Interview des Monats: Product Manager Adriaan Sinke – Das Managen von Erwartungen

Das Product Management ist eine Abteilung bei KTM, die mit der schwierigen Aufgabe, alle involvierten Abteilungen – Marketing, Sales, Produktion, R&D, Kiska Design, KTM PowerParts … – unter einen Hut zu bringen, betraut ist. Mit ihrer umfassenden Erfahrung in Bezug auf Motorradfahren, Technik und Kundenverhalten stellt sie sicher, dass neue oder verbesserte KTM-Produkte auf eine Art im Markt eingeführt werden, welche die Kernwerte von KTM erfüllt, dem Konzeptziel entspricht und die Erwartungen des Endkunden übertrifft. Adriaan Sinke war dafür verantwortlich, die enorme Fülle an Must-Haves für die aufregende neue KTM 790 DUKE zu managen, und erzählt nun dem KTM BLOG, worauf es dabei ankommt.

Kurz vor dem internationalen Medien-Launch der neuen KTM 790 DUKE, eines Motorrads mit einem völlig neu entwickelten 799-ccm-Reihen-2-Zylinder, mit dem KTM den Kampf in einem neuen Segment – der hart umkämpften Mittelklasse bei den Naked Bikes – aufnehmen will, zeigt sich der Niederländer Adriaan Sinke, seines Zeichens Senior Product Manager (Mid-Range), ungemein zufrieden und gelassen.

Adriaan Sinke (NED) 2018 © Sebas Romero

In der ersten Märzwoche versammelten sich 75 Journalisten aus aller Welt auf der Vulkaninsel Gran Canaria, um diesem mit Spannung erwarteten Bike die Sporen zu geben – dem vielleicht wichtigsten KTM-Modell für eine neue Zielgruppe seit der im Jahr 2011 vorgestellten KTM 125 DUKE.

Wir treffen Sinke in der Lobby des Sheraton Hotels. Der 41-Jährige hat die letzten Tage damit verbracht, sicherzustellen, dass die Fahrroute – etwa 180 km auf extrem kurvigen Straßen – ein gutes Abbild der vielfältigen Situationen liefert, in denen potentielle Kunden den 105-PS-Motor, das wieselflinke Fahrwerk und die Alltagstauglichkeit der KTM 790 DUKE erfahren können.

„Das ist der Grund dafür, dass ich so gut aufgelegt bin“, sagt Sinke, als wir ihn nach dem Frühstück treffen. „Dank der Kombination aus den Straßen dieser Insel, dem üblichen Sonnenschein und der Tatsache, dass dieses Bike einfach verdammt gut ist, bin ich gelassen und zuversichtlich, dass die Journalisten – und Fahrer – mit dieser neuen DUKE viel Freude haben werden.“

KTM 790 DUKE © Marco Campelli

Der Sound der neuen LC8c-Motoren, die vor dem Hotel angelassen werden, lenkt die Konversation auf den Motor. Mit dem bewährten KTM-1-Zylinder-Motor des Typs LC4 ausgerüstet, stieß KTM mit der originalen KTM 620 DUKE im Jahr 1994 erstmals in das Segment der Straßenmotorräder vor. Erst 2003 ließ das Unternehmen zum ersten Mal einen Motor mit mehr als einem Zylinder – den in der KTM 950 ADVENTURE vorgestellten LC8-V-2 – auf die Straße los. Im Laufe der Zeit wurden beide Kraftwerke enorm weiterentwickelt, gewannen mehrmals an Hubraum dazu, wurden immer ausgereifter und stetig mit neuen Technologien aufgewertet. Warum also hat KTM einen neuen Motor entwickelt?

„Dafür gibt es viele Gründe“, so Sinke. „Einer der wichtigsten ist sicher, einen Bedarf im aktuellen Sortiment der KTM-Straßenmotorräder zu bedienen und die Lücke zwischen dem 690-ccm-LC4-1-Zylinder und dem LC8 mit 2 Zylindern und 1290 ccm Hubraum zu schließen. Wir vervollständigen damit die DUKE-Hubraumleiter und bieten so eine KTM für wirklich jeden Fahrer in der hart umkämpften Naked Bike-Mittelklasse.“

„In diesem Hubraumsegment bot der Reihen-2-Zylinder das beste Paket aus kompakter Größe und schmaler Bauart. Wir nennen ihn LC8c, was für ‚Liquid cooled 8-valve compact‘ steht, und nein – es handelt sich nicht um zwei zusammengeschweißte KTM 390 DUKE-Motoren! Es ist ein völlig neuer Motor, der die Erfahrungen, die wir mit allen KTM-Motorentypen – sogar denen in unseren Offroad-Modellen – gewonnen haