Hier kommt die Moto2: Vom Aufstieg KTMs an die Spitze der MotoGP™

Alles orange. In einer weiteren ‚Premieren‘-Saison im Grand-Prix-Sport waren die Red Bull-Maschinen in der Moto2 nicht zu übersehen. Wir sprachen mit den Fahrern über ihre Reise.

Während das KTM-MotoGPTM-Projekt im Jahr 2017 regelmäßig in den Schlagzeilen zu finden war, fiel der Werkseinsatz in der mittleren Klasse weniger auf. Das hat sich in Phillip Island, Sepang und Valencia geändert. Miguel Oliveira beendete die letzten 3 Läufe der Moto2 auf Platz 1 und auch Brad Binder schaffte den Sprung aufs Podium. Die Geschwindigkeit seiner Entwicklung und die Resultate machten das Bike mit dem von WP Performance Systems entwickelten Rahmen nicht nur zum erfolgreichsten KTM-Asphalt-Rennmotorrad in diesem Jahr, sondern auch zu einem der wichtigsten Bausteine in der Erfolgsgeschichte von KTM. Mit insgesamt neun Pokalen beendete Oliveira die Meisterschaft auf dem dritten Rang.

Miguel Oliveira (POR, #44) & Brad Binder (RSA, #41) Valencia (ESP) 2017 © Gold and Goose

Man könnte fast sagen, dass die Moto2 für die KTM AG eine noch größere Herausforderung als die MotoGPTM darstellte: Mit dem Portugiesen und dem Südafrikaner hatte man sich zwei relative Anfänger ins Boot geholt, außerdem musste man mit einem brandneuen Fahrwerk arbeiten und lernen, wie die Dunlop-Reifen und der genormte 600-ccm-Motor zu handhaben waren. Die Lernkurve war jedenfalls steil. Der Einstieg in die MotoGPTM war eine große Sache und ein völlig neues Konzept. Das Team war dafür aber mit erfahrenen Fahrern und Technikern gut gerüstet. Und in der Moto2? Dort war es eher ein Glücksspiel.

Die mächtigen Kalex-Bikes herauszufordern (die Marke stellte die ersten neun Fahrer im Endklassement der Saison 2016) war alleine bereits eine große Herausforderung. Die Ingenieure von WP hatten aber gute Ideen, wie man Fahrwerk und Federung für maximalen Grip und minimalen Reifenverschleiß abstimmen konnte. Für den Rest waren die Fahrer zuständig und sowohl Moto3-Weltmeister Binder (der nach einem Armbruch, der drei weitere Operationen nötig machte, verzweifelt versuchte, seine Fitness und sein Selbstvertrauen wieder aufzubauen) als auch Oliveira, einer der intelligentesten Fahrer im Starterfeld, entwickelten sich schnell weiter.

Miguel Oliveira (POR) & Brad Binder (RSA) Barcelona (ESP) 2017 © Gold and Goose

„Am Anfang der Saison in Katar kam ich auf dem 20. Platz und circa vierzig Sekunden hinter dem Sieger ins Ziel und dann stehe ich bei den letzten drei Rennen am Podium – das ist ein großartiges Gefühl“, so ein erleichterter Binder in Valencia. „Wir haben dieses Jahr riesige Fortschritte gemacht und jedes Mal, wenn ich das Bike fahre, lerne ich etwas Neues dazu. Ich möchte unsere derzeitige Struktur beibehalten und jedes Wochenende etwas schneller werden.“

„Genau wie viele andere Teams haben wir während der Saison viel getestet und neues Material bekommen. Wir haben aber herausgefunden, dass das eigentliche [Basis-] Motorrad ganz gut funktioniert“, so Miguel. „Lediglich die Frontverkleidung wurde für die Hände modifiziert. Und das war‘s eigentlich schon! In den ersten Rennen fehlte uns noch der Speed und wir hatten Probleme damit, zu verstehen, wie die neuen Reifen mit viel Kraftstoff, beim Flattern, bei Vibrationen und am Ende des Rennens funktionieren. Wir haben uns das Bike von vorne bis hinten und von oben bis unten angesehen, um herauszufinden, was wir machen können. Am Ende der Saison – ja eigentlich schon vorher – hätte ich ein Rennen gewinnen können, schaffte es aber nie. Dann kam es mir fast seltsam vor, als ich gewann und Brad Zweiter bzw. Dritter wurde. Für alle anderen war es wie ein Alarmsignal und viele sagten ‚KTM hat etwas, was wir nicht haben …‘, aber durch das Fahren mit den anderen Jungs auf der Strecke habe ich das Gefühl bekommen, dass wir ein wettbewerbsfähiges, aber kein überlegenes Bike haben.“

„Das Bike hat sich seit Saisonbeginn nicht stark verändert“, bestätigt Binder. In der Moto2 sichert das Reglement technisch gleiche Voraussetzungen. „In den letzten paar Rennen ist mir aufgefallen, dass wir zwar mit dem Setup herumspielen, dann aber doch immer wieder zur Basis-Abstimmung zurückgehen. Als Miguel die ersten Rennen gewann, wurde auch ich schneller und das hat unsere Gegner hellhörig gemacht. Aber ganz ehrlich – das Bike ist weitgehend unverändert geblieben.“

