Interview des Monats: Pit Beirer über das KTM MotoGP-Projekt

Der mit Spannung erwartete Einstieg von KTM in die MotoGP nahm Anfang November im wahrsten Sinne des Wortes Fahrt auf, als die neue KTM RC16 am Red Bull Ring ihr erstes erfolgreiches Roll-Out feierte.

Nachdem der Motor im Sommer einen ersten erfolgreichen Test auf dem Prüfstand absolvierte, gelang es dem KTM Motorsport Team in sehr kurzer Zeit, die Leistung auch auf die Strecke zu bringen. Noch vor dem Debüt in Spielberg sprachen wir mit KTM Motorsportdirektor Pit Beirer über den aktuellen Stand des MotoGP-Projekts.

Pit Beirer 2015

Pit Beirer 2015

Man hört, dass es bereits eine fixe Zahl an Teammitgliedern gibt, die unermüdlich an dem MotoGP-Projekt arbeiten. Wie ist der Stand der Dinge?
„Ich möchte gar nicht so viel zur Zahl der Leute sagen, die bereits jetzt in dieses Projekt involviert sind. Vermutlich würde man uns daran nur ‘messen’. Wenn ich sage, wir haben ein Team von 30 Leuten, werden einige denken ‘sie sind verrückt, sie brauchen mindestens 200’ und andere werden wiederum denken ‘warum investieren sie so viel Geld in dieses Projekt?!’ Was ich aber sagen kann: Wir haben aktuell ein fantastisches Team und es war eine ziemlich große Herausforderung jeden einzelnen zu KTM zu holen. KTM ist in den letzten Jahren stark gewachsen und viele Spezialisten aus den Bereichen Entwicklung und Motorsport und aus der näheren Umgebung arbeiten bereits bei uns, aber wir brauchten weitere Experten und haben unsere Suche daher ausgeweitet. Dabei geht es nicht nur darum, die richtige Person zu finden und das richtige Gehalt zu zahlen; auch die Frage, ob die Familie umziehen kann, welche Sprache sie sprechen und auf welche Schule die Kinder gehen können, spielt eine entscheidende Rolle. Es ist ein ziemlich langwieriger Werbungsprozess, um diese erstklassigen Leute zu KTM zu holen. Zwar war es eine interessante und herausfordernde Zeit, aber sie hat unseren Fortschritt ein bisschen verlangsamt und sogar das Moto3-Team beeinflusst, da sich das Team teilweise auf zwei Projekte gleichzeitig konzentrieren musste. Jetzt haben wir aber eine gute Basis gefunden und können uns wieder auf die Entwicklung von Motorrädern konzentrieren.“

„Zu Beginn waren wir nur ein kleines Team, das immer weiter gewachsen ist, bis zu dem Punkt, an dem wir zwei Motoren auf dem Prüfstand hatten. Es war ein unglaubliches Arbeitspensum, das wir bewältigt haben.“

Das Testteam und die Basis des Rennteams steht also?
„Letztes Jahr haben wir mit einem kleinen Team angefangen und zunächst entschieden, wer den Motor und das Chassis konstruiert. Seitdem haben wir das Team kontinuierlich erweitert. Etwas mehr als ein Jahr arbeiten wir jetzt an diesem Projekt und beginnen gerade mit ‘Phase 2’. Im ersten Schritt ging es darum, das richtige Team zu finden, die Menschen, die man nicht unbedingt im Paddock sieht, die aber das Motorrad bauen. Eben die Ingenieure und sehr klugen Köpfe, die das Motorrad entwickeln. Dann haben wir uns um das Testteam und andere grundlegende Dinge gekümmert, wie z.B. unseren Truck. Während wir Mechaniker und einen Teamchef verpflichtet haben, hat auch WP das Team um ein paar MotoGP-Experten erweitert. Wir sind jetzt an dem Punkt, an dem das Testteam steht und der nächste Schritt ‘Phase 3’ würde bedeuten, wir sehen das Bike im Paddock. Ab jetzt werden die Dinge ein bisschen einfacher, denn die Teammitglieder haben ihre eigenen hilfreichen Kontakte und Netzwerke. Ich versuche dieses Projekt genauso anzugehen, wie andere Motorsport-Projekte in den vergangenen Jahren. Es ist wichtig daran zu denken, dass die menschliche Seite und der Teamgeist mindestens genauso wichtig sind wie der Job an sich. Ich bin überzeugt, dass wir die richtigen Leute für dieses Projekt gefunden haben. Basierend auf dieser Grundlage kann sich das Team weiterentwickeln.“

