Erzberg Rodeo, vorher-nachher

Es gibt nichts härteres, als das Erzberg-Rodeo. Aussicht und Rennverlauf können recht unterschiedlich ausfallen. Also haben wir ein paar Fahrstimmen eingefangen – jeweils vor und nach dem Event.

 

 

Ivan Cervantes (31), KTM 350 EXC, Enduro-Weltmeister aus Spanien, vor dem Erzberg-Rodeo:

»Dies ist mein erstes Mal am Erzberg. Ob ich speziell vorbereitet bin? Nein, habe nur normales Enduro-Training absolviert. Ich bin Zweiter in der Weltmeisterschaft, nahe am Ersten dran; ich bin hier, um Spaß mit etwas Abwechslung zu verbinden. Natürlich kommt Nervosität auf, weil das Event schwierig ist. Ich weiß eigentlich nichts darüber. Ich habe zwar mit etlichen Fahrer gesprochen. Aber alle sagen nur, ich sagen ich sei verrückt, weil es das härteste Rennen der Welt ist. Mein Körper wird nach dem Rennen wohl ziemlich zerschunden sein.«

 

Ivan Cervantes nachher (P. 7):

»Mein Ziel bei meinem ersten Erzberg war, durchzufahren. Nach zwei, drei Checkpoints lag ich an zweiter Stelle, das hat mich überrascht. Aber dann habe ich Fehler gemacht und verlor Zeit. Im Abschnitt »Carls Diner« stürzte ich, das Bike fiel in ein großes Loch. Es da wieder heraus zu zerren, war kompliziert. Nach Kontrollpunkt »Dynamite« war das Ziel nicht mehr allzu weit, das Gefühl es tatsächlich zu schaffen, war saugut. Zwei oder drei Abschnitte waren extrem schwierig, ich habe schwer kämpfen müssen. Ja, ich habe zwischendurch ans Aufgeben gedacht, aber meine innere Stimme sagte, hey Ivan, du bist hier, um das durchzustehen. Also habe ich gepusht und gepusht, mich überwunden und 120 % gegeben. So landete ich schließlich auf Platz 7. Ohne meine Fehler wäre vielleicht Top 5 möglich gewesen, aber na gut…

 

Es war viel anstrengender als ein normales Enduro-Rennen. Es wird zwei, drei Tage dauern, die Erschöpfung zu überwinden. Dann kann ich wieder mit leichtem Training beginnen. Nächstes Jahr? Sicher komme ich wieder. Bei besserem Wetter hoffentlich. Der Start war unglaublich, überall Wasser, was für ein Chaos. Mein Motor schluckte auch Wasser und ging aus, nach der ersten Kurve. Aber nach zwei Minuten ging es wieder, kein Problem. Ich verlor nur 2 Minuten.«

 

Lars Enöckl (23), KTM 300 EXC, Österreichs bester Hardenduro-Athlet, vor dem Erzberg-Rodeo:

»Nervosität ist auf jeden Fall da. Für mich ist der Erzberg DAS Hauptevent, auch für die anderen hat es den höchsten Stellenwert. Man bereitet sich ein Jahr vor, hat es ständig im Hinterkopf. Zum Training sucht man etwas Ähnliches mit Steinen und Steilhängen. Die Waldpartien, wo es eng und rutschig wird, sind schwierig zu simulieren. Aber wenn man die Grundtechnik beherrscht, kann man über jeden Untergrund fahren. Die Anspannung vor Start ist etwas Besonderes. Man fährt im Konvoi zur Aufstellung und merkt jedem die Nervosität an. Wenn 500 Mann auf den Start warten, ist das ein spezieller Moment. Dazu kommen 30.000 oder 40.000 Zuschauer. Soviel sieht man im Extremenduro sonst das ganze Jahr nicht. Natürlich weiss man, auf was man sich einlässt. Aber deshalb sind wir da; die Anstrengung bis zur totalen Erschöpfung gehört dazu.«

Lars Enöckl nach dem Erzberg (Aufgabe an Checkpoint 6):

»Den Prolog habe ich gewonnen, das war super. Am Sonntag beim Hare Scramble kam ich gut aus der ersten Kehre heraus, habe aber vor lauter Wasser nix mehr gesehen, dann ist das Vorderrad in ein Loch und weggetaucht. Das Motorrad lag komplett unter Wasser. Ich habe es wieder zum Laufen gebracht, aber inzwischen waren weitere Startreihen gestartet. In Chaos bis zur nächsten Auffahrt wurde nochmal Wasser angesaugt; ich habe gekickt, bis der Motor wieder gelaufen ist und habe bis Checkpoint 6 weitergekämpft, dann war´s endgültig vorbei. Keine Leistung mehr, wahrscheinlich ein Folgeschaden vom Wasser vorher. Das ist arg deprimierend. Die ganze Vorbereitung umsonst. Kein angenehmer Moment.«

