Interview des Monats: Es war harte Arbeit – Laia Sanz und ihre Entschlossenheit bei der Dakar

Im Gespräch mit Laia Sanz haben wir unglaublich viel Talent, eine unglaubliche Einstellung und unglaubliche Entschlossenheit kennengelernt. Das spanische Ass – eine echte Dakar-Heldin – hat alle Stereotypen Lügen gestraft und sich zu einer der meistgeachteten Rallye-Rennfahrerinnen der Welt entwickelt.

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY 2018 © Marcin Kin

Die Dakar ist hart, zermürbend und herausfordernd – um im gefährlichen Terrain dieses Motorradrennens zu bestehen, braucht man hervorragendes Fahrkönnen und große körperliche Ausdauer. Mit ihren extremen Bedingungen und der Herausforderung, sich nur mit einem aufgerollten Stück Papier seinen Weg durch tausende Kilometer Wegstrecke zu bahnen, ist die Dakar die ultimative Prüfung für die Offroad-Fahrkünste der Fahrer.

Laia Sanz vom KTM Factory Racing Team gehört zu den wenigen Menschen, die jede Dakar, bei der sie angetreten sind, beendet haben (bis jetzt acht). Und während sie bei den Frauen sowieso die Spitze darstellt, konnte sie auch im Gesamtklassement Plätze in den Top 10 und 15 feiern, was für jeden Starter eine herausragende Leistung darstellt. Die fünffache Enduro-Weltmeisterin arbeitet immer hart und steckt mitten in den Vorbereitungen für die Dakar 2019 (das wichtigste Rennen des Jahres) und in den letzten Monaten einige Rallyes und Enduro-Events absolviert.

„Letztes Jahr habe ich hart trainiert und ein bisschen Gewicht verloren. Ich verbrachte viel Zeit im Fitnesscenter und am Fahrrad und trainierte viel mit dem Enduro- und dem Rallye-Bike. Meiner Meinung nach kannst du dich bei der Dakar nicht auf eine Sache konzentrieren, du musst als Athlet vielmehr komplett sein. Dein Geist muss klar und dein Körper in einer guten Verfassung sein“, so Laia auf die Frage, was einen guten Dakar-Rennfahrer ausmacht.

„Letztes Jahr hatte ich einen Trainer, mit dem ich täglich im Fitnesscenter gearbeitet habe, der mir aber auch mit den Bikes und dem Van zuhause half, sodass ich mich etwas mehr auf das Training und die Ruhephasen konzentrieren konnte. So muss ich nach dem Training mein Bike nicht mehr selbst waschen und warten – vorher musste ich all das auch noch selbst erledigen, wodurch ich ständig beschäftigt war.“

„Im Fitnesscenter mache ich Kraft- und Ausdauertraining, dann fahre ich noch Fahrrad und Ski – letztes Jahr habe ich wirklich hart gearbeitet und so ab Juni wird es wieder Zeit, mit der harten Arbeit zu beginnen. Natürlich habe ich auch in der Zwischenzeit trainiert, jetzt muss ich aber noch einen Gang zulegen. Von nun an bis zur Dakar muss ich hart arbeiten, etwas Gewicht verlieren und für die Dakar bereit sein, wenn es darauf ankommt – ich kann nicht die ganze Saison absolut auf der Höhe sein, das wäre verdammt anstrengend. Die Dakar ist das wichtigste Rennen und darauf will ich bestmöglich vorbereitet sein.“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY Desafio Ruta 40 (ARG) 2018 © Marcin Kin

Letztes Jahr kämpfte Sanz um einen weiteren Enduro-Weltmeistertitel, vom schwereren Rallye-Bike auf eine KTM 350 EXC-F umzusteigen, ist auf so hohem Niveau aber keine leichte Aufgabe. Heute nimmt die KTM-Fahrerin an nationalen Enduro-Events in Spanien teil, um fit zu bleiben. Diese Events bieten dafür ideale Voraussetzungen, da ein Rennen in der Enduro2-Klasse rund acht Stunden dauert – ein perfektes Training für die Rallye-Veranstaltungen. Mit diesem Programm fühlt sie sich konzentrierter und entspannter. Wie kommt nun eine junge Frau zum Motorradfahren im Allgemeinen und dann zu Rallyes – eine der härtesten Disziplinen überhaupt und eine, die ein hohes Risiko mit sich bringt und hohe körperliche Fitness verlangt – im Besonderen? Die Antwort ist einfach: Die Liebe zu Motorrädern und eine Leidenschaft dafür, das Beste aus sich herauszuholen.

