FAMILIENANGELEGENHEITEN: STARKE FAMILIENBANDE ALS GRUNDLAGE FÜR ERFOLG IM RENNSPORT

Um im Rennsport erfolgreich zu sein, braucht es mehr als nur ein schnelles Motorrad. Eine solide Basis lebt von den Menschen und ihren Fähigkeiten. KTM hat das vor Jahren schon verstanden und bemüht sich, jedem einzelnen Teammitglied das Gefühl zu geben, zuhause zu sein. Teil dieser Familie zu sein ist enorm wichtig – manchmal im übertragenen Sinn und manchmal sogar im Wortsinn …

Brad & Darryn Binder @ Guus van Goethem

Das Heimrennen von KTM am Red Bull Ring in Spielberg fand am zweiten Augustwochenende statt und wir haben uns aufgemacht, um herauszufinden, wie stark die Familienbande von KTM wirklich sind. Von der ganz in Orange gehaltenen KTM-Tribüne bis zu der beeindruckenden Anzahl an KTM-Rennmotorrädern in der Startaufstellung bewies KTM ihre starke Präsenz in der internationalen Grand-Prix-Szene.

Abgesehen von der MotoE-Kategorie steht in jeder Klasse mindestens ein ‚orangefarbenes‘ Bike am Start: Vom Red Bull Rookies Cup bis ganz hinauf zur MotoGP™. Man könnte sagen, dass das alleine KTM schon zu einer großen Familie macht. Für drei spezielle Paarungen im Fahrerlager reichen die Familienbande aber noch viel tiefer …

Philipp & Peter Öttl @ Guus van Goethem

Philipp und Peter Öttl
„Um genau 3 Uhr fuhren wir immer zur Großmutter auf eine Tasse Kaffee. Als Kind schaute ich mir dann immer Videoaufnahmen der Rennkarriere meines Vaters an“, sagt Philipp Öttl. Obwohl der aktuelle Fahrer des Red Bull KTM Tech 3-Teams in der Moto2TM ihn nie live fahren sah, weiß der 23-Jährige um die beeindruckenden Fahrkünste seines Vaters in den leichteren Klassen der Vergangenheit.

Im Laufe seiner Karriere sammelte Öttl Senior insgesamt 5 Grand-Prix-Siege – sowohl in der 80-cm³- als auch in der 125-cm³-Klasse. Später teilte Peter Öttl seine Rennerfahrungen mit seinem Sohn Philipp, um diesem dabei zu helfen, es im Motorrad-Rennsport ganz nach oben zu schaffen. „Als Kind fuhr Philipp hauptsächlich Motocross und Supermoto. Ich war ziemlich überrascht, als er sich plötzlich entschied, auf Asphalt zu wechseln. Mit 10 oder 11 startete er bei den Minibikes und stieg in der nächsten Saison in den ADAC-Juniorencup auf. In dieser Zeit konnte ich ihm mit meiner Erfahrung gut weiterhelfen und er machte schnell Fortschritte. Tatsächlich schien er praktisch mühelos immer schneller zu werden.“

Philipp Oettl @ Gold&Goose

Philipp fügt hinzu: „2008 fing ich bei den Minibikes an und nur 4 Saisonen später startete ich bei meinem ersten Grand Prix. Wenn ich zurückblicke, glaube ich, dass wir in Sachen Resultate einen rasanten Aufstieg hingelegt haben.“ Sein schneller Durchmarsch ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen Peter und Philipp. Am Anfang dieser Saison haben sich die Verhältnisse allerdings geändert.

Philipp startet momentan für das Tech 3-Team in der Moto2TM, während Vater Peter das Sterilgarda Max Racing Team in der Moto3TM leitet. „Unsere Situation ist tatsächlich komplett anders als in den vergangenen Jahren. Um ehrlich zu sein, fühlt es sich aber so an, als hätte sich nichts verändert“, erklärt Philipp. „Natürlich laufen wir uns im Fahrerlager ständig über den Weg und wenn die Dinge mal nicht nach Wunsch laufen, kann ich mir immer Rat bei meinem alten Herrn holen.“ Peter nickt.

