif.“

Ryan Dungey (USA), Roger De Coster (BEL) & Ian Harrison (RSA) San Diego 2016

Ryan Dungey (USA), Roger De Coster (BEL) & Ian Harrison (RSA) San Diego 2016

Wie ist die Dynamik zwischen dir, ihm und dem Team? Hast du viel mit den Fahrern zu tun … nicht nur technisch, auch persönlich?
„Auch und es ist wichtig, dass wie die Stärken des anderen kennen. Es gibt Tage, da bitte ich ihn ‘geh und rede mit ihm …’ oder andersrum, wenn er frustriert ist und sagt ‘du solltest gehen und mit ihm reden’, weil er es nicht vermasseln will! Ich denke, das ist ein wichtiger Punkt, der die Stärke unseres Teams ausmacht. Wenn es den Fahrern als (Selbst-) Vertrauen fehlt, dann reichen oft ein paar einfache Worte von Roger, um ihnen neue ‘Kraft’ zu geben, deshalb ist normalerweise er es, der mit den Fahrern spricht. Natürlich tauschen wir uns aus, wenn es darum geht, einen neuen Fahrer zu verpflichten, in welche Richtung das Setup gehen soll oder was wir für die neue Saison verbessern könnten. Roger denkt immer voraus und stellt sicher, dass wir das auch tun.“

Ryan gewann in der ersten Saison das erste 450 SX-Rennen. Über die Hintergründe und die gute Beziehung zum Werk in Mattighofen wurde viel geschrieben. Aber wie ist es, auf diesem Level zu bleiben? Ihr habt zahlreiche Erfolge gefeiert und seid immer noch an der Spitze …
„Das ist das Schwierigste. Wenn du einmal oben bist, dann sind da all die anderen Jungs, die das gleiche Ziel haben und sich genau anschauen, was du tust. Sie haben einen Weg, dem sie folgen können. Es ist schwierig der Beste zu sein und sich immer noch zu verbessern. Hier kommt Roger ins Spiel; er übt einen gewissen Druck auf die Leute aus und motiviert sie, immer weiter zu arbeiten und sich zu fragen, was wir noch erreichen können und was wir dafür tun müssen. Ich glaube Pit ist genauso.“

Ryan Dungey (USA) & Ian Harrison (RSA) KTM 450 SX-F San Diego 2016

Ryan Dungey (USA) & Ian Harrison (RSA) KTM 450 SX-F San Diego 2016

Mit jedem Sieg und mit jedem Titel muss der Druck für euch steigen …
„Das stimmt! Aber man muss immer daran denken, dass wir hier von Motorradrennen sprechen und der entscheidendste Faktor ist immer noch der Fahrer. Um erfolgreich zu sein, braucht man einen guten Fahrer und der beste Weg, sie ins Team zu holen, ist ihnen zu zeigen, dass sie konkurrenzfähig sind. Das ermöglicht dir, gute Fahrer zu verpflichten. Wenn du diesen besonderen Fahrer nicht hast, dann brauchst du das beste Bike, um überdurchschnittliche Ergebnisse einzufahren. Das verursacht eigentlich den größten Druck: sicherzustellen, dass du das beste Bike hast und die besten Fahrer davon zu überzeugen, dass sie in deinem Team fahren sollten. Wir haben bereits sehr viele dieser richtigen Zutaten: einen großen Hauptsponsor, den die Leute mögen, und ein großes Team, aber dennoch kämpfen wir gegen sechs andere gute Hersteller, die alle das gleiche Ziel haben wie wir.“

Wie hat die Umstrukturierung mit dem neuen 250 SX-Team deinen Job beeinflusst?
„Wir wollten unsere Präsenz weiter ausbauen. Anfangs haben wir in der 450 und 250 SX-Klasse viele Fahrer verpflichtet, um zu verhindern, dass sie für Pro Circuit oder Geico fahren und weil wir zeigen wollten, dass wir konkurrenzfähig sind und siegen können. Das hat funktioniert, aber mittlerweile konzentrieren wir uns auf zwei Fahrer in jeder Klasse. Mit zwei Fahrern in der 250 SX-Serie, je einem in der East- und West Coast-Meisterschaft wussten wir, dass wenn sich einer verletzt, wir niemanden mehr im Rennen haben würden. Daher war der nächste logische Schritt, ein 450 SX-Team mit drei oder vier Fahrern aufzubauen und ein 250 SX-Team mit je zwei Fahrern an jeder Küste. Außerdem ist da eine ganze Reihe von Nachwuchsfahrern, die heranwächst. Ich bin wirklich zufrieden mit unserer Teamsituation. Alle technischen Informationen laufen nach wie vor direkt über das Werk und es ist ein größerer Arbeitsaufwand mit mehreren Fahrern, aber es ist der richtige Weg, die Dinge anzugehen. Es ist unglaublich, wie schnell sich das Team vom Kunden- zum Werksteam entwickelt hat.“

Verletzungen sind ein entscheidender Faktor; sie können darüber entscheiden, ob du Siege und gute Ergebnisse einfahren oder gar nicht fahren kannst …
„Das stimmt. Sie sind ein entscheidender Faktor und vielleicht das Schlimmste an unserem Sport. Verletzt, kannst du nicht fahren; mit einer Verletzung am Knie oder einem verstauchten Knöchel kannst du nicht dein bestes geben. Ich denke, viele Leute vergessen das, wenn sie über die Fahrer sprechen. Sie trainieren so viel für den Erfolg und dann kann ein kleiner Fehler zu einer schweren Verletzung führen. Es ist ein unglaubliches Pensum, 17 Rennen in 18 Wochen zu fahren und die ganze Zeit gesund zu bleiben. Es ist brutal.“

Zu guter Letzt; wie erlebst du diesen Terminstress mit Supercross, Motocross und Events wie dem Monster Cup und Red Bull Straight Rhythm?
„Der Kalender ist ziemlich voll und ich denke wenn die Fahrer in verschiedenen Ländern und verschiedenen Serien fahren, sollten sich die Termine nicht überschneiden, sonst haben sie keine Zeit sich zu erholen und eine Pause zu machen. Dann verheizen wir die Fahrer und wir werden mehr Piloten wie Villopoto oder Carmichael sehen, die ihre Karriere früh beenden. Ich weiß gar nicht, wie sie all ihre Termine und das ganze Training schaffen. Im Motorsport spielt auch immer eine gewisse Angst eine Rolle. Es ist gefährlich und schon bei einem kleinen Fehler, kannst du dich verletzen. Um auf deinen Punkt zurückzukommen: ich denke nicht, dass der Kalender zu umfangreich werden sollte … und für mich persönlich? Nun, ich sehe das natürlich nicht ganz so! Ich liebe es, zu den Rennen zu gehen und um ehrlich zu sein, sind es die entspannteren Tage, denn die Vorbereitung ist vorbei und wir sollten das Ergebnis unserer Arbeit genießen können. Für mich ist es nicht anstrengend, aber für die Fahrer ist es natürlich etwas anderes!“

„Ich liebe es, zu den Rennen zu gehen und um ehrlich zu sein, sind es die entspannteren Tage, denn die Vorbereitung ist vorbei und wir sollten das Ergebnis unserer Arbeit genießen können. Für mich ist es nicht anstrengend, aber für die Fahrer ist es natürlich etwas anderes!“

Fotos: Ray Archer