Herausforderung MotoGP: Was sie denken …

Der dritte und letzte MotoGP-Vorsaisontest steht vor der Tür. Nächste Woche testet die MotoGP in Katar, bevor die Weltmeisterschaft 2017 am 26. März an gleicher Stelle auf dem Losail International Circuit beginnt. Nur wenige Wochen vor dem Saisonstart präsentierte sich das gesamte Red Bull KTM Factory Racing Team der Öffentlichkeit und läutete den Countdown für einen der bedeutsamsten Tage in der Firmengeschichte ein.

Red Bull KTM MotoGP Factory Racing Lineup 2017

Was traut man KTM in ihrer ersten MotoGP-Saison zu? Wir fragten im Anschluss an die Pressekonferenz einige Anwesende nach ihrer Meinung …

Mat Oxley (ehemaliger Rennfahrer, namhafter internationaler Journalist und Autor):
„KTM weiß, was zu tun ist, wenn es um Motorsport geht – in so gut wie allem, was sie anfassen, sind sie erfolgreich; es besteht also kein Zweifel, dass ihre Anstrengungen in der MotoGP sich auszahlen werden. Auf der anderen Seite ist die MotoGP das Nonplusultra, dort wird das meiste Geld investiert und sie werden wie noch nie zuvor auf die Probe gestellt werden. Es gibt gleich mehrere interessante Gesichtspunkte. Das Unternehmen und die Ingenieure haben eine andere Haltung zum und eine andere Herangehensweise an den Motorsport im Vergleich zu anderen Herstellern – offener, experimentierfreudiger und pragmatischer. Wir werden sehen, wie ihr Konzept funktioniert, denn KTM ist der einzige Hersteller mit einem Screamer-Motor und einem Stahlrahmen. Ich denke, die Saison 2018 wird für sie wichtiger als 2017 – 2017 ist ein Testjahr, in dem sie sich auch Kritik werden stellen müssen, wenn sie nicht sofort mithalten können. Aber sie sind clever genug, um darauf vorbereitet zu sein.“

Pol Espargarós KTM RC16 2017

David Emmett (Inhaber von motomatters.com und Blogger):
“KTM steht vor einer großen Herausforderung in einem der konkurrenzfähigsten MotoGP-Starterfelder aller Zeiten. Diese Herausforderung gilt es zu meistern. Der Fortschritt bei den Testfahrten war gut: Sie befinden sich ziemlich genau dort, wo Suzuki stand, als sie in die MotoGP zurückkehrten. Suzukis erstes Jahr nach der Rückkehr in die MotoGP ist ein guter Maßstab, an dem man KTM messen sollte. Die ersten Rennen werden nicht einfach, aber KTM hat eine gut gefüllte Brieftasche und sie sind entschlossen, in dieser Klasse erfolgreich zu sein. Gegen Mitte der Saison sollten sie in der Lage sein, Top-10-Ergebnisse zu erzielen und gegen Ende des Jahres vielleicht sogar die Top 6 anzugreifen.“

Thomas Baujard (Journalist beim französischen Magazin Motojournal):
„Nicht erst wenn man das brandneue KTM Motorsport-Gebäude betritt hat man den Eindruck, dass jede einzelne hier uneingeschränkt hinter diesem Projekt steht. Während der Präsentation versammelten sich die Mitarbeiter über uns in einem kleinen Raum und verfolgten von dort aus die Präsentation. Sie begannen zu jubeln und zu klatschen als Sam Sunderland und Matthias Walkner die Präsentation eröffneten. Als am Ende Gruppenfotos gemacht wurden, war der gesamte KTM-Vorstand vertreten, zusammen mit Gerald Kiska und seinem Team, die die KTM RC16 designt haben. Sogar Red Bulls Head of Sponsoring war vor Ort und zeigte sich zuversichtlich: „Ich bin sicher, ihr werdet euer Ziel erreichen, aber keinen Druck Jungs”. Als ehemaliger Testfahrer war ich schon immer erstaunt und begeistert, wie viel Race-DNS in jeder neuen KTM steckt. In Munderfing fand ich dann endlich den Grund dafür: Mehr als jeder andere Hersteller ist KTM vom Motorsport besessen. Oder wie es KTM CEO Stefan Pierer sagt: „Für uns ist der Motorsport nur ein weiterer Teil des Produktionsprozesses. Es ist das ultimative Ziel“. In einem exklusiven Interview äußerte sich Pol Espargaró ähnlich über das Engagement der Firma: „In Sepang hatten wir Probleme mit dem Fahrwerk … und für Australien zwei Wochen später stand ein Neues parat. Für Katar bekommen wir neue Motorteile. Sie leisten großartige Arbeit.“ Und KTM-Motorsportdirektor Pit Beirer ist nicht auf den Kopf gefallen: „Die letzten 1,3 Sekunden pro Runde werden schwierig aufzuholen.“ Wenn man erlebt, wie hart jeder arbeitet, dann ist es fast unmöglich, 2017 nicht auf ein paar Top-10-Ergebnisse zu wetten.”

