Interview des Monats: Der Mann hinter den Offroad-Motoren

Seit Jahren hat Michael Viertlmayr großen Einfluss auf die Entwicklung der KTM-Offroad-Motoren.

Er arbeitet bereits seit beinahe 11 Jahren für KTM und zeichnete als Projektleiter für jenen Motor verantwortlich, der dem österreichischen Hersteller den ersten Supercross-Erfolg einbrachte. Die jüngste Herausforderung für Michael Viertlmayr, Head of Engine Offroad and Motocross bei KTMs Forschungs- und Entwicklungsabteilung, war jedoch eine ganz besondere – galt es doch, die weltweit ersten in Serie produzierten 2-Takt-Offroad-Wettbewerbsmotorräder mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung zu den Händlern in aller Welt zu bringen.

Michael Viertlmayr (AUT) 2017

Mit 12 begann Viertlmayrs Faszination für Motorräder, was einem Cousin zu verdanken ist, der Motocross- und Supermoto-Rennen fuhr. Mit 16 – als er sein erstes Moped bekam und alles aus ihm herauskitzelte, um mit seinen Freunden herumzufahren – begann er damit, Motoren zu modifizieren und zu tunen.

„Mit 18 besaß ich bereits meine erste KTM – eine 500 LC4 Baujahr 1991 mit einem aufgebohrten Zylinder. Vielleicht sollte ich das nicht sagen, aber sie war auch getunt (lacht). Dieses Motorrad fuhr ich ein Jahr lang. Danach kaufte ich mir eine 250er-2-Takt und fing an, öfter Enduro zu fahren. Von diesem Zeitpunkt an nahm ich an Rennen in Österreich und einigen Meisterschaften teil – es war eine aufregende Zeit. Fast immer trat ich mit einer KTM an. Man könnte also sagen, dass ich seit 22 Jahren ein Fan der orangefarbenen Marke bin“, so Viertlmayr.

Ursprünglich aus Niederösterreich stammend, verließ der passionierte Motorentuner die Oberstufe für ein Jahr, um seinen Wehrdienst abzuleisten, und schrieb sich dann im Fach Maschinenbau an der Technischen Universität Wien ein. Im Jahr 2005 machte er seinen Master. Ein Jahr lang arbeitete der Österreicher an den Prüfständen der Universität, bevor er die Chance beim Schopf packte, bei KTM als Projektleiter für die zu jener Zeit (2006) produzierten ATV-Motoren anzufangen. Lediglich 12 Monate später leitete Michael bereits das erste Motorrad-Projekt – den 70-Grad-Husaberg-Motor.

„Mir wurde viel Verantwortung übertragen; ich konnte mich glücklich schätzen, diesen Job zu haben. Ich habe buchstäblich mein Hobby zum Beruf gemacht – manchmal muss man einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein und nach acht Jahren Studium war es die perfekte Chance für mich.“

„Nach dem Husaberg-Projekt arbeitete ich am Basismotor der 450er-/500er-Modelle von KTM. Zu jener Zeit munkelte man bereits, dass KTM sein Engagement in der US-Supercross-Serie verstärken wollte, aber uns fehlte immer noch der passende Motor dazu. Die Motoren mit zwei obenliegenden Nockenwellen jener Zeit waren ziemlich schwer und kompliziert, was bedeutete, dass wir einen anderen Basismotor konzipieren mussten. Ich war davon überzeugt, dass wir einen leichten, weniger komplizierten Enduro-Motor zu einem Motocross-Motor umbauen sollten. Und genau einen solchen Motor lieferten wir 2013 ab und Ryan Dungey begann sofort, uns sein Potential zu zeigen. Seitdem gewannen wir mit dieser Basis viele Rennen, was uns sehr stolz macht“, erklärt Viertlmayr.

Ryan Dungey (USA) KTM 450 SX-F Las Vegas (USA) 2017

Die Probleme zu lösen, die entstehen, wenn ein Motor von der Entwicklungs- in die Produktionsphase übergeht, stellt wohl die größte Herausforderung im Entwicklungsprozess dar. Immer wieder muss man mit schwierigen Situationen fertig werden. In jüngster Zeit konzentrierte man sich bei KTM natürlich besonders auf die Entwicklung der 2-Takter mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung. Es gab Bedarf, sie musste funktionieren und sie musste dieses Jahr auf den Markt gebracht werden. Selbstredend musste sie auch READY TO RACE sein.

