Interview des Monats #1: Kurt Trieb – KTM-Power-Lieferant

Interview mit Kurt Trieb, dem leitenden Motorenentwickler des KTM-Motorsports.

Power ist das A und O. Im Jahr 2017 kehrt KTM mit der RC16 wieder mit voller Kraft zurück in die Welt der MotoGP, und die neue Grand-Prix-Maschine muss eine ordentliche Leistung hinlegen, um unter den Besten der Besten ganz vorn mitmischen zu können. In einem Interview mit dem KTM BLOG lüftet Kurt Trieb, leitender Motorenentwickler des RC16-Projekts, ein paar technische Geheimnisse über das neue Kraftpaket.

Kurt Trieb (GER) 2015

Kurt Trieb (GER) 2015

Wenn man Kurt Trieb so im neuen KTM-Motorsport-Gebäude sitzen sieht, wird schon auf den ersten Blick klar, dass er das genaue Gegenteil des V4-Motors der RC16 ist, dem ohrenbetäubenden Modell, das am Red Bull Ring beim Großen Preis von Österreich im August erstmals – und im wahrsten Sinne des Wortes – aufhorchen ließ. Kurt Trieb sieht nicht aus, wie jemand, der Wert auf brutale Power und einen aufheulenden, unüberhörbaren Auspuff legt. Der in Deutschland geborene Leiter des Motorenentwicklungsteams ist vielmehr ein höflicher, ruhiger Mensch, der eigentlich gar nicht so gern im Mittelpunkt steht.

Nach seinem siebenjährigen Maschinenbaustudium an der Universität Stuttgart hat Kurt als Motorenentwickler bei Porsche, Rotax und BMW gearbeitet, bevor er 2003 zur Motorsport-Abteilung von KTM stieß, wo er heute unverzichtbar ist.

Die Grand-Prix-Welt ist dem 54-Jährigen nicht fremd, schließlich hatte er schon die Entwicklung des 990ccm-MotoGP-Motors von KTM geleitet, der 2005 bei einigen Rennen zum Einsatz kam. Seitdem hat er den führenden KTM-Motocross-Maschinen noch einmal zu enormem Auftrieb verholfen und bescherte KTM 2012 eine beeindruckende Rückkehr in den Grand Prix-Sport mit der Originalversion des Moto3-Motors, das Herz der RC 250 GP.

Kann man sagen, dass für die Rückkehr von KTM in die MotoGP quasi der Staub vom 990er Motor gepustet wurde, der bereits 2005 mit dem Team KR zum Einsatz kam?
„Nein, das stimmt nicht. Wir haben den Motor komplett neu entwickelt, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen, die wir 2005 gemacht haben. Trotzdem muss man sich natürlich auch das alte Modell ansehen. Ich fand es aber richtig gut, wieder so ein Projekt in Angriff zu nehmen, und es schadet natürlich nicht, wenn man schon eine gewisse Erfahrung mitbringt!“

Warst du mit dem ersten MotoGP-Motor von KTM zufrieden?
„Das war ein starker Motor, der gar keine Chance hatte, sein Können richtig unter Beweis zu stellen. Natürlich hatten wir mit dem ursprünglichen Motor einige Probleme. Das war damals eine andere Zeit, wir bauten die ersten fünf Motoren und fuhren dann damit Rennen. Das war total verrückt! Heute folgen wir einem ausgefeilten Kontroll- und Entwicklungsplan.“

Warum hat sich KTM wieder für einen V4-Motor entschieden?
„Viele Vorteile im Zusammenhang mit der Motorleistung und der Zuverlässigkeit der mechanischen Konstruktion sprechen für einen V4-Motor. Ich habe bereits viel mit Reihenvierzylindern gearbeitet und kenne die Probleme, die damit einhergehen. So oder so war mir also jede Entscheidung recht. Ein Reihenvierzylinder galt nicht gerade als KTM-typisch. Letztendlich wurde gar nicht so sehr darüber diskutiert, welche Konfiguration wir haben wollten, sondern eher darüber, in welchem Winkel das V ausgeführt werden soll. Bei einem größeren Winkel etwa braucht man keine Ausgleichswelle. Solche Fragen beschäftigten uns eher.“

Wir schwierig ist es, einen MotoGP-Motor zu bauen?
„Oh, auf jeden Fall schwierig! Ich kann das jetzt hier nicht alles im Detail ausführen (lacht). Aber es gibt so Einiges, was man beim Bau eines MotoGP-Motors beachten muss. Der Bohrungsdurchmesser etwa darf nicht größer sein als 81 mm. Es macht also wenig Sinn, einen Motor für bis zu 20.000 U/min auszulegen, wenn die Ventilgrößen dafür einfach viel zu klein sind. Daraus ergibt sich per se schon eine Höchstdrehzahl des Motors für diese Bohrungsgröße, die irgendwo zwischen 16.500 und 18.000 U/min liegt. Wir liegen genau in diesem Bereich, wollen aber darüber hinaus auch gute Leistungseigenschaften erzielen. In der langsamsten Kurve in Jerez beispielsweise sackt die Motordrehzahl auf 5.000 U/min ab. Liegt die maximale Leistung bei einer Drehzahl von, sagen wir, 17.500 U/min, muss man einen breiten Leistungsbereich für alle Fahrstrecken berücksichtigen. Unser erster 990er GP-Motor brachte seine Leistung eigentlich erst über 8.000 U/min so richtig zur Geltung, was ein echtes Problem war. Das haben wir nun behoben.“