Stefan Pierer (AUT) & Pit Beirer (GER) 2017

Oriol Puigdemont (katalanischer Journalist bei Motorsport.com):
„KTM scheint entschlossen, die Weltmeisterschaft aufzupeppen und macht große Fortschritte in diese Richtung. Während der Vorsaison hat der österreichische Hersteller immer mehr an Fahrt aufgenommen und wenn sie diese Entwicklung über das Jahr fortsetzen können, dann werden sie das Mittelfeld ganz schön durcheinander bringen. Mit Aprilia um die Plätze zu kämpfen wird 2017 wahrscheinlich das erste Ziel für die Orangen sein, aber wenn sie weiter so schnell voranschreiten, dann kann dieses Ziel sehr schnell erreicht sein.“

Neil Morrison (Journalist u.a. bei Crash.net):
„Ich gebe zu, ich gehörte zu den ersten, die die Augenbrauen hochzogen, als Stefan Pierer bei der Vorstellung dieses aufregenden Projekts im letzten August davon sprach, die MotoGP-Weltmeisterschaft zu gewinnen. Ich dachte, ‘Warum ein so junges Projekt mit so großen Ambitionen beladen?’ Aber ihre hohen Ambitionen haben sich in so ziemlich allem gezeigt, was KTM bisher in Vorbereitung auf ihren MotoGP-Einstieg gemacht hat. Sei es die Verpflichtung von zwei bewährten Top-6-Fahrern oder das Abwerben einer Reihe von erfahrenen HRC-Technikern. Das einzige, was in der Garage noch MotoGP-Erfahrung vermissen lässt, ist das Bike. Und wenn man die Ergebnisse des letzten Tests auf Phillip Island betrachtet (Pol Espargaró hatte nur 1,3 Sekunden Rückstand auf den schnellsten Fahrer), dann ist selbst das Bike in keiner schlechten Form. Kein Zweifel, es wird Rennen geben, in denen einer der Fahrer darum wird kämpfen müssen, sich unter den Top 20 zu platzieren. Teilweise hat es bei den Tests sehr lange gedauert, die KTM RC16 abzustimmen. Zeit, die an einem Rennwochenende nicht unbegrenzt zur Verfügung steht. Dennoch ist das offensichtliche Engagement und der Enthusiasmus, den Bedürfnissen des Projekts gerecht zu werden, etwas, das Espargaró und Bradley Smith zugutekommen wird. Wenn das Team sagt ‘Pit, wir brauchen dies oder das’, dann ist er [Pit Beirer] in der Lage augenblicklich für eine Entscheidung zu sorgen und das Team kann weitermachen, erzählte mir Espargarós Crew-Chief Paul Trevathan über die Bereitschaft, die Dinge anzugehen und voranzutreiben. Es gibt nicht erst eine Riehe von Meetings oder ein Treffen mit dem Vorstand, um Dinge umzusetzen. Wenn man die Leistungen bei den Tests bis zum heutigen Tag betrachtet, dann gibt es keinen Grund daran zu zweifeln, dass KTM in der Lage sein wird, ab Mitte der Saison regelmäßig in die Punkte zu fahren. Auch Top-10-Ergebnisse würde ich gegen Ende des Jahres nicht ausschließen. Obwohl KTM noch wenig MotoGP-Erfahrung hat, scheinen beide Fahrer dem Zeitplan voraus zu sein.“

Fotos/Video: KTM