Grand Prix-Organisation

Was braucht es für die Vorbereitung und Ausrichtung eines MXGP-Events (abgesehen von einem großen Budget)? Wir sprachen mit dem Organisationsverantwortlichen des Grand Prix of Americas auf dem Charlotte Motor Speedway …

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Eine Motocross-Strecke verändert sich ständig. In relativ kurzer Zeit entsteht anhand der natürlichen Topographie und Aufschüttung zusätzlicher Erde zur Formung von Sprüngen und Hindernissen ein 1650 m (entsprechend der FIM-Regularien) langer, möglichst anspruchsvoller Kurs. Während eines Rennwochenendes verändert sich die Strecke aufgrund von Beanspruchung und Wettereinflüssen; nicht selten kommt es sogar vor, dass sich die Streckenbedingungen während eines Laufes ändern. Wartung und Pflege mit Bewässerungssystemen, schweren Maschinen und einem geübten Auge sind an der Tagesordnung. Aber für einen modernen MXGP braucht es mehr als nur ein gut gepflegtes Streckenlayout: Es braucht Einrichtungen und Infrastruktur zur Unterbringung und Verpflegung von Teams, Fahrern, TV-Sendern, Medien und Zuschauern. Was wiederrum bedeutet, dass auch ein großes Verkehrsaufkommen und Massen an Fans und Zuschauern nicht zu chaotischen Verhältnissen führen dürfen. Für 72 Stunden ist das Streckengelände Zentrum eines Rennzirkus bestehend aus Trucks, Campern, Motorrädern und anderen Fahrzeugen.

Viele verschiedene Veranstaltungsorte bilden zusammen den Kalender der FIM Motocross-Weltmeisterschaft. Dazu gehören moderne, permanente Motorsportanlagen wie am Losail International Circuit in Katar, ältere und traditionsreiche Strecken wie Teutschenthal (wo schon in den 1970er-Jahren, im damals noch nicht wiedervereinten Deutschland, Rennen ausgetragen wurden) sowie neue Strecken wie der Charlotte Motor Speedway, auf dem am letzten Wochenende erstmals der Grand Prix of the Americas ausgetragen wurde. Und zwar in einer Dirt-Track-Arena auf einem riesigen Areal, wo normalerweise NASCAR-Rennen stattfinden. Eine der ungewöhnlichsten Rennstrecken seit Beginn des Jahrhunderts war wohl das ‘Park Extreme’, 2002 Austragungsort des GP von Russland. Erde aus einem abgetragenen Steinbruch wurde für den Aufbau einer nahegelegenen Skipiste genutzt; im übriggebliebenen ‘Loch’ entstand eine einfache, aber durchaus interessante Strecke. Dennoch kehrte der GP-Zirkus nicht zurück.

Weltweit gibt es eine Vielzahl großartiger Motocross-Strecken, die nie einen Grand Prix erleben werden, einfach, weil sie nicht in der Lage sind, alle Anforderungen, die an eine Weltmeisterschaftsstrecke gestellt werden, zu erfüllen. Erste Voraussetzung für einen Motoclub, Streckenbesitzer oder passionierten (manche würden vielleicht sagen hoffnungsvollen) Unternehmer, der einen GP austragen will, ist der richtige Ort. Große Investitionen in die notwendigen Upgrades, eine Sanktionierungsgebühr, um den MXGP-Tross in die Stadt zu holen, Marketing, Unterstützung der lokalen Polizei und Regierung sowie die laufenden Kosten für Personal, Setup (Zaunbau, Sicherheitsdienste, Müllentsorgung, Aufräumarbeiten) verschlingen große Summen, die sorgfältig geplant werden müssen. Es ist also keine Überraschung, dass eine Vielzahl der GPs nur durch Sponsoren oder die finanzielle und logistische Unterstützung von Gremien und den Regionen möglich ist, für die ein solches Event eine willkommene Werbung ist und sogar Einfluss auf den Tourismus hat. Ein gutes Beispiel ist der Grand Prix von Trentino in Italien. ‘Wo?’ werden sich viele fragen …

Viel Geld in die Eventorganisation zu investieren, ist aber noch lange keine Garantie für Erfolg. Clubs und Organisatoren müssen wissen, wie das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten funktioniert. Dazu gehören Verkehrsplanung, Auswirkungen auf die Umwelt, Parkplatzsituation, die Möglichkeit von Schlechtwetter, Kommunikation (Internet) und medizinische Versorgung … um nur einige Faktoren zu nennen. Ein großes Budget ist hilfreich, hat aber auch drastischen Einfluss auf die mögliche Gewinnspanne und wirkt langfristigen Ambitionen eher entgegen. Vorsichtig geschätzt, liegt das Budget für einen neuen GP im sechsstelligen Bereich.