„Wir haben gemeinsam Großartiges erreicht. Die Details haben Philipp dorthin gebracht, wo er heute ist. Meiner Meinung nach müssen wir nicht mehr so eng zusammenarbeiten wie früher. Als Vater ist es natürlich schwer, loszulassen. Schlussendlich denke ich aber, dass diese Situation gut für ihn ist. Ohne mich weiterzumachen, stellt den nächsten Schritt in seiner Entwicklung als Rennfahrer dar. Er ist jetzt auf sich alleine gestellt.“

Philipp Oettl @ Gold&Goose

Die Mischung macht‘s
Öttl Senior und Öttl Junior sind Blutsverwandte – und das zeigt sich in einigen Charaktereigenschaften. Peter erklärt: „Philipp macht viele Dinge genauso wie ich. Er steht mit beiden Beinen am Boden und schreckt nicht vor harter Arbeit zurück. In seinem Alter war ich genauso. Trotzdem bin ich froh, dass er keine genaue Kopie von mir ist. Er hat ganz eindeutig auch einiges von seiner Mutter mitbekommen. Wenn ihr mich fragt, vereint er eine gute Mischung aus genetischen Eigenschaften.“

Verglichen mit Peters GP-Tagen ist der Rennsport im Laufe der Zeit härter geworden. Der 54-jährige Deutsche identifiziert einen offensichtlichen Unterschied zwischen dem Rennsport des Jahres 2019 und den 90ern – der Zeit, in der er selbst seine Erfolge feierte. „Heute sind die Bikes fast gleich schnell. Dadurch liegt die Verantwortung für Resultate viel stärker beim Fahrer. Zu meiner Zeit hattest du keine Chance, wenn du nicht auf einem Werksmotorrad fuhrst. Das war der Hauptgrund für mich, in der 125er-Klasse zu bleiben. Bei den 125ern hatte ich ein gutes Bike und bei einem Aufstieg in die 250-cm³-Kategorie hätte ich mit einem Kundenmotorrad Vorlieb nehmen müssen. Natürlich dachte ich über einen Aufstieg nach. Schlussendlich ergab der aber keinen Sinn für mich. Mir war es immer wichtiger, konkurrenzfähig zu sein, als um des Aufstiegs Willen in eine höhere Klasse aufzusteigen. Zudem war die 125er-Klasse damals sehr populär. Zumindest bei den deutschen Fans.“

Auch wenn sich der Rennsport über die Jahre verändert hat, ist eines doch gleich geblieben: Alle Rennfahrer wollen schlussendlich Rennen gewinnen. Beide Männer aus Bad Reichenhall kennen das überschwängliche Gefühl, als Erster über die Ziellinie zu fahren. Peter konnte 5 Grand-Prix-Siege holen, während sein Sohn im letzten Jahr endlich sein erstes Weltmeisterschafts-Rennen gewann.

In Jerez besiegte er auf spanischem Boden Marco Bezzecchi – der sich in jenem Jahr zum Vizeweltmeister der Moto3TM küren sollte – in einem aufregenden Finale. „Dieses Gefühl ist schwer zu beschreiben. Man muss es selbst erlebt haben. Wenn du dein erstes Rennen gewinnst, fühlst du, dass sich die ganze harte Arbeit der letzten Jahre ausgezahlt hat. Es ist wie eine Explosion der Gefühle und es war etwas ganz Besonderes, das mit meinem Vater teilen zu können.“ Peter: „Ich habe nie vergessen, wie sich mein erster Sieg angefühlt hat; ein dritter oder zweiter Platz ist nichts dagegen. Auf das Podium zu kommen ist großartig, aber ein Rennen zu gewinnen … das ist zehnmal besser.“

Brad & Darryn Binder @ Guus van Goethem

Brad und Darryn Binder
Sich gemeinsam zu einem Interview hinzusetzen, daran müssen sich die beiden erst einmal gewöhnen. Die zwei Brüder aus Südafrika werden nicht oft zusammen zu einem Gespräch gebeten, obwohl sie schon seit einigen Jahren an der Weltmeisterschaft teilnehmen. In den Jahren 2015 und 2016 duellierten sie sich sogar in derselben Klasse, der Moto3TM. Das war aber nicht das erste Mal, dass die beiden Kopf an Kopf in derselben Kategorie antraten.