  

Graham Jarvis (38), GB, Husaberg TE300, einer der weltbesten Hardenduro-Cracks, vor dem Erzberg-Event:

»Das Erzberg-Rodeo ist extrem, also habe ich hart trainiert, Fitness vor allem. Mein Motorrad ist gut. Es wird darauf ankommen, möglichst wenig Fehler zu machen. Ich war früh da, um die Strecke bestmöglich abzuchecken. Es ist schwierig hier, vor allem am Anfang, weil so viele am Start sind. Also hoffe ich, ohne Probleme wegzukommen. Die Anspannung ist höher als üblich, ja. Vielleicht, weil alles immer größer wird und damit auch das Interesse steigt . Ob ich nervös vor dem Start bin? Nun, ja, es wird garantiert anstrengend und ermüdend sein, da sind Fehler schnell passiert. Aber ich kenne die Strecke aus den Vorjahren, das hilft gelassen zuversichtlich zu bleiben und nicht gleich auszuflippen.«

 

Sieger Graham Jarvis nachher:

»Nach dem Prolog startete ich nur aus der zweiten Reihe. Kurioserweise war das zu meinen Gunsten. Ich sah, wie die Fahrer der ersten Reihe Probleme mit dem Wasser hatten. Also fuhr ich schön vorsichtig los und überall drumherum. Ich versuchte lediglich, keine Dummheiten anzustellen. Erst als das ganze Startschlamassel überstanden war, begann ich an das Rennen zu denken. Ich überholte viele Konkurrenten und arbeitete mich immer weiter vor. Bald sah ich weniger Reifenspuren vor mir, das stimmte mich zuversichtlich . Kurz vor »Karls Diner« übernahm ich die Führung. Danach bestimmte ich mein Tempo. Nach der Sektion »Dynamite« konnte ich in aller Ruhe das Zeil anpeilen. Es ist großartig, hier endlich zu siegen. Erzberg ist das einzige Hardenduro, das ich noch nicht gewonnen hatte. Ich bin sehr erleichtert und glücklich dazu.«

Jonny Walker (22), GB, Vorjahressieger und Werksfahrer auf KTM 300 EXC, vor dem Erzberg-Rodeo:

»Ich fühle mich gut und stark, nach dem Sieg letztes Jahr. Ich habe fleißig trainiert, sechsmal die Woche. Ich habe auf dem härtesten Grund trainiert, den ich finden konnte, halb Enduro, halb Trial, dazu auf rauhen Felsen und glitschigen Rasenhängen. Viel mehr kann man glaube ich nicht tun. Natürlich ist man angespannt. Das Hare Scramble ist schon etwas Spezielles, weil 500 Fahrer gleichzeitig hinunter fahren zum Startareal. Dort dann zu warten, bis es endlich losgeht, ist nervenzerfetzend. Natürlich sorgt man sich, dass der Motor gleich anspringt. Der Regen ist normalerweise kein Problem, ich bin Brite. Und man schwitzt nicht so viel.«

 

Jonny Walker (P. 4) nachher:

»Mein Rennen mit einem Wort zu beschreiben, ist nicht so einfach. Letztes Jahr klappte alles wie am Schnürchen, heuer war das Glück nicht auf meiner Seite. Gleich zu Beginn schluckte mein Motor Wasser, ich verlor eine Menge Zeit. Ich kämpfte mich zwar einigermaßen nach vorne, aber mit dem vierten Platz bin ich nicht zufrieden. Nächstes Jahr komme ich wieder für einen neuen Anlauf.«

 

 Taichi Tanaka (31), KTM 250 EXC, japanischer Hardenduro-Botschafter, vor dem Erzberg:

»Ich bin extrem motiviert. Ich will ein gutes Ergebnis erzielen, am Podest landen oder besser noch gewinnen. Das Erzberg-Rodeo ist etwas Besonderes. Die Teilnehmer kommen aus der ganzen Welt. In Japan werden gute Bikes und moderne Technologien hergestellt. Aber richtig unterhaltsame Rennveranstaltungen sucht man vergeblich. Das will ich versuchen zu ändern. Ich bin 31 Jahre alt, nicht ganz mehr jung. Vielleicht kann ich etwas an die nächste Generation weitergeben. Nicht nur träumen. Sondern sich selbst trauen und etwas riskieren, auch wenn nur wenig Geld zur Verfügung steht. Ich möchte, dass Extrem-Enduros beliebter werden bei uns. Deshalb habe ich in sechs japanischen Großstädten Public Viewings organisiert. Das Erzberg-Rodeo ist verrückt, aber es ist auch fantastisch. Deshalb bin ich hier.«