KTM RC16 Aragón (ESP) 2016

KTM RC16 Aragón (ESP) 2016

Wie ist die MotoGP-Abteilung im Hinblick auf die Motorenentwicklung aufgestellt?
„Im Bereich Factory Racing wird eine Vielzahl von Projekten bearbeitet, aber ich bin für die Motorenentwicklung zuständig und wir sind ein fünfköpfiges Team. Ein weiteres, größeres Team kümmert sich um Entwicklung und Werkstatt. Der Vorteil, all diese Projekte zentral bei Factory Racing zu bearbeiten, liegt darin, dass man so manche Erkenntnisse aus anderen Projekten für die Arbeit im MotoGP-Bereich nutzen kann. So können wir beispielsweise von dem profitieren, was wir in der Moto3 über Verbrennungsprozesse und die Ventiltriebkonfiguration gelernt haben.“

Werden KTM-Kunden im Street-Segment vom KTM-MotoGP-Motorprofitieren?
„Du meinst, ob sich die Technologie übertragen lässt? Mmh, das ist nicht so leicht zu beantworten. Wenn wir keinen V4-Motor herstellen, dann wohl eher nicht. KTM hat so viel Erfahrung mit Einzylindern, vor allem auf einem so hohen Niveau im Motocross und in der Moto3, dass dies definitiv auch anderen Produkten zugutekommt. Ich bin gespannt, wie lange es dauert, bis Technologien wie die komplett stufenlose Übertragung in der Serienfertigung von Motorrädern Anwendung finden. Allzu schwer dürfte das nicht sein. Es gibt Doppelkupplungssysteme, die zwar nicht so einfach herzustellen sind, aber im Grunde handelt es sich um die gleiche Technik mit einem ähnlichen Hauptproblem.“

Apropos Moto3: Deine Aufgabe war der Bau des ursprünglichen, so erfolgreichen Motors.
„Ja, aber mit Moto3 habe ich nicht mehr so viel zu tun; da kümmert sich jetzt ein anderes Team um die Entwicklung und die Rennen. Ich versuche, den Stand der Entwicklung immer im Auge zu behalten. Das soll jetzt nicht abwertend klingen, aber was den Motor anbetrifft, ist uns für das nächste Jahr überraschenderweise ein großer Fortschritt gelungen. Ich dachte, wir hätten das Ende der Fahnenstange bereits erreicht. Aber es ist uns gelungen, noch mehr Potenzial auszuschöpfen, so dass wir dem Jahr 2017 zuversichtlich entgegensehen. Du siehst also, KTM ist im Bereich Moto3 alles andere als untätig geblieben, und durch die ständige Weiterentwicklung ist uns ein echter Quantensprung für die nächste Saison gelungen, auf den wir alle schon sehr gespannt sind.“

KTM RC16 Spielberg (AUT) 2016

KTM RC16 Spielberg (AUT) 2016

Wie sieht es mit der Lärmemission des RC16-Motors aus?
„Wir haben zunächst Schalldämpfer vorgesehen, die den Fahrern das Leben erheblich einfacher und komfortabler machen. Aber alle sind der Meinung, dass der Motor lauter sein soll. So wichtig ist das jetzt aber auch wieder nicht. Vom ursprünglichem Motor hätte ich wahrscheinlich trotzdem Hörschäden bekommen!“

Wie viel Leistung muss ein MotoGP-Motor aufbringen?
„Ducati hat den leistungsstärksten Motor, während beispielsweise Yamaha einen weniger leistungsstarken Motor einsetzt. Und wer macht das Rennen? Yamaha. Man muss genau das richtige Maß finden, so dass das Bike auf allen Strecken schnell ist, überall gute Rundenzeiten erzielt und dem Fahrer ein gutes Gefühl gibt.“

Was sagen die Fahrer zum RC16-Motor?
„Das Feedback ist positiv, vielleicht ein bisschen zu positiv! Zwischen den Tests Anfang des Jahres gab es eine kleine Unterbrechung. Vorher hatte Mika (Kallio) gesagt, dass sich der Motor beim Aufdrehen des Gasdrehgriffs sehr aggressiv anfühlte. Seitdem haben wir drei Tests absolviert (in Brünn, Mugello und Jerez), und dabei hatte er schon ein besseres Gefühl. Liegt das jetzt daran, dass die Elektronik verbessert wurde, oder hat sich Mika einfach nur mehr an die Power des Motorrads gewöhnt? Ich finde, der Fahrer muss spüren, dass sich beim Aufdrehen des Gasgriffs immer noch genug und noch mehr Leistung aus der Maschine herausholen lässt. Die Erfahrung hat mich gelehrt, dass Fahrer, die von einem geschmeidigen oder leicht zu kontrollierenden Motorlauf sprechen, es oft mit einem langsamen Motor zu tun hatten! Wir aber wollen schnell sein. Wir müssen auf allen Strecken schnell sein und dem Fahrer zugleich das bestmögliche Feedback geben. Das bedeutet, einen Kompromiss einzugehen, an dem wir allerdings hart gearbeitet haben.“

Mika Kallio (FIN) KTM RC16 Aragón (ESP) 2016

Mika Kallio (FIN) KTM RC16 Aragón (ESP) 2016

Fotos: KTM