„Der SuperEnduro-Titel ist mein bisher wichtigster!“ – Cody Webb, SuperEnduro-Weltmeister 2018

Der Kampf um die Krone der FIM SuperEnduro-Weltmeisterschaft 2018 war einer für die Geschichtsbücher – ein Kampf der Titanen zwischen Cody Webb und Taddy Blazusiak. Als amtierender AMA EnduroCross-Meister hatte Webb einen schwungvollen Lauf und war entschlossen, den Sack beim Finale in Schweden endgültig zuzumachen.

Cody Webb (USA) LIdköping (SWE) 2018 © Future7Media

Webb kam – mit einem 17-Punkte-Vorsprung gegenüber seinem nächsten Widersacher Blazusiak im Gepäck – in die Lidköping Arena und tat genau das, was von ihm erwartet wurde, um seinen Vorsprung zu halten. Und als Blazusiak im zweiten Rennen vorzeitig ausschied, war der Kuchen gegessen und Cody Weltmeister. Während die Siegesfeierlichkeiten noch in vollem Gange waren, baten wir den neuesten KTM-Weltmeister zum Gespräch, um ihn nach Details zu seiner legendären Saison zu befragen und mehr über seine nächste Herausforderung — the World Enduro Super Series — herauszufinden …

Herzlichen Glückwunsch, Cody. Du hast nun endlich das Ziel erreicht, auf das du so lange hingearbeitet hast. Wie fühlt man sich als frischgebackener SuperEnduro-Weltmeister?
„Die Weltmeisterschaft gewonnen zu haben, ist unfassbar – das ist definitiv mein bisher wichtigster Titel. In dieser Serie fahren die besten Fahrer der Welt. Gegen diese anzutreten und sie alle zu schlagen, ist ein unglaubliches Gefühl. Wir haben in diesem Jahr vieles durchgemacht und hatten mit den typischen Hochs und Tiefs des Rennsports zu kämpfen. Insgesamt fuhr ich aber relativ konstant und habe mich nie geschlagen gegeben. Es wird sicher einige Zeit dauern, diesen Sieg zu realisieren, ich werde diese Zeit aber voll auskosten.“

Cody Webb (USA) Lidköping (SWE) 2018 © Future7Media

Wir hatten das Glück, Zeugen einiger unglaublicher Kämpfe zwischen dir und deinem engsten Verfolger Taddy Blazusiak zu sein. Wie hast du diese erlebt?
„Ich habe eine Menge Respekt vor all den Jungs, mit denen ich kämpfe, und es ist natürlich etwas ganz Besonderes, mit Taddy um den Titel zu fahren — schließlich ist er der erfolgreichste Fahrer unseres Sports. Als Kind war er mein Idol und jetzt kämpfen wir Seite an Seite um Weltmeistertitel. Er hat sich für diese Serie aus dem Ruhestand zurückgemeldet und alles gegeben. So gesehen ist es schade für ihn, dass er Probleme hatte. Zu Beginn der Saison – als er das Eröffnungsrennen gewann – sah es gut für ihn aus, ich wusste aber, dass mein 17-Punkte-Vorsprung mir etwas mehr Spielraum geben würde.“

Natürlich drehte sich diese Meisterschaft nicht um nur ein einziges Rennen, sondern um eine ganze Saison, und im Laufe dieser hast du eine unglaubliche Konstanz gezeigt. Hat das am Ende den Unterschied gemacht?
„Man muss in einem Sport wie SuperEnduro mit dem Wort Konstanz vorsichtig sein, weil er so unberechenbar ist. Es beschreibt aber meine Saison ganz gut. Ich war bei allen Rennen im Spitzenfeld dabei und habe alles gegeben, um am Ende ganz oben am Podium zu stehen. Genau wie alle anderen hatte ich Unfälle und Fehler zu verdauen, schaffte es aber immer irgendwie wieder zurück. Außerdem konnte ich dieses Jahr sieben Rennen gewinnen – mehr als jeder andere – und war nie weit weg von den Podestplätzen, wenn ich mal nicht gewinnen konnte. Das war am Ende wohl entscheidend.“

Jonny Walker (GBR, #22), Cody Webb (USA, #2) & Taddy Blazusiak (POL, #111) Lidköping (SWE) 2018 © Future7Media

Nach einem Jahr Pause in der SuperEnduro-Meisterschaft (du hast die Saison 2017 ja ausgelassen) – war es wichtig für dich, wieder nach Europa zurückzukehren?
„Ich war hochmotiviert, wieder in der SuperEnduro zu fahren, nachdem ich die Saison 2017 ausgelassen hatte, und nahm mir vor, alles zu geben. Der AMA EnduroCross-Titel war natürlich ein großer Vorteil, als es darum ging, meinen Vertrag zu erneuern und um einen Wiedereinstieg in die SuperEnduro zu verhandeln. So konnte ich auch KTM davon überzeugen, wie ernst ich es meinte und wie sehr ich zurückkehren wollte, und es wurde mir schließlich ermöglicht.“