 

Taichi Tanaka nachher (P. 8):

»Es war viel schwieriger als im letzten Jahr. Dauerregen, dazu das viele Wasser am Anfang – sehr ungewöhnlich. Ich fuhr fast die ganze Zeit mit Dougie Lampkin, vor allem im Wald und den Felsabschnitten. Da waren ein paar neue Passagen, die ohne Unterstützung nicht zu meistern waren, deswegen haben wir uns gegenseitig geholfen. Alleine hätte keiner das Ziel erreicht. Also ich bin zufrieden mit meinem Ergebnis. «

  

Michael Zajc (23) Grafikdesigner bei Kiska in Salzburg, KTM 250 EXC, vor Erzberg:

»Ich war als Zuschauer acht Jahre am Erzberg, jetzt fahre ich erstmals selbst mit. Die Entscheidung fiel kurzfristig. Mein Freund Christoph Hauthaler ist Motorradhändler und hat mir einen Startplatz organisiert, eigentlich war es bereits lange ausgebucht. Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Meine Vorbereitung hat auf der MX-Strecke und am Rennradl stattgefunden. Man kann nicht einfach aufsteigen und loslegen, das funktioniert nicht. Ich habe die letzten Tage schlecht geschlafen, bin nachts bis 4 Uhr wach im Bett gelegen. Es ist das brutalste Extremenduro der Welt, das geht an die Substanz, bevor Du überhaupt dort bist. Allein wennst ankommst, an diesem riesigen Berg aus Eisen, ist das ein magischer Moment, ergreifend und umwerfend.

 

Training am Erzberg ist ja grundsätzlich verboten ist. Bei der Visitation Tour zum Rocket Ride, einem Side-Event am Donnerstag, bin ich das erste Mal hinauf gefahren. Es ist wichtig, sich die Strecke einzuprägen. Wann wird es eng, wann langsam, wann kann man voll anpressen? Zwischendurch geht es über blinde Kuppen; wennst da 140 km/h durchfahrst und eine Kurve kommt, wird es heikel. Beim Prolog geht es die Schottertrasse den Berg rauf, volles Rohr. Die 500 Besten von 1.500 Prolog-Startern qualifizieren sich für das Hare Scramble. Gestartet wird im unten im Kessel, erst kommen Steilhänge, dann Schotter bis hinten um den Berg herum, dort beginnt das extreme Gelände. Das sieht man bis Sonntag aber nicht.

 

Meine KTM ist eine EXC 250. Viel Schmalz, superleicht, wendig. Die paar Leute, die am Erzberg im Hare Scramble ins Ziel kommen, steuern alle Zweitakter. Weil die sind nach Stürzen einfacher aufzuheben. Ich habe Viertakt-Erfahrung, wennst drei- viermal gelegen bist, hast schon genug. Sollte ich es bis zum Sonntag schaffen, ist Schlaf überhaupt kein Problem, weil das Bierzelt ist bis 2 Uhr offen, danach entschlummerst von allein.«

 

Michael Zajc nach Erzberg (Aufgabe an Checkpoint 4):

Bis Checkpoint 4 bin ich gekommen, dann war Ende. Bin aus der 7. Startreihe in das Hare Scramble gestartet. War froh, dass es überhaupt zum Mitfahren gereicht hat. Ist ein irres Gefühl im Kessel, rundum Felsen vor Augen. Ich habe auf die erste Startreihe mit der Crème de la Crème der Endurowelt geschaut, um zu sehen, wie die ersten Steilhänge gemeistert werden. Habe dann mit Erschrecken festgestellt, dass aus der ersten Reihe nur eine Handvoll Leute aus der Sektion rausgefahren sind, der Rest ist in Wasserpfützen untergegangen. Als eine Reihe nach der anderen losgeschickt wurde, wurde das Chaos immer größer; ich habe lange gebraucht, das Startareal zu verlassen.

 

Beim ersten Checkpoint war das Feld bereits ausgedünnt; ich steckte in einer Gruppe mit fünf, sechs Mann, jeder hat ums Weitergekommen gekämpft. Nachher ging es durch den Wald, dann durch die »Badewanne«. Vor dem vierten Checkpoint war ein Hang, der ohne Hilfe nicht zu bewältigen war. Ich bin dann da im Hang gestanden und habe geholfen den anderen das Motorradl raufzuzerren. Abgesprochen war, dass danach mir geholfen wird. Aber sobald jeder auf der Spitze war, ist er weiter und hat mich im Stich gelassen. Das war hart. Ohne Hilfe habe ich es nicht geschafft. Damit war das Rennen für mich vorbei.

