Ende einer Ära: Herlings verlässt die MX2

Einer der besten 250ccm-Fahrer aller Zeiten stellt sich 2017 einer neuen Herausforderung und hinterlässt beeindruckende Statistiken, Siege und Trophäen. Wir haben uns genauer angeschaut, wie Weltmeister Jeffrey Herlings die MX2 dominierte.

Jeffrey Herlings (NED) SMX Cup VELTINS-Arena (GER) 2016

Jeffrey Herlings (NED) SMX Cup VELTINS-Arena (GER) 2016

In einer Woche, in der die beeindruckenden Zahlen hinter den Erfolgen des ehemaligen KTM-Fahrers und MotoGP-Weltmeisters Marc Márquez von der internationalen Presse gelobt werden, ist es auch an der Zeit, die Leistungen und großen Fußstapfen zu würdigen, die Red Bull KTM-Werksfahrer Jeffrey Herlings in der MX2-Klasse der FIM Motocross Weltmeisterschaft (MXGP) hinterlässt. Die Zahl der Statistiken, die der seit Kurzem 22-Jährige um- und neugeschrieben hat, sind unvergleichlich und lassen Erfolge anderer internationaler Motorsport-Athleten klein erscheinen, besonders im Motocross-Sport. Jetzt, da Herlings in Vorbereitung auf seine erste Saison in der MXGP-Klasse 2017 die ersten Tests mit der KTM 450 SX-F absolviert hat, täte er gut daran, kurz innezuhalten und sich an seine phänomenalen Rekorde auf der 250er zu erinnern. An eine Klasse, in der er sich als weltweit bester und schnellster Fahrer auf Sand etabliert hat.

Ich erinnere mich noch an einige Kollegen im Pressezentrum von Valkenswaard beim Grand Prix der Niederlande vor circa acht Jahren, die sich über den Umstand beklagten, dass es nur wenige einheimische Talente bis auf Topniveau schafften und bereits damals ruhten alle Hoffnungen auf dem Teenager Herlings. Zusammen mit Piloten wie Shaun Simpson und Marvin Musquin fuhr er im KTM-Förderprogramm und bereitete sich auf sein Debüt in der Weltmeisterschaft vor.

Jeffrey Herlings (NED) 2009

Jeffrey Herlings (NED) 2009

Als Jugendlicher hatte Herlings seine Schwierigkeiten mit der öffentlichen Aufmerksamkeit und dem Druck in einem Werksteam zu fahren, fand als 15-Jähriger aber schnell Ablenkung auf der Rennstrecke. Sein erster Auftritt in der Weltmeisterschaft war eindrucksvoll, seine geschäftige Art und seine mutige, offensive Haltung führte ihn in Italien, bei seinem zweiten Grand Prix, zu einer Pole Position und am Ende sogar aufs Podium. Zwei Wochen später sicherte er sich in Valkenswaard seinen ersten von mittlerweile mehr als 60 Siegen, womit er in der ewigen Rekordsiegerliste der 59-jährigen Geschichte dieser FIM-Serie den dritten Platz belegt. Das alles erreichte Herlings vor seinem 22. Geburtstag.

Während der Saison 2010 entwickelte sich Herlings physisch und mental weiter (auch wenn seine Saison durch eine ausgerenkte Schulter nur kurz war) und 2011 erzielte er neun Podiumsplätze in einer 15 Rennen umfassenden Saison.

