Testfahrt im Freeride E Center

Die Idee war einfach zu verlockend: Eine Testfahrt auf dem KTM-eigenen, für jedermann zugänglichen Freeride E-Gelände in Munderfing, gleich in der Nachbarschaft von Mattighofen.

 

Das orange eingezäumte Areal liegt in unmittelbarer Nähe zum KTM-Motorenwerk sowie zur neu errichteten Produktionsstätte von WP-Suspension. Nicht weit entfernt sind auch etliche Wohnhäuser zu erspähen, was eindrucksvoll unterstreicht, dass Lärmbelästigung mit E-Bikes absolut kein Problem darstellt. Nach Betreten des Areals ist man fast versucht, sich in den Arm zu zwicken, weil alles ein bißchen unwirklich scheint. MX-Fahren, ohne dass die Umwelt belästigt wird, ist hier Realität. Etwas mulmig war mir schließlich nur, weil ich dieses Jahr noch keine Offroad-Ausfahrt zustande gebracht hatte und weil 35-Grad Hitze die Sommerluft ordentlich zum Glühen brachte.

Die Anlage macht einen properen Eindruck. Der Eingang ist geteert, teils auch der Parkraum. Auf dem Gelände steht eine Reihe Freeride E-Bikes vor orangen Containern, die als Umkleidekabine, Office und Werkstatt bzw. Batterie-Laderaum genutzt werden. Bernhard Fischer, der sich mit Kollege Lukas Steinacher um den Ablauf kümmert, nimmt uns freundlich in Empfang. »Die Bandbreite der Leute, die zum Ausprobieren der Freeride E kommen, deckt die ganze Bandbreite ab, vom Einsteiger bis zum MX-Profi. Die Begeisterung ist durchweg sehr hoch. Sie kommen von überall aus Österreich und Deutschland, aber auch aus Australien, England oder Tschechien hatten wir schon Gäste; wobei die meisten sagen »Sobald das auf den Markt kommt, kaufe ich mir eine!«

 

Steht man vor der Freeride E und nimmt die Maschine in Augenschein, wirkt sie schmal und zierlich. »Die Leistung beträgt 42 Newtonmeter, was ungefähr einem 30 PS starken MX-Bike entspricht«, erläutert Bernhard Fischer, wobei wir bereits wissen, dass vor allem die Drehmomententfaltung, wie bei E-Bikes üblich, besonders beeindruckend ausfällt. »Die mögliche Fahrzeit pro Batterieladung liegt je nach Fahrweise  und Beanspruchung zwischen 30 und 90 Minuten. Aufladen dauert 90 Minuten, wobei die Batterie bereits nach einer Stunde wieder über 80 % der Kapazität verfügt.«

10 Freeride E der neuesten Generation mit Wasserkühlung und überarbeiteten Bremsen stehen bereit, 8 werden für den laufenden Testbetrieb eingesetzt. »Außer Sturzteile wechseln und Bremsbeläge tauschen, die bei feuchten Bedingungen stärker beansprucht werden und dann schneller verschleißen, funktionieren die Bikes durchweg problemlos», erzählt Fischer noch, bevor ich schließlich in meine MX-Klamotten schlüpfe.

 

Mancher wird im Blog bereits über die Freeride E gelesen haben, über eine erste Testausfahrt und ein Rennen in Zolder/Belgien, das Red Bull KTM Teammanager Stefan Everts zu seinen Gunsten entschied. Meine Erwartungshaltung tendierte vor der Testfahrt eher in Richtung übermotorisiertes Fahrrad. Zumindest lag ich damit nicht nicht völlig verkehrt, wie sich nach den ersten Runden heraus stellt. Die Freeride E fühlt sich so leicht und kompakt an, wie sie aussieht, das Fahrverhalten ist agil und lebendig. Power ist reichlich vorhanden, wobei vor allem die für E-Triebwerke typische ansatzlose Entfaltung der Schubkraft überzeugt. Das Drehmoment sorgt für wuchtigen Punch und ist mindestens so beeindruckend wie unterhaltsam.