 

Ich habe es aber genossen, diesen schmalen Grat zwischen Euphorie und brutaler Verzweiflung. Dieser Hang war physikalisch nicht zu bezwingen, extrem steil und lang und schräg zum Anfahren und von den Fahrern vorher durchmatscht, aufgewühlt und vom Regen durchschwemmt, eine einzige Pampe. Beim Absteigen bist zum Knie eingesunken. Ohne dass Dich jemand mit einem Seil die letzten 20 Meter hochgezogen hat, war es nicht zu packen. Für mich ist dann kein Seil mehr herunter gekommen, leider.

 

Ich habe zwei Stunden am Start gewartet. Mit Regenjacke und extra anderen Handschuhen, um noch zu wechseln. Ich blieb also trocken, fahre fünf Meter und war bis auf die Unterhose nass, und das bei vier oder fünf Grad. Beim Start herrschte Chaos pur, mal war das Wasser 20 Zentimeter tief, mal reichte es bis zur Sitzbank. Ich habe versucht, mich an anderen zu orientieren, aber es war total unberechenbar. Ich war schon glücklich, dass mein Moped kein Wasser gezogen hat. Andere haben reihenweise aufhört, weil nix mehr ging.

 

Egal wie die Brille präpariert war, Du musstest sie abnehmen, nachdem der Erste durchs Wasser gefahren ist. An den Hängen wurdest mit aufgewirbelten Steine von den anderen beschossen. Unter Adrenalin merkst davon wenig, aber nachher unter der Dusche siehst, dass alle Gliedmassen blau zerballert sind. Es war absolut verrückt. Aber genial. Freue mich schon auf nächstes Jahr und werde auf diesem Hang einen Freund postiert haben, der dann auch nur mir hilft.

 

Karl Schagerl (20), KTM 450 SX-F, aus St. Pölten/A, zurzeit Praktikant im KTM-Eventmarketing:

»Ist meine fünfte Erzberg-Teilnahme, ich starte nur im Prolog, war letztes Jahr 18ter. Bin mehr Motocrosser statt Endurofahrer. Freitag ist der erste Prolog-Lauf, Samstag der zweite. Bin noch locker, das wird sich in der Nacht vor dem Rennen aber ändern. Werde angespannt sein, obwohl ich viel trainiert und ein KTM Racecamp absolviert habe. Der Erzberg-Prolog ist das schnellste Offroad-Rennen der Welt. 1500 Teilnehmer, 38 Nationen, nix technisches, nur hohes Tempo und Vollgas. Die besten 500 qualifizieren sich für den Hare Scramble. Es geht teilweise mit 130/140 km/h dahin. Gestartet wird unten in der Arena, dann kommt eine 13 km lange Schotterpiste, über die Serpentinen schraubt man sich den Erzberg hinauf bis ins Ziel oben. Es ist nicht ungefährlich, aber wenn man vorne dabei sein will, denkt man nicht darüber nach. Es wird einzeln gestartet. Bis Startnumer 100 im 30 Sekunden-Abstand, danach alle 10 Sekunden. Ich habe Startnummer 59.«

Karl Schagerl (Platz 21 im Prolog) nach dem Erzberg:

»War bitterkalt. Hatten 20 cm Schnee auf dem Berg am Ziel und ein paar Grad unter Null. Meine Fahrt dauerte etwas über sieben Minuten, bin fast erfroren, die Unterarme komplett gefühllos. Ich war froh, als alles vorbei war. Ich bin auf Sicherheit gefahren, weil es war arg rutschig. War am Ende 21ter. Hat gepasst. Mittags wurde abgebrochen, die anderen Starter fuhren erst einen Tag später. Somit gab es am Ende nur einen gewerteten Lauf. Die Samstagstarter hatten besseres Wetter, sieben davon waren dann vor mir, aber da braucht man nicht hadern, das gilt es zu akzeptieren.«

 

»Habe den Sonntag noch zugeguckt, das war abnormal nach dem Dauerregen, so etwas habe ich noch nie gesehen. Das ganze Wasser am Start, alles vollgelaufen, teilweise hast keine Kotflügel mehr gesehen. Es sind sicher 50 Motorräder abgesoffen; ein Wahnsinn. Ganz schwere Bedingungen und kalt dazu. Gut, dass ich da nicht mitgefahren bin.«