Interview des Monats: Mark Webbers freier Tag

Mark Webber ist eine vielbeschäftigte Person. Als einer der schnellsten Männer weltweit auf vier Rädern, hat er einen vollen Terminkalender – auch wenn er gerade mal nicht für Factory Porsche Racing in der FIA World Endurance Championship in der LMP1-Klasse an den Start geht.

Zwischen Rennen, Testfahrten, Sponsorenterminen und Training, das ihn zu einem besseren Iron Man macht als Tony Stark, sucht sich Webber seine ‘freien Tage’ sehr genau aus und versucht, sie bestmöglich zu nutzen; sich selbst herauszufordern, aber nie den Spaß zu verlieren, am Besten Outdoor-Spaß.

Noch alles sauber. Webber und seine Enduro schütteln zu Beginn des Tages den Rost ab. © Luke Brackenbury

Noch alles sauber. Webber und seine Enduro schütteln zu Beginn des Tages den Rost ab. © Luke Brackenbury

Der Australier wuchs mit Dirt Bikes auf und hat erst kürzlich versucht, seine Offroad-Fahrkünste zu verbessern. Mit einer KTM 350 EXC-F Six Days in der Garage, bat Mark den KTM BLOG um die Empfehlung einiger Plätze, an denen er Enduro fahren könnte. Leider fand sich in der Nähe seiner Heimat in Buckinghamshire kein geeigneter Ort, aber wenn er nichts gegen eine kleine Reise hätte, wäre Ady Smiths Enduro-Schule die perfekte Location.

Offiziell von KTM UK unterstützt, ist der ehemalige Britische Enduro- und Supermoto-Meister zweifellos einer der besten Fahrlehrer und unter den zahlreichen Parks, die er betreibt, gehört der in der Nähe von Llangollen in Nordwales wahrscheinlich zu den atemberaubendsten Plätzen, um im Vereinigten Königreich Motorrad zu fahren. Ist aber leider nicht ganz so leicht zu erreichen …

„Kann ich dort mit einem Hubschrauber landen?“ fragt Mark, nachdem er unseren Vorschlag gehört hat. Erm … klar. Mit einem gemieteten Van mache ich mich auf die lange Fahrt nach Nordwales. Mark kann eine der EXCs von Adys Enduro-Schule nutzen, trotzdem habe ich eine weitere im Gepäck. Der einzige Nachteil an diesem Plan ist, dass ich selber fahren muss und meine Chance verpasse, nach einer Mitfahrgelegenheit in seinem Helikopter zu fragen. Mist …

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An einem wertvollen freien Tag eliminiert ein Helikopter die Gefahr, Zeit im Stau zu verlieren. © Luke Brackenbury

Das Wetter in Nordwales ist atemberaubend. Ich bin früh aufgestanden, um vor Mark hier zu sein, und bereue bereits das Frühstück an der Tankstelle auf dem Weg hierher. Ady verkündet, dass es der bisher beste Tag der Saison wird und während wir uns unterhalten, wird die Ruhe im Tal von einem heranfliegenden Helikopter unterbrochen. Ein ziemlich großer noch dazu.

Ich laufe zum Landeplatz, winke (enthusiastisch) mit meinen Armen und drücke (stumpfsinnig) immer wieder die kleine Lampe an meinem iPhone, um die Aufmerksamkeit des Piloten zu erregen. Nachdem meine Mütze von den Fallböen des Helikopters davon getragen wurde, entferne ich mich doch lieber ein Stückchen.

„Alles klar? Entschuldige, wir sind ein bisschen spät. Wir waren erst im falschen Tal, aber jetzt haben wir es gefunden. Ich habe auch meine Sandwiches mitgebracht, wie du gesagt hast“, erzählt Mark mit einem breiten Grinsen und einem festen Händedruck. Während wir uns begrüßen, hebt der gecharterte Helikopter (Mark hat eine Fluglizenz, ist aber nicht selbst zu unserem Treffen geflogen) ab und der Superstar wird zu einem ganz normalen Typ, der auf einer Farm aufwuchs und einfach Spaß am Endurofahren hat.

Webber working on his body positioning with Ady Smith (left).

Webber arbeitet mit Ady Smith (links) an seiner Körperhaltung. © Luke Brackenbury

Die Landschaft ist atemberaubend; kein Handysignal, nur ein paar perfekt vorbereitete EXCs und ein großer Vorrat an Tee und Kaffee wartet auf uns. Ady behandelt Mark wie jeden anderen Kunden (eine gute Sache) und lässt es zunächst langsam angehen, gibt ihm Zeit, sich wieder ans Fahren zu gewöhnen, beobachtet den neunfachen Formel 1-GP-Sieger und gibt ihm zwischendurch ein paar Ratschläge. Webber verarbeitet dieses Feedback mit computergleicher Effizienz und setzt Adys Übungen wie ein Elitesoldat in die Tat um. Und wie es sich für einen guten Mann gehört, lässt er keinen seiner Kameraden zurück und hilft mir nach zwei Stürzen immer wieder vom Boden auf.