Die Fülle an Hubräumen und Modellen in KTMs Offroad-Reihe hält die in Mattighofen stationierte Forschungs- und Entwicklungsabteilung ständig auf Trab. Der dreijährige Produktzyklus der einzelnen Motorenfamilien bedeutet, dass die vier Projektleiter in Viertlmayrs Entwicklungsabteilung für Offroad-Motoren immer alle Hände voll zu tun haben. Nach einer 13-jährigen Entwicklungszeit markiert die Serienreife der 2-Takt-TPI-Maschinen natürlich einen wichtigen Meilenstein für KTM.

Michael Viertlmayr (AUT) 2017

„Dieses Motorrad nun in Serie zu produzieren, ist ein großartiges Gefühl. Es ist das Resultat großer Anstrengungen des gesamten Teams und unser Dank gilt dem Projektleiter Bernd Holzleitner, dessen Aufgabe es war, die passende Motorbasis für die TPI-Modelle zu finden. Ich muss dem Team wirklich großes Lob aussprechen. Meine Rolle beschränkte sich nämlich darauf, das Ganze ins Rollen zu bringen, die richtigen Leute zum richtigen Zeitpunkt an einen Tisch zu bekommen, um die Themen zu diskutieren, und vielleicht habe ich noch mehr oder weniger die grobe Richtung vorgegeben. Die echte Arbeit wurde aber vom eigentlichen Team geleistet. Und die EMS-Jungs haben fantastische Arbeit geleistet – Michael Derntl, Phillipp Indlekofer und Stefan Spatzenegger haben wirklich Großes vollbracht.“

„Wir entschlossen uns dazu, mit den meistverkauften 2-Taktern zu beginnen, um die Homologation zu erreichen. Dennoch denken wir bereits über andere Hubräume und sogar neue Modelle nach, bei denen wir diese Technologie einsetzen können. Noch sind keine Entscheidungen für die Zukunft gefallen und wir müssen abwarten, in welche Richtung die Regeln im Motocross- und Enduro-Sport gehen.“

„Das erste Feedback zu den EXC-TPI-Maschinen von KTM bei der Vorstellung am Erzberg war überwältigend und wir denken über viele Einsatzmöglichkeiten nach. Unser Ziel war es, bei der Performance zumindest mit den Vergaser-Modellen gleichzuziehen, sie aber – dank der Möglichkeiten der elektronischen Kraftstoffeinspritzung – bei der Fahrbarkeit zu übertreffen, ohne den typischen 2-Takt-Geruch und -Antritt sowie den READY TO RACE-Anspruch zu opfern.“

KTM EXC TPI Erzberg (AUT) 2017

Wie Viertlmayr klarstellt, zielte man in Sachen Motivation natürlich darauf ab, sicherzustellen, dass die Motorräder bereits im Serienzustand READY TO RACE sind. Wie bei allen Modellen, hat auch bei der Entwicklung aller Offroad-Modelle die enge Verbindung zum Motorsport Priorität.

„Natürlich treiben uns unsere Erfolge auf der Rennstrecke an – die Gänsehaut, die wir bekommen, wenn wir unseren Fahrern am Fernseher beim Gewinnen zusehen. Am Wochenende sehen wir uns vielleicht Supercross oder MXGP an und wenn alle am Montag wieder im Büro sind, gibt es kein anderes Gesprächsthema – das schweißt nicht nur das Team zusammen, sondern motiviert uns auch, wettbewerbsfähige Motoren zu bauen, denn unsere Rennmotorräder unterscheiden sich nicht besonders stark von den Serien-Bikes. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Rennteams – sie sind unsere Freunde und wir haben ein wirklich enges Verhältnis zu ihnen!“

Zum Schluss fragten wir Michael noch, welches Motorrad er kaufen würde, wenn er freie Wahl hätte.

„Da ich nicht mehr auf der Straße fahre, fiele meine Wahl wohl auf die KTM 300 EXC TPI oder die KTM 500 EXC-F!“ Es zeigt sich also, dass er eine Schwäche für jede Menge Power hat!

Fotos: KTM