Bedeutete dein Sieg in der AMA EnduroCross-Meisterschaft im November letzten Jahres, dass in der SuperEnduro zusätzlicher Erfolgsdruck auf dir lastete
„Ganz sicher half es mir, direkt als Träger dieses Titels zurückzukommen, nachdem ich eine ganze Saison in der SuperEnduro ausgelassen hatte. Ich war aufgrund meines Sieges in der EnduroCross sehr zuversichtlich und diese Zuversicht macht unheimlich viel aus — schließlich sind alle Fahrer talentiert und können am Ende ganz oben stehen. Ich hatte bis dahin nur Indoor-Rennen gewonnen und so gab es mir auf jeden Fall Auftrieb, die Saison in Polen zu beginnen.“

Cody Webb (USA) KTM 350 EXC-F Lidköping (SWE) 2018 © Future7Media

Die Action auf der Strecke war in dieser Saison besonders mitreißend. Kommt das daher, dass alle Teilnehmer am äußersten Limit fahren?
„Das kurze, intensive Format führt zu mehr Action. Das ist meiner Meinung nach der Grund dafür, dass die Highlights, die nach dem Rennen gezeigt werden, so wild aussehen. Es tut sich einfach so viel auf der Strecke, dass du keine Zeit zu verlieren hast. Jeder will gewinnen und es kann schnell ins Auge gehen. Die Hauptrennen in der AMA EnduroCross-Serie ziehen sich länger hin. Wenn du keinen so guten Start hinlegst, ist das gut – dann kannst du das Feld immer noch von hinten aufrollen und trotzdem auf dem Podest landen. In der SuperEnduro ist das schwierig, da du dafür nur sechs Minuten Zeit hast. Die besten fünf oder sechs Jungs fahren so gut, dass alle bei jedem Rennen Chancen auf den Sieg haben. Die Intensität der Rennen macht die Sache schon recht haarig und ich habe eigentlich immer Arm-Pump. Ich denke, ich könnte echt gut damit leben, Runde für Runde 85 Prozent zu geben, aber in der SuperEnduro zählt nur Vollgas – du musst zu jeder Zeit 100 Prozent geben. Wir fahren zwar nur neun oder zehn Runden, aber am Ende der letzten Runde kann ich mich kaum mehr auf dem Bike halten oder die Kupplung ziehen. Es ist Wahnsinn, dass diese extra 10 Prozent so einen Unterschied machen.“

Nun, da du sowohl die AMA als auch die FIM-Serie gewonnen hast, ziehst du die drei Rennen der SuperEnduro oder das einzelne Hauptrennen der AMA-Serie vor?
„Das ist eine schwierige Frage, da beide Formate so ihre Vorteile haben. Ich glaube, dass das Format mit drei Rennen für die Zuschauer auf jeden Fall aufregender ist. Kürzere Rennen sind intensiver, sodass immer etwas los ist, und bei drei Rennen sieht man die Top-Fahrer auch öfter auf der Strecke. Die Fans sehen sich zwar gerne die Amateure an, kommen aber hauptsächlich, um die Top-Jungs in Aktion zu erleben. Die höhere Intensität und mehr Zeit auf der Strecke machen dieses Format attraktiver und zu einer Win-Win-Situation – die Zuschauer kommen in den Genuss von mehr Renn-Action und mehr Überholmanövern, weil die Fahrer keine Zeit zu verlieren haben. Die Fans lieben das. Das Format breitet sich auch in andere Bereiche aus, sogar bis in den Supercross-Sport. Heuer erproben sie dort die Triple Crown Series – nach dem ersten Lauf gab es noch Beschwerden, aber beim zweiten Rennen in Atlanta war das Feedback schon besser.“