Smith erklärt die richtige Kösperhaltung bei Gefälle, besonders schwierig bei rutschigem Gras an einem steilen Hügel! © Luke Brackenbury

Smith erklärt die richtige Kösperhaltung bei Gefälle, besonders schwierig bei rutschigem Gras an einem steilen Hügel! © Luke Brackenbury

Um Marks Rücken nicht weiter zu belasten, nachdem er mich und meine KTM 125 EXC Six Days im Laufe des Vormittags mehrfach aufgesammelt hat, entscheide ich mich, am Nachmittag nicht zu fahren, dafür aber die Gelegenheit zu nutzen, und Mark während seiner wohlverdienten Sandwichpause ein paar Fragen zu stellen.

No need for a breather, but enjoying some sandwiches.

Kein Grund für eine Verschnaufpause, aber die Sandwiches schmecken trotzdem. © Luke Brackenbury

Beschreibe dein bisheriges Jahr …
„In der WEC gab es bisher drei Rennen; davon habe ich zwei angeführt, bis ich in einem Rennen von einem technischen Problem und beim anderen von einer Strafe gestoppt wurde. Aber die 24-Stunden von Le Mans liefen für Porsche richtig gut. Mein Team lag auf dem zweiten Platz, insgesamt fuhr unsere Mannschaft auf die Plätze 1 und 2. Bisher war es also eine gemischte Saison, aber mein Ziel ist es nach wie vor, ganz oben auf dem Podium zu stehen.“

Außerhalb des Jobs, was war dein bester motorisierter Moment im Jahr 2015?
„Auch privat war ich viel unterwegs und habe einiges unternommen. Ich habe eine Rallyschule in Finnland besucht und war ein bisschen Motorrad fahren, unter anderem auch in Dubai mit Heinz Kinigadner, David Coulthard und Sam Sunderland. Heute bin ich auf Ady gespannt. Zwischendurch habe ich meine Fluglizenz gemacht und bin viel mit dem Helikopter geflogen, einem AS 350 B2. Es ist nicht meiner, aber ich habe meine Lizenz mit etwa 120 Flugstunden gemacht.“

Was reizt dich daran, einen Helikopter zu fliegen?
„Man braucht wahnsinnig viel Disziplin. Es ist eine große mentale Herausforderung. Wenn du fliegen lernst, dann schert sich niemand darum, wer du bist oder was du vorher gemacht hast. Wenn du etwas nicht richtig machst und dich in einem Bereich verbessern musst, dann sagt man dir das. Es gibt so viele Bereiche, in denen man sich auskennen muss – Navigation, Funk, Bedienung und Wartung des Helikopters. Für mich ist es eine großartige Sache. Ich fliege sehr gerne, aber man darf nie vergessen, dass man in einer Maschine sitzt, trotzdem ist der Adrenalinschub unglaublich.“

Welcher war dein schlimmster Motorsportmoment in diesem Jahr?
„Das erste WEC-Rennen – die 6-Stunden von Silverstone. Nachdem ich im Qualifying auf die Pole Position und einen Vorsprung von mehr als 20 Sekunden rausgefahren hatte, musste ich mit einem Getriebeproblem aufgeben; ziemlich ungewöhnlich, denn normalerweise halten diese Autos den Belastungen ohne größere technische Probleme über einen langen Zeitraum stand. Das war ein schwieriger Moment.“

Alltag: Webber fährt für Porsche in der LMP1-Klasse der FIA World Endurance Championship. © Red Bull Content Pool

Alltag: Webber fährt für Porsche in der LMP1-Klasse der FIA World Endurance Championship. © Red Bull Content Pool

Welche sind deine Top 3 Motorsportevents – egal, ob zwei oder vier Räder – die jeder mindestens einmal gesehen haben muss?
„1. MotoGP in Mugello, wenn Valentino fährt. Ich war vor drei oder vier Jahren dort und es war einfach italienisches Chaos – und ich meine das auf eine positive Weise! Die Strecke ist großartig, erfordert viel Mut und es gibt so viele gute Stellen, an denen man das Rennen beobachten kann. Ich habe den allergrößten Respekt vor den Fahrern. Die italienischen Fans und ihre Leidenschaft für die italienischen Fahrer und Motorräder ist etwas besonderes, sie sorgen für eine chaotische, aber einzigartige Veranstaltung. Das sollte man unbedingt mal erlebt haben.

2. Goodwood Festival of Speed – Lord March und sein Team stellen jedes Jahr ein ganz besonderes Event auf die Beine, dieses Jahr lag der Fokus auf Zweirädern; so viele Weltmeister waren vor Ort. Für die Fans gibt es keine bessere Chance, um ganz nah an die Fahrer, Autos und Motorräder heranzukommen.

Viele Events sind eher langweilig, aber Goodwood ist für aktive wie ehemalige Profis ein Highlight. Nach dem Event stehen wir zusammen und unterhalten uns über dieses tolle Erlebnis. Für uns ist es ein Privileg, daran teilnehmen zu können.