Was war das für ein Gefühl, als der Motor zum ersten Mal auf dem Prüfstand lief?
„Es war großartig. Zuerst gab es unzählige Stunden des Brainstormings, dann haben wir ein Jahr lang nur Zeichnungen gesehen und Material bestellt; wir haben nichts gesehen, bis zu dem Tag, als der Motor zum ersten Mal auf dem Prüfstand lief. Nach einer Weile geht alles irgendwie ganz schnell; es werden immer mehr Teile und plötzlich steht ein kompletter Motor vor dir. Es war das erste physische und wirklich sichtbare Zeichen des MotoGP-Projekts. Ein fantastisches Gefühl, den Motor auf dem Prüfstand zu sehen – der erste große Meilenstein.“

Alex Hofmann KTM RC16 Spielberg (AUT) 2015

Alex Hofmann KTM RC16 Spielberg (AUT) 2015

Das Moto3-Team hat seine Basis in der Nähe von Barcelona. Was sind die Pläne für das MotoGP-Team?
„Das MotoGP-Team wird seine Basis in Munderfing haben. Als einen zweiten Standort werden wir KTM Spanien in der Nähe von Barcelona nutzen, da es sehr zentral für viele Strecken in Europa liegt. Cesar Rojo, Managing Director von KTM Spanien, wird netterweise unser Gastgeber sein. Oft werden wir dort einfach nur den Truck unterstellen, wenn wir wissen, dass sich die Aktivitäten in den nächsten Monaten auf Spanien konzentrieren. Die meiste Zeit werden wir aber in Munderfing, in der Nähe des Werks in Mattighofen sein.“

Nach all deinen Erfolgen in den letzten fünf Jahren – 350 SX-F, Dominanz bei der Dakar, Tony Cairoli, Moto3, Supercross, AMA-Titel – ist dieses Projekt die größte Herausforderung?
„Auf jeden Fall. Die anderen Projekte sind über die Jahre gewachsen und wir hatten immer die Zeit zu analysieren, was schief gelaufen und was nötig war, um uns zu verbessern. Obwohl die Moto3 eine gute Schule war, haben wir beim MotoGP-Projekt wieder bei Null angefangen, denn wie gesagt, wir mussten erst die richtigen Leute finden. Es liegen noch große und wichtige Schritte vor uns und ich habe großen Respekt vor der Herausforderung, die noch auf uns zukommt. Wir werden sehen, wo wir stehen, jetzt da wir das Bike auf der Strecke getestet haben, aber wir dürfen nicht zu viel erwarten. Wir brauchen einen langfristigen Plan, um es bis an die Spitze zu schaffen. Wir reden hier von Motorradrennsport auf höchstem Niveau und auch die andere Hersteller wissen natürlich, dass dies die wichtigste und ernstzunehmendste Klasse ist. Das Know-How, das finanzielle Investment und die Technologie unserer Konkurrenten ist riesig und unglaublich ausgereift, daher müssen wir hart arbeiten, um dieses Level zu erreichen. Es ist unser bisher größtes Projekt und natürlich ist es zunächst nicht einfach ein weiteres Team zu managen, aber der KTM Motorsport ist in den letzten Jahren stetig gewachsen, wodurch ein breites und internationales Netzwerk entstanden ist.“

Fotos: KTMimages.com