„Ich war vier Jahre alt und mein erstes Rennen bestritt ich mit sechs. Vor mir ist niemand in der Familie Rennen gefahren – mein Vater aber liebt Autos und Motorräder; er hatte Trial-Bikes zuhause und mein Bruder und ich begannen auf kleinen Bikes mit dem Fahren. Ich sah den beiden zu, wie sie am Wochenende mit den Motorrädern herumfuhren, und ich wollte auch mitfahren, war aber noch zu klein. Mit vier begann ich schließlich selbst mit dem Fahren und konnte mich ihnen anschließen.“

„Ich glaube, dass ich dieses Niveau mit harter Arbeit erreicht habe, aber auch aufgrund meiner Statur. Ich bin keine zierliche Frau, sondern ziemlich groß und stark – meine Körpergröße bedeutet auch, dass ich glücklicherweise lange Beine und einen stabilen Körper habe. Das half mir ungemein. Als kleines Mädchen wäre es recht schwierig, ein Rallye-Bike zu bewegen – mein Körperbau hilft, ich muss aber trotzdem hart arbeiten. Um mit den Männern mithalten zu können, muss ich mehr leisten, also versuche ich, fit zu bleiben, hart zu arbeiten und mental stark zu sein. Ich glaube, dass das viel mit deiner Persönlichkeit zu tun hat und natürlich machen dich auch deine Erfahrungen stärker – die Entschlossenheit ist Teil meines Charakters und etwas, womit ich geboren wurde. Ich bin hartnäckig und – wenn es darum geht, meine Ziele zu erreichen – vielleicht sogar etwas starrköpfig.“

Laia Sanz (ESP) Desafio Ruta 40 (ARG) 2018 © Marcin Kin

Es ist allgemein bekannt, dass Männer über größere Kraft, Ausdauer und sogar ein größeres Lungenvolumen verfügen. Laias technische Fähigkeiten, die sie sich früher auf dem Trial-Bike (sie hat auch in dieser Kategorie einen Weltmeistertitel vorzuweisen) erarbeitet hat, garantieren jedoch, dass sie auf dem Rallye-Bike nicht zu viel Energie in schwierigen Passagen vergeudet. Außerdem ist Sanz – mit ihrem ruhigen, präzisen Ansatz – auch beim Navigieren kaum zu schlagen, was ihr zu einem Vorteil gegenüber vielen Konkurrenten verhilft.

Dennoch ist die Dakar aufgrund ihrer extremen Kälte, gefolgt von extremer Hitze, der Seehöhe, den langen Tagen, dem Schlafentzug und der Müdigkeit für alle Teilnehmer hart. Alle Fahrer müssen mit der mentalen Herausforderung fertigwerden, um 3 Uhr morgens aufzustehen und unter diesen Bedingungen den ganzen Tag im Renntempo zu fahren, ohne nach vielen Stunden im Sattel die Konzentration zu verlieren – nur eine Sekunde der Unachtsamkeit kann katastrophale Folgen haben. Wir stellten Laia die Frage: Hast du dich schon einmal gefragt, warum du das alles eigentlich tust?

„Natürlich. Bei der Dakar fragst du dich oft, was du hier machst und warum du eigentlich hier bist. Ich könnte zuhause sein und einen normalen, sicheren und erfüllenden Job haben, bei dem ich mein Leben nicht aufs Spiel setzen muss. Am Ende durchs Ziel zu fahren, ist aber ein großartiges Gefühl, besonders, wenn du ein gutes Resultat erzielt hast. Dann weißt du, dass sich die ganze Arbeit während des Jahres und die ganzen Entbehrungen ausgezahlt haben – das fühlt sich einfach gut an. Die Monate vor der Dakar stecken voller intensiver Arbeit, mit der Logistik, der Vorbereitung und allem. Ich habe Glück, Teil des KTM Factory Racing Teams zu sein. Vorher musste ich mich selbst um alles kümmern und hatte nur ein paar Leute, die mir halfen, die Kisten aufzuladen, die Reifen vorzubereiten und so weiter. Ich bin für alles dankbar – für die ganze Arbeit, die dafür aufgewandt wird.“

Laia Sanz (ESP) KTM 450 RALLY Desafio Ruta 40 (ARG) 2018 © Marcin Kin

Laia Sanz ist eine beeindruckende Frau, eine Botschafterin für den Sport im Allgemeinen und eine Sportlerin mit einer treuen Fangemeinde. Es klingt wie ein Klischee, zu sagen, dass sie eine Frau ist, die sich in einer Männerwelt durchsetzt. Aber Laia zeigt, was man trotz körperlicher Nachteile mit Mumm und Entschlossenheit erreichen kann – sicherlich würden ihr die Männer, die sie im Rennen besiegt hat, zustimmen.

Laia konzentriert sich voll auf die Dakar 2019, die am 6. Januar startet. Dort wird sie auf ihrer KTM 450 RALLY-Werksmaschine neuerlich versuchen, ein Top-Resultat zu erzielen.

Fotos: Marcin Kin