„Wir haben in Gokarts mit dem Rennsport begonnen“, erklärt uns der 21-jährige Darryn. Der Jüngere der beiden fährt fort: „Eigentlich war es so, dass ich bei den Gokarts anfing. Brad wollte ein Motocross-Bike und mein Vater kaufte ihm eines – aber er fuhr es dann kaum. Dann sah er mich auf 4 Rädern Rennen fahren und wollte auch mitmachen.“ Brad gewann die Meisterschaft in einer der Klassen für neue Talente und Darryn machte es ihm im darauffolgenden Jahr nach. Schnell wurden die beiden aber auf Rennmotorräder aufmerksam. „Wir fuhren leidenschaftlich gerne mit den Gokarts, wollten aber herauswachsen und stattdessen mit Motorrädern Rennen bestreiten.“

Brad Binder @ Gold&Goose

Das Brüderpaar arbeitete sich über den Red Bull Rookies Cup – die Nachwuchsklasse des Grand-Prix-Sports – in die GP-Szene vor. Für die Binders war es eine Reise ins Unbekannte. Niemand in ihrem Umfeld hatte es zuvor auf ein solches Niveau geschafft. „Als wir noch jünger waren, fuhr unser Vater in regionalen Meisterschaften, war aber schon recht alt, als er mit dem Rennfahren begann. Er muss etwa 27 gewesen sein, als er sein erstes Rennen fuhr“, so Darryn.

Das Gespräch nimmt eine interessante Wendung, als Brad seinen kleinen Bruder unterbricht. „Machst du Witze? Bist du betrunken? Als ich geboren wurde, war er 27, also muss er noch viel später mit dem Rennfahren begonnen haben. Er muss mindestens Anfang 30 gewesen sein.“ Egal, wie alt Vater Trevor war, als er zum ersten Mal ein Rennen bestritt: Auf jeden Fall hat er Brad und Darryn dazu inspiriert, in seine Fußstapfen zu treten. Brad: „Von klein auf waren wir ständig von Motorrädern umgeben und als wir älter wurden, wurden die Bikes einfach größer.“

Darryn Binder & Gold&Goose

Gemeinsames Training
Während der Saison leben die Brüder in Spanien. Das bietet ihnen einige Vorteile. „Als Südafrikaner ist es nicht einfach, an der Weltmeisterschaft teilzunehmen – bei uns zuhause hat der Straßenrennsport keinen hohen Stellenwert. Der Umzug nach Europa machte uns klar, dass wir im gleichen Boot sitzen“, ist Darryn überzeugt.

„Und natürlich können wir so auch gemeinsam trainieren. Brad und ich fahren leidenschaftlich gerne mit dem Fahrrad, sind aber auch sehr ehrgeizig. Wir messen ständig unsere Kräfte und ich werde immer versuchen, ihn zu schlagen. Wenn wir mit den Fahrrädern unterwegs sind, spare ich mir meine Energie für den letzten Anstieg auf. Wenn Brad dann sagt, dass ich den Anstieg sachte angehen soll, greife ich an. Und dann tritt auch Brad stärker in die Pedale und schon haben wir ein Rennen.“ Brad fügt hinzu: „Wenigstens hilft uns das, nie aufzugeben. Gemeinsam zu trainieren macht außerdem viel mehr Spaß. Alleine würde das schnell mühsam werden. Das gilt auch dafür, alleine zu wohnen oder zu reisen.“

Mit einer fantastischen Saison machte sich ihr Ehrgeiz im Jahr 2016 bezahlt. Der ältere der beiden Binder-Brüder gewann in diesem Jahr die Moto3-Weltmeisterschaft. „Das war schon etwas ganz Besonderes“, so Brad. „Jeder einzelne Rennfahrer hat das Ziel, Weltmeister zu werden. Das verbessert deine Chancen, es in die MotoGPTM zu schaffen, ganz beträchtlich. Es war definitiv das beste Jahr meiner Karriere.“

Als sein Bruder den Titel gewann, war ihm Darryn ganz nah – nicht zuletzt, da auch er damals in der Moto3TM fuhr. „Ich erinnere mich an dieses Rennen, als ob es gestern gewesen wäre. Aragon war ein furchtbares Rennen für mich gewesen. Als es vorüber war, sah ich gleich zu den großen Bildschirmen auf, um zu sehen, ob Brad genug Punkte errungen hatte, um den Titel zu gewinnen. Es war ein großartiger Tag und ich habe mich riesig für ihn gefreut.“