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

„Um das benötigte Budget zusammenzustellen, muss man schlau und vernünftig vorgehen“, sagt Doug Cremer, Event-Vizepräsident am Charlotte Motor Speedway; die Strecke in North Carolina erlebte Anfang September den ersten Auftritt der MXGP-Stars. „Wir sind ein Familienunternehmen, aber wir sind auch ein an der New Yorker-Börse notiertes Unternehmen, wir müssen also genau bedenken und abwägen, was wir tun. Wir wollten ein Motocross-Rennen, reisten nach Maggiora [Grand Prix von Italien] und waren einfach begeistert von dem, was wir sahen. Wir konnten die Leidenschaft spüren und dachten: wie können wir diese Atmosphäre konservieren und nach Amerika bringen?“ Die Planung des Events dauerte fast zwei Jahre.

„Wir wollten ein erfolgreiches und zukunftsfähiges Event … aber irgendwo muss man natürlich beginnen. Man wälzt Zahlen hin und her, arbeitet Verträge aus und überlegt, was für uns und auch für unsere Partner sinnvoll ist. Am Ende muss es für jeden funktionieren.“

‘CMS’ profitiert von einem gut funktionierenden Umfeld, das es gewohnt ist, Motorsportevents wie NASCAR oder Drag Races – erheblich größer als MXGP-Events – zu organisieren … dennoch war ein Motocross-Rennen und die Konstruktion einer Strecke aus mehr als 27.000 Tonnen Erde, für die ein halbes Dutzend schwere Maschinen benötigt werden, eine neue Herausforderung.

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Jeffrey Herlings (NED) KTM 250 SX-F Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Wie bekamen Doug und sein Team eine Vorstellung davon, was in Sachen Strecke und Setup zu tun war? „Wir sind von anderen Events der gleichen Größe ausgegangen, die wir bereist organisiert hatten“, erklärt er. „Ende des Jahres findet hier ein großes Dirt Track-Rennen, das World Outlaws World Final, statt; ein Tag, 20.000 Personen. Eines der größten Dirt Track-Events in den USA. Daran haben wir uns orientiert, um den MXGP zu planen.“

„Dann kommen natürlich noch die Kosten für die Streckenkonstruktion, Personal und Ausstattung dazu und hier kam Eric [Peronnard, bekannter Event-Organisator und Promoter] ins Spiel“, fügt er hinzu. „Wir gehen meist auf die gleiche Weise vor. Wir gehen von einer ähnlichen Veranstaltung aus und fügen dann alle Teile hinzu, die wir für dieses spezielle Event brauchen.“

Das Erlebnis in Maggiora war die ursprüngliche Inspiration für den Charlotte Motor Speedway, auch einen MXGP austragen zu wollen. Die Eigentümer des ‘Parks’ (er wurde in den vergangenen vier Jahren erheblich umgestaltet, um zusätzlich Strecken für Mountain Bikes, E-Bikes etc. Platz zu bieten), die Italiener Paolo Schneider und Stefano Avandero, veranstalten in Maggiora 2013 erstmals wieder einen GP und bereiten sich aktuell auf das deutlich größere Motocross of Nations in diesem Monat vor. „Das Organisationsteam umfasst etwa 30 Leute“, sagt Schneider. „Wenn man MXGP und Motocross of Nations vergleicht, ändert sich vor allem die Zahl der involvierten Personen im Fahrerlager, bei Logistik und Catering. Normalerweise sind 500-600 Personen involviert, für die MX of Nations verdoppelt sich diese Zahl fast. Es ist beeindruckend.“

Beim siebzehnten von achtzehn Saisonrennen erlebten die Organisatoren in Charlotte wohl den schlimmsten Albtraum eines jeden Veranstalters: sinnflutartiger Regen. Hurrikan Hermine sorgte für die Absage von Training und Qualifikation auf dem Charlotte Motor Speedway sowie für eine eilige, aber erstklassige Rettung der Strecke an einem Tag, der eigentlich hätte ein trockener und heißer Renntag sein sollen. „Das Wetter können wir leider nicht kontrollieren“, sagt Cremer. „Wir müssen das beste aus der Situation machen. Wir können es nicht ändern, aber uns darauf vorbereiten.“

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Charlotte Motor Speedway (USA) 2016

Vorbereitung. Gibt es etwas wichtigeres, um erstklassige Motorsport-Events in eine unterhaltsame – und erfolgreiche – Realität umzusetzen?

Fotos: KTM