Keiner von uns wird dafür bezahlt, dort zu sein; wir kommen aus Respekt für das Event und den Einsatz von Lord March, der jedes Jahr eine unglaubliche Veranstaltung organisiert.

Es gibt dort keine „Spaßpolizei“. Das Event kann sich einfach entwickeln, niemand versucht es zu kontrollieren.

3. Isle of Man TT – allein der Mut, der nötig ist, um die rund 60 Kilometer bei dieser Geschwindigkeit zu fahren, ist unglaublich. Ich finde es gut, dass sich das Rennen grundsätzlich nicht verändert hat; die Strecke ist nach wie vor einzigartig, nur die Fahrer und Motorräder sind moderner geworden.“

Du bist mit dem 23-fachen TT-Sieger John McGuinness befreundet. Würdest du mit ihm eine Runde als Sozius auf der Isle of Man fahren?
„Erm … Gott. Ich denke [lange Pause], es wäre schon eine Möglichkeit. Natürlich müssten wir vorher ein langes Gespräch führen. Ich vertraue John zu 100% und ich bin mir sicher, er würde das gut machen. Aber abseits von Johns Talent gibt es so viele Variablen, die er nicht beeinflussen kann, wie technische Probleme oder Tiere, die über die Strecke laufen. Die Konsequenzen können, wie wir wissen, schwerwiegend sein. Keine Frage, es wäre eine einmalige Erfahrung eine Runde mit ihm zu fahren, selbst, wenn er nur 50% gäbe. Ich bin schon mit Bayliss (Troy, dreifacher Superbike-Weltmeister und MotoGP-Sieger) mitgefahren, habe also eine ungefähre Vorstellung von dem, was diese Typen leisten und was möglich ist.“

Mark mit Freund John McGuinness – 23-facher Sieger auf der Isle of Man TT © Stephen Davison

Mark mit Freund John McGuinness – 23-facher Sieger auf der Isle of Man TT © Stephen Davison

Was war das Wichtigste, das du von Ady Smith gelernt hast?
„Wir sehr die Verlagerung meines Körpergewichts Einfluss auf die Reaktion des Motorrads hat. Auf einem Mountainbike bekommt man einen ungefähren Eindruck davon, aber wenn du von Autorennen kommst, wo du dich überhaupt nicht bewegst, dann musst du dich erst daran gewöhnen, wie wichtig diese Bewegungen sind und was sie für einen Unterschied auf dem Motorrad machen. Hier konnte ich definitiv die größte Lernkurve verzeichnen, mit ganz ordentlichen Ergebnissen.“

Was war dein bisher härtestes Offroad-Erlebnis?
„Definitiv in der Wüste von Dubai mit Kini in diesem Jahr. Wir mussten Dünen rauffahren; alles sah gleich aus, aber es gibt viele gefährliche Sprünge und Hügel, über die du stürzen kannst, wenn du zu schnell bist. Wenn du gerade nicht gut in Form bist, dann macht das nicht wirklich viel Spaß. Im Sand zu fahren ist anstrengend und du musst den Schwung mitnehmen.“

Du hast vor Kurzem eine 350 EXC Six Days bekommen. Welche Pläne hast du damit?
„Ich kenne viele professionelle Fahrer, die auf der Straße und Offroad unterwegs sind, mit denen ich fahren kann und die ein paar tolle Strecken kennen. Aber das Problem ist, dass sie immer Karten für den Grand Prix in Großbritannien wollen [lacht]. Aber wir finden da immer eine Lösung.

Nachdem ich 20 Jahre Autorennen gefahren bin, muss ich andere Muskeln trainieren, als ich es normalerweise tue und ich bin immer noch ziemlich unerfahren bei längeren Touren mit dem Motorrad. Ich stelle mich gerne neuen Herausforderungen und teste meine Grenzen aus. Ich muss nicht unbedingt schnell fahren, aber ich möchte neue, technisch anspruchsvollere Dinge ausprobieren, immer dazu lernen und mich konstant verbessern. Momentan versuche ich immer noch herauszufinden, wie weit ich mit dem Motorrad gehen kann und bin vielleicht gerade einmal bei 20% von dem, was ich erreichen kann, aber genau das, seine Fähigkeiten kennenzulernen, macht ja den Reiz des ganzen aus.

Neben dem Fahrgefühl, ist es die Aussicht und die Kulisse, die du beim Endurofahren erlebst. Es ist eine andere Art, die Welt zu sehen. Ich fahre gerne mit ein paar Freunden, mit denen man nach einer herausfordernden Tour ein Bier trinkt.“

Am 30. August ist Mark im Rahmen der WEC beim 6-Stunden-Rennen am Nürburgring zu sehen und hat kürzlich seine langerwartete Autobiographie ‘Aussie Grit’ veröffentlicht.

Weitere Informationen auf www.markwebber.com.

Fotos: Luke Brackenbury | Red Bull Content Pool | Stephen Davison