Zonta & Jurgen van den Goorbergh @ Guus van Goethem

Zonta und Jurgen van den Goorbergh
In dieser Saison ist auch der 13-jährige Zonta van den Goorbergh im Fahrerlager zu sehen. Als Sohn des früheren MotoGPTM-Fahrers Jurgen hat Zonta es geschafft, sich einen Platz im Red Bull Rookies Cup zu sichern. „Letztes Jahr debütierte er im European Talent Cup. Mit dieser Erfahrung im Rücken hielten wir es für eine gute Idee, ihn für die Qualifikation zum Red Bull Rookies Cup einzuschreiben. Wenn Zonta nicht im ETC angetreten wäre, hätten wir diesen Schritt nie und nimmer in Erwägung gezogen. Zu unserer Überraschung bekam er einen Platz für die Saison 2019.“

Vater Jurgen ist zweifellos überaus stolz darauf, wie weit es sein Sohn bereits geschafft hat, wenn man sein zartes Alter bedenkt. Dennoch weiß der ehemalige Rennfahrer genau, dass Zonta noch einen langen Weg vor sich hat, wenn er sein Ziel erreichen will. Zonta: „Ich will in der MotoGPTM fahren; darauf arbeite ich hin. Natürlich weiß ich, dass das nicht über Nacht passieren wird. Ich werde hart und konzentriert arbeiten müssen, bin aber bereit, alles zu tun, was nötig ist.“

Der talentierte Niederländer machte bereits in jungen Jahren Bekanntschaft mit dem Rennsport – zuerst aber nur auf der Motocross-Strecke. „Mit 3 Jahren bekam ich mein erstes elektrisches Trials-Bike, wollte aber bald etwas Schnelleres. Trials und Geschwindigkeit – das geht nicht zusammen. Also zog es mich zum Motocross. Zwei Jahre später wechselte ich auf Asphalt.“ Mit seiner Trials- und Motocross-Erfahrung fiel es Zonta leicht, sich an seine neue Aufgabe im Straßenrennsport zu gewöhnen.

Auch von der Erfahrung seines Vaters konnte der Youngster zehren. „Wenn Zonta beim Motocross geblieben wäre, wäre meine eigene Rennerfahrung nicht so viel wert gewesen. Wir hätten einen Trainer mit MX-Erfahrung finden müssen, um ihm einen Aufstieg im Motocross zu ermöglichen. Jetzt kann ich ihn selbst trainieren.“

Zonta van den Goorbergh @ Shot Up Productions

Rache ist süß
Jurgens eigene Karriere und seine jahrelange Erfahrung sollten Zonta helfen, ein ganz Großer zu werden. Der 49-jährige Niederländer hat nicht nur MotoGPTM-Rennen bestritten, sondern fuhr auch bei der Rallye Dakar mit. „Ich kann Zonta nicht nur mit Tipps und Tricks aus dem Rennsport helfen. Mein Nachname öffnet auch gewisse Türen für ihn. Die Leute erinnern sich an mich und meine Kontakte von früher machen sich jetzt für Zonta bezahlt. All das macht seinen Weg nach oben etwas weniger steinig.“

Jurgen hat über die Jahre ein Auge für Talente entwickelt und so weiß er, wie wichtig es für Zonta ist, früh mit dem Training zu beginnen. „Ich könnte noch einmal bei der Dakar antreten, aber momentan konzentriere ich mich voll auf die Karriere meines Sohnes. Damit vermeide ich, dass wir später einmal überlegen, was wir besser hätten machen können; wie viel mehr Energie und Zeit wir in Zontas Karriere investieren hätten sollen. Sollten, würden, könnten – das gibt es bei uns nicht.”

Obwohl Zontas Weg in die MotoGPTM noch ein langer ist, kann der 13-Jährige bereits jetzt sagen, es mit Marc Marquez aufgenommen zu haben. Der talentierte Youngster nahm 2017 am Allianz Junior Motor Camp teil – einem Event, der vom siebenfachen Weltmeister organisiert worden war. „Auch sein Bruder Alex war da, um mitzuhelfen. Das war eine tolle Erfahrung. Ich habe Marc beim Dirt-Track-Rennen fast geschlagen. Am Ende überholte er mich innen und nahm bis zur Ziellinie etwas mehr Speed mit. Ich hoffe, dass ich mich in ein paar Jahren rächen kann.“

Zonta & Jurgen van den Goorbergh @ Guus van Goethem

Bilder: Guus van Goethem, Shot Up Productions, Gold&Goose