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Indaiatuba (BRA) 2011

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Indaiatuba (BRA) 2011

2012 – ein spannendes Duell um die Weltmeisterschaft mit Tommy Searle (zweimal Vizeweltmeister in KTM-Farben) – dass Herlings begann, sein ganzes Talent zu zeigen. Es war seine dritte GP-Saison und erneut dominierte er in Valkenswaard – die Bedenken der niederländischen Medien drehten sich ironischerweise um die Dominanz ihres besten Athleten – das dritte Rennen in Folge, das er auf dieser Strecke gewann. Seit 2010 ist die Nummer ‘84’ auf dem ‘Eurocircuit’ ungeschlagen: eine Serie von sieben Jahren. Nach seinem ersten Titelgewinn 2012 gelang Herlings 2013 die erste von zwei Saisons ohne eine einzige Niederlage. Er gewann 14 mal in Folge und feierte insgesamt 15 Siege (zwei Rennen musste er verletzungsbedingt auslassen, sicherte sich aber dennoch den zweiten Titel) und 2014 feierte er Erfolge bei allen 12 Rennen, bei denen er mit voller Gesundheit antrat. Den Titel verpasste er nur um vier Punkte, obwohl er mit einem gebrochenen linken Oberschenkel beim Grand Prix von Mexiko einen elften Platz einfuhr.

Die Saison 2015 brachte vier weitere Siege und acht Podiumsplätze, stürzte den Niederländer und sein KTM-Team aber auch in bis dahin unbekannte Tiefen, da Schlüsselbein-, Finger und Hüftverletzungen einen weiteren Titelgewinn unmöglich machten.

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Teutschenthal (GER) 2015

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Teutschenthal (GER) 2015

Mit dem neuen Alterslimit von 23 Jahren steigt Herlings, wie von vielen MXGP-Fans schon seit langem erwartet, im nächsten Jahr in die „erste Liga“ des Motocross-Sports auf. In Anbetracht seines Pechs in den letzten zwei Jahren, bereitete sich Herlings umso akribischer auf seine wahrscheinlich letzte MX2-Saison vor und lieferte pflichtgemäß. Seine dritte WM-Krone sicherte er sich in der Saison 2016 dank eines hundertprozentigen Podiumrekords (15 insgesamt) und 14 weiteren Siegen bei 18 Rennen.

Abgesehen von Zahlen und Statistiken hat Herlings (bei etwa 1,80 m in Wahrheit ein bisschen zu groß für eine 250er) in seinen sieben Grand Prix-Jahren für unvergessliche Leistungen und Momente gesorgt (nicht zu vergessen, seine fast 50%-Quote bei Titelgewinnen). Sein Versuch, mit aschgrauem Gesicht und einem gebrochenen Bein in Mexiko zu fahren, war ein Grenzgang zwischen Mut und fragwürdiger Vernunft. Bei einem erinnerungswürdigen Kampf mit den amerikanischen Stars Cooper Webb und Austin Forkner in Charlotte im September stellte er sein Können auf schnellen Hard-Pack-Strecken mit vielen Sprüngen unter Beweis sowie seine Fähigkeit, sein Niveau zu steigern, um die besten eines anderen Kontinents herauszufordern. Mein persönliches Highlight war seine vollkommene Dominanz und Überlegenheit im Sand von Lierop in der Saison 2012, als er sich in beiden Läufen jeweils auf Platz 3 und 4 vorarbeitete; die meisten werden sich an so eine Zurschaustellung von Exzellenz und Selbstvertrauen in der Geschichte des Grand Prix nicht mehr erinnern können.

Brian Bogers, Jeffrey Herlings & Glenn Coldenhoff (NED) Maggiora (ITA) 2016

Brian Bogers, Jeffrey Herlings & Glenn Coldenhoff (NED) Maggiora (ITA) 2016

2015 gewann Romain Febvre seinen MXGP-Weltmeistertitel mit 23 Jahren, Tim Gajser war 2016 mit 19 Jahren erfolgreich. Die Bühne ist also bereit für einen weiteren aufstrebenden jungen Rookie, sich seinen Weg zu bahnen. Herlings hat der Welt bereits einen Vorgeschmack auf sein Talent mit den größeren Bikes gegeben, indem er das niederländische Team beim Motocross of Nations auf den zweiten Platz führte (der erste Podiumsplatz seit 2004). Es ist zu erwarten, dass die Nummer 84 ihr Zahlenspiel an der Spitze der MXGP fortsetzen wird und wir sind die Glücklichen, die es miterleben dürfen.

Fotos: KTM/Ray Archer