Cody Webb (USA) KTM 350 EXC-F Lidköping (SWE) 2018 © Future7Media

Werfen wir einen Blick in die Zukunft: Bist du bereit für die aufstrebende World Enduro Super Series?
„Die Idee einer Serie mit verschiedenen Disziplinen ist fantastisch und verrückt zugleich. Es ist wie der Mayweather/McGregor-Kampf: Keiner weiß, wer am Ende noch aufrecht stehen wird. Wir haben Nathan Watson und Josep Garcia, die beide super-schnell sind, aber bei anderen Rennkategorien straucheln werden. Ich wiederum bin nicht gerade für meine Motocross-Künste bekannt, genauso wenig wie Graham Jarvis. Es wird also interessant werden, zu sehen, wie wir uns schlagen. Ich freue mich aber darauf, dadurch ein rundherum besserer Fahrer zu werden. Außerdem ist es eine großartige Chance, in der WESS zu fahren, und ich freue mich darauf, ein Teil davon zu sein. Ich wollte schon immer bei den Red Bull Romaniacs, dem Extreme XL Lagares und dem Red Bull Knock Out antreten. Das bedeutet zwar, dass ich viel reisen muss, aber ich fahre für mein Leben gerne mit Geländemotorrädern und außerdem ist das mein Job – am Ende also eine Win-Win-Situation für mich.“

Worin liegen deine Stärken in der WESS-Serie?
„Ich werde mich auf die ersten beiden Läufe – das Extreme XL Lagares und das Erzbergrodeo – konzentrieren, da ich dort sicher stark sein kann. Ich werde meine Stärken bei den Hard Enduro-Bewerben voll ausspielen können. Ich weiß aber, dass ich mich, was die schnelleren Rennen betrifft, verbessern und meine Schwächen ausmerzen muss. Ich trat letztes Jahr bei den ISDE an, weil ich unbedingt einmal dabei sein wollte, realisierte aber, dass ich nicht schnell genug war. Daran muss ich also arbeiten. Classic Enduro ist wieder eine andere Sache. Ich werde versuchen, meinen Speed zu verbessern, aber das mache ich nicht jeden Tag. Dafür liebe ich es viel zu sehr, in hartem Gelände Motorrad zu fahren und auf Entdeckungstour zu gehen.“

Cody Webb (USA) KTM 350 EXC-F Lidköping (SWE) 2018 © Future7Media

Das Erzbergrodeo Red Bull Hare Scramble im Juni ist ein Teil der WESS und ein Rennen, bei dem du bereits zweimal auf dem Podium standest. Kannst du es ganz nach oben schaffen?
„Der Erzberg ist für mich extrem wichtig. 2016 kam ich hinter Graham Jarvis als Zweiter ins Ziel. Es war mein erster Podestplatz und der erste eines Amerikaners. Letztes Jahr kämpfte ich mit Jonny Walker um die Führung, aber ich bin mir nicht sicher, was dann passierte. Vielleicht hat mich einfach der Mut verlassen. Meine Arme waren so aufgepumpt, dass ich den Bremshebel nicht mehr bedienen konnte – es war, als würden sie explodieren. In einer Sektion ließ ich Graham vorbei und auf einem Straßenabschnitt dann Wade Young. Bei Karls Dinner erreichte ich meine Mechaniker und hielt an. Ich musste ein Pause einlegen und versuchen, runterzukommen. Ich wusste, dass ich mich verletzen würde, wenn ich in diesem Zustand weiterfahren würde. Ich ging als Siebter oder so wieder ins Rennen. Von Wade fehlte im brutalen Abschnitt von Karls Dinner jede Spur. Irgendwie fand ich wieder meinen Rhythmus und schaffte es als Dritter ins Ziel, wollte aber mehr. Ich war mit dem dritten Rang zufrieden, war aber frustriert darüber, was mir in der Mitte des Rennens passiert war. Dieses Jahr werde ich mich darauf konzentrieren, fehlerfrei zu fahren – ich möchte nicht mehr das Gefühl haben, dass da noch mehr gegangen wäre.“

Eine letzte Frage noch: Wie reagieren die Leute zuhause auf deine Erfolge im Hard Enduro- und SuperEnduro-Sport im Ausland?
„Die Reaktionen sind definitiv positiv, besonders in meiner Heimatstadt, wo sich die Menschen daran erinnern, wie ich als Heranwachsender mit meinem Vater ohne Handschuhe Trials fuhr. Ich besuche jedes Jahr die Weihnachtsfeier beim KTM-Händler in meiner Nähe. Dort kaufte ich mit 19 Jahren mein erstes Bike und es ist verdammt cool, mit der Belegschaft abzuhängen und zu plaudern. Erst kürzlich war ich mit Aaron Plessinger bei einem Bell Helmets Ride Day und viele Menschen kamen nur, um mit mir zu fahren. So etwas überrascht mich immer und zeigt, was meine Erfolge anderen Menschen bedeuten. Es ist inspirierend, zu sehen, wie die Kids mir nacheifern. Schlussendlich bin ich ja auch nur ein Enduro-Fahrer. Der einzige Unterschied ist, dass ich ganz gut über Stock und Stein fahren kann.“

KTM 350 EXC-F © Future7Media

Fotos: Future7Media