Heroes: Giovanni Sala & die Waschmaschine

Zeit für einen Tusch auf einen der allergrößten Fahrer und Persönlichkeiten der Motorradwelt. Gio Sala erinnert mich dabei nicht nur an seine Heldentaten am Lenker. Immer, wenn ich den stets gut gelaunten Italiener sehe, muss ich auch an eine gewöhnliche Waschmaschine denken.

Giovanni Sala 2015

Giovanni Sala 2015

Im Parallelflug verliefen die Karrieren von Giovanni Sala und KTM. Weit über ein Jahrzehnt beschleunigten der Mann aus der Enduro-Hochburg Bergamo und die KTM Offroadabteilung wie irre nach vorne. Sala war als erfolgreicher Racer gleichzeitig auch Test- und Entwicklungsfahrer in erster Instanz. READY TO RACE in Reinkultur. Kein Bike in jener Boost-Periode, das nicht durch seine Hände ging. Der niemals einer ordentlichen Gaudi abgeneigte Gio planierte am Rennwochenende die Enduro-Weltelite – ganz gleich, welche Kubatur ihm dabei untergeschoben wurde – und steckte am nächsten Montag bereits mit dem nächsten Serienprojekt in einem Steilhang. Bärige Fitness und ein Talent der Zweiradbeherrschung wie es in diesem Ausmaß nur ganz wenigen Akteuren zu Teil wird, brachten Sala insgesamt fünf Weltmeisterschaften (1993, 1994, 1995, 1998 & 1999), die begehrte Goldmedaille im „Team Italia“ und einen dauerhaften Platz in der Racing Hall of Fame.

Giovanni Sala kann nur eines bis heute nicht sehr gut: nein sagen. Sala trat mutig nach vorne, als das spektakuläre Rally-LC8-Projekt ausgerufen wurde. Nach ersten Tests mit dem 200 km/h schnellen Wüstenexpress noch etwas weiß um die (unübersehbare) Nase, zeigte Gio sein ganzes Können auch auf XXL-Dakar-Etappen. Viele Jahre ging der unerschrockene Italo-Werksfahrer für die offizielle KTM Equipe an den Start, lieferte Etappensiege, wieder und wieder wertvollsten Entwicklungsinput und Rückendeckung unter anderem für Marc Coma.

Giovanni Sala, Marc Coma & Jordi Durán Rally Dakar 2005

Giovanni Sala, Marc Coma & Jordi Durán Rally Dakar 2005

„Si“ statt „no“ sprach der stämmige Sala dann auch, als zum ersten Mal das Wort „Erzberg“ fiel. Zu jenem Zeitpunkt auf dem fahrerischen Peak seiner Karriere, rang er dem unbeugsamen Eisenklotz in Österreich 1998 den Sieg ab.

Womit wir uns dem Thema „Waschmaschine“ nähern. Als hätte der multiple Champ Gio Sala nicht eh schon nahezu jeden Stein auf diesem Planeten mit dem Hinterrad persönlich umgedreht, blieb ein Kopfschütteln auch aus, als er 2006 gefragt wurde, ob er den Erzberg mit der 950 Super Enduro bestreiten würde. Wie beschrieben: immer da, wo Offroad und Gaudi ist, ist auch Sala. Dem Wahnsinn setzte Giovanni die Krone auf. Den Prolog des Erzbergrodeos mit einem 100 PS starken und fast 200 Kilo schweren Zweizylinder in Angriff zu nehmen, das trauen sich auch heute noch andere, aber mit einem solchen Gerät ernsthaft ins sonntägliche Red Bull Hare Scramble zu starten, das hat sich in dieser Form bislang nur einer getraut: Gio.

Giovanni Sala Erzberg 2006

Giovanni Sala Erzberg 2006

Die Geschichte könnte hier auch aus sein, hätte sich Gio an diesem Renntag mit der einzigartigen 950er nicht bis zum unfassbaren 12. Checkpoint in den Berg gefräst (bedeuten doch bereits die ersten Pflichtkontrollen des Massakers Jahr für Jahr das Aus für 80 Prozent aller Teilnehmer). Zu jenen Zeiten waren die Fahrer noch nicht mit Barcodes, sondern mit simplen Checkpoint-Lochkarten unterwegs. Als Geste seines Einsatzes überreichte der ordentlich gezeichnete Held Sala KTM Chef Stefan Pierer im Fahrerlager das glorreich gestempelte Dokument. Der sportbegeisterte Unternehmenschef wiederrum steckte mir die Karte mit den Worten „Herr Kuttruf, bringen Sie mir das heil in die Firma“ in die Hemdtasche. Kein Problem. Eine hübsche Aufgabe für die Marketingabteilung daraus etwas Gutes für die Kommunikation zu basteln, wir strickten Ideen zu einer Werbeanzeige für die Super Enduro oder ein huldigendes Händlerposter …

Aber was macht ein normaler Mensch, wenn er abends vom Erzberg heimkommt? Klar, sich in die Dusche und die Klamotten in die Waschmaschine stopfen. Dann ein kühles Bier. Zisch. Flash – Sala – Pierer – die Checkpointkarte – fährt es mir ins Hirn. F***. Hechtsprung zur Bosch, die Worte des KTM Vorstandsvorsitzenden bellen mit Lautstärke in meinen Ohren. Karte aus der Trommel gefischt. Halleluja, was ich kaum für möglich gehalten hätte, das Sala-Ticket hat den kurzen Waschgang überlebt! S-A-L-A – noch gut lesbar. Andernfalls hätte ich mich am Montagmorgen wohl nur schwer auf den Weg ins KTM Hauptquartier gemacht.

Fast wieder ein Jahrzehnt später, trifft man Herrn Sala immer noch häufig im Sattel einer EXC. Unter anderem ist er als Kommissar der FIM für die Strecken der Enduro-Weltmeisterschaft verantwortlich. Auch wenn der Körper – wie auch – nicht mehr der Frischeste ist, bewegt sich der 51-Jährige auch 2015 sicherer und natürlicher auf einem Motorrad als die Meisten von uns auf Füßen. Und das verschmitzte Lachen der Offroad-Legende ist breiter denn je.

Grande Gio!

Giovanni Sala 2015

Giovanni Sala 2015

Fotos: Giovanni Sala | www.ktmimages.com