 

 

Gewöhnungsbedürftig ist zunächst die Bremsbetätigung über die Handhebel am Lenker. Rechts wird vorne verzögert, links hinten. Ein Fußbremse gibt es ebensowenig wie einen Schalthebel. Gas geben genügt, je mehr, desto schneller geht es voran. Jede Drehung am Gasgriff wird unverzüglich in Vortrieb umgesetzt. Am Kontrollpanel hinter dem Lenkkopf lassen sich verschiedene Leistungsmodi einstellen: Anfänger, Enduro und Sport. Auf der steinigen, trockenen Strecke kam ich mit dem Enduro-Modus am besten klar, damit lässt sich die Power gefühlvoll dosieren. Kupplung gibt es keine, damit ist engagiertes Losfahren aus dem Stand besonders problemlos möglich. Die Beschleunigung auszureizen bereitet mächtig Spaß, der mögliche Speed beeindruckt immer wieder.

Das Fahren läuft bis auf ein Sirren vollkommen geräuschlos abläuft, daran gewöhnt man sich aber rasch. Ebenso an das stärker wahrnehmbare Ablaufgeräusch der Reifen, oder wenn Dreck und Steichen gegen die Fahrzeugunterseite prasseln. Im Vergleich zu einem MX-Viertakter musste ich an manch kniffliger Passage bewusst mehr Gas geben, um ordentlich aus dem Quark zu kommen. Das kontinuierliche Dosieren von Vortrieb in engen Kurven und Anliegern liess sich problemlos bewerkstelligen. Im Großen und Ganzen fällt die Umstellung auf den E-Antrieb also überhaupt nicht schwer. Das Potential richtig auszuschöpfen, steht dann wieder auf einem anderen Blatt.

 

Ich bin etwa eine Stunde mit der Freeride E gefahren und ich habe die neue Erfahrung sehr genossen. Das fehlende Motorbremsmoment, wenn man das Gas zudreht, ging mir am meisten vor zwei schnellen Kurvenpassagen ab. Mit mehr Routine hätte ich wohl eine bessere Figur abgegeben. Statt entspannt die Ideallinie anzupeilen, ging ich eher verkrampft zu Werke, jedenfalls ging mit am Ende schön die Puste aus. Als ich noch eine tückische Rille mit dem Vorderrad erwischte und eine unfreiwilige Bodenprobe nahm, beschloss ich, es damit gut sein zu lassen.

KTM hat kürzlich bekannt gegeben, dass die Freeride E nach der ausgedehnten Testphase nächstes Jahr in der Verkauf gelangt, und zwar zunächst in den Ländern Östereich, Deutschland und Schweiz. Weitere Länder werden folgen. Eine gute Entscheidung, wie ich finde, den die Freeride E macht einen ausgereiften Eindruck, der Fahrspaß ist vorzüglich. Die Vorstellung, die praktisch lautlose Maschine überall auf geeigneten Pisten nutzen zu können, auch und vor allem in der Nähe besiedelter Gebiete und damit allen Offroad-Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, ist schlicht begeisternd.

 

Das E-Cross Center in Munderfing ist Mittwoch und Donnerstag von 9.00 bis 12.00 Uhr und von 13.00 bis 16.00 Uhr geöffnet, am Freitag nur vormittags. Auf dem Areal stehen drei Strecken zur Auswahl: Für Beginner, Enduro/Trail und Motocross. Pro Tag können bis zu 8 Fahrer die Freeride E ausprobieren. Eine Anmeldung ist notwenig – online auf der KTM-Internetseite unter »Ride KTM« sowie unter »Race Orange – Kundensport«. 20 Euro beträgt die Gebühr für einen Testtag. Zwei Batterien dürfen leergefahren werden, was zwei Stunden Fahrzeit entspricht. Wer wiederholt aufkreuzt, um sich mit der Freeride E zu amüsieren, wird mit 40 Euro (Rent-Tarif) zur Kasse gebeten, wobei man so lange fahren kann, wie die Kräfte reichen. Wer keine Bekleidung und Ausrüstung mitbringt, kann diese um 15 Euro Unkostenbeitrag ausleihen. Mineralwasser, Müsliriegel und Äpfel werden gratis gestellt.

 

Parallel zum E Cross-Center gibt es inzwischen weitere Möglichkeiten, eine Freeride E zu mieten und auszuprobieren: im Elektro Moto-X-Park der Freizeit und Abenteuer-Anlage »Area 47« im Tiroler Ötztal, auf der »Schmittenhöhe« in Zell am See im Bundesland Salzburg und in Deutschland am Freizeitpark Monte Kaolino im bayerischen Hirschau.