Brad Binder (RSA) Valencia (ESP) 2017 © Gold and Goose

Wenn die Saison 2017 eines bewiesen hat, dann, dass KTM in jeder Klasse des Grand-Prix-Sports eine ernstzunehmende Kraft ist. KTMs Abschneiden in der Moto3 – das gibt selbst Pit Beirer zu – war ein „Desaster“, man arbeitet aber bereits daran, das Paket für 2018 zu verbessern. Nichtsdestotrotz waren der Erfolg des Red Bull MotoGP Rookies Cup, die Macht der KTM-Motorräder in der Moto3 und die Tatsache, dass das Team in der MotoGPTM einen Rückstand von 2,5 Sekunden pro Runde auf weniger als eine Sekunde reduzieren konnte, verblüffend. Die Triumphe in der Moto2 waren die perfekte Ergänzung dazu und zeigten, dass die Spezialisten von WP wissen, wie man einen wettbewerbsfähigen Rahmen baut, und dass KTM zwei besondere Rennfahrer unter Vertrag hat, die alles versuchen werden, um 2019 in die MotoGPTM ‚befördert‘ zu werden. „KTMs Ziel ist, im Jahr 2018 um den Titel mitzufahren. Dass wir aber bereits heuer so gute Resultate erzielen würden, damit hat niemand gerechnet“, gibt Oliveira zu. „Wie bei jedem anderen neuen Projekt auch, legt man einfach mal los und weiß nicht, was einen erwartet. Früher oder später entdeckt man dann das Potential und in dieser Saison gelang das sehr früh.“

„Irgendwie haben sie mehr Grip gefunden und das in einen momentanen Vorteil verwandelt“, sagte der Weltmeister von 2017, Franco Morbidelli, nachdem er den KTMs am Ende der Saison nachjagen musste. „Die Kalex hat mit frischen Reifen viel Grip und lässt dann nach, aber nicht so stark wie ihr Bike. Miguel war das ganze Jahr über sehr schnell, hat aber seit Australien noch einmal zugelegt.“

Miguel Oliveira (POR, #44) & Franco Morbidelli (ITA, #21) Valencia (ESP) 2017 © Gold and Goose

Genau wie in der Moto3 im Jahr 2012 hat das KTM-Team in der Moto2 bewiesen, dass mit ihm zu rechnen ist. Die Aufstellung könnte unterdessen ordentlich durcheinandergewirbelt werden, wenn in einem Jahr der Motorhersteller gewechselt wird. Die Weichen sind jedenfalls gestellt, um besondere Talente aufzubauen und ganz nach oben zu bringen.

„Wir haben unsere eigene Strategie für junge Fahrer und seit wir uns auch in der Moto2 und MotoGPTM engagieren, fügt sich alles zusammen“, so Beirer. „Wir unterstützen den Rookies Cup jetzt schon seit mehr als zehn Jahren und er bringt Rennfahrer am laufenden Band hervor. Manchmal ärgert es uns richtig, diese Fahrer aufzubauen und dann nicht die Chance zu haben, sie selbst unter Vertrag zu nehmen. Jetzt haben wir ein Moto3-Projekt mit fünfzehn Motorrädern für die nächste Saison und ein Moto2-Team, das im engen Kontakt mit unseren Fahrern steht. So hoffen wir, eines Tages einen Rookie auf einem MotoGPTM-Bike zu sehen. Darauf zielt unser Programm ab.“

„Red Bull stellt sowohl das Junioren-Team als auch das beste Team in der Formel 1 und ich glaube, das könnte ein guter Plan für die MotoGPTM sein. So könnte man etwa zwei Jahre lang lernen, wie alles funktioniert“, spekuliert Oliveira. „Wir sind dementsprechend vernetzt, obwohl sich neben KTM auch eine andere Abteilung – WP nämlich – um das Moto2-Projekt kümmert. Im Grunde ist alles vernetzt. Ich fühle mich in diesem Projekt ‚sicher‘, da ich vielleicht einmal da oben [in der MotoGPTM] landen könnte.”

„Ich schätze mich glücklich, genau zum richtigen Zeitpunkt bei Red Bull KTM angeheuert zu haben“, sagt Binder. „Nach meinen guten Leistungen in der letzten Moto3-Saison bot das neue Team hier in der Moto2 das perfekte Sprungbrett für mich. Es war einfach großartig, auch weil ich jetzt mehr oder weniger von denselben Leuten umgeben bin. Wir sind wie eine Familie und ich freue mich immer riesig, an die Rennstrecke zurückzukommen. Außerdem erleichtert es die harte Arbeit.“

Miguel Oliveira (POR) & Pit Beirer (GER) Sachsenring (GER) 2017 © Philip Platzer

Während Beirer in Valencia versichert, dass KTMs Rennabteilung ihr Engagement in den anderen Disziplinen wie Motocross, Supercross, Enduro und Rally – wo sie Sieg um Sieg einfährt – nicht zurückfahren wird („nicht einmal um 1 %“, wie der Deutsche betont), besteht kein Zweifel daran, dass die Fähigkeiten und der Einsatz des Munderfinger Werks den Straßenrennsport bei KTM deutlich vorangebracht haben. Wer weiß, wozu das Werk noch fähig ist?

Fotos: Gold and Goose | Philip Platzer
Video: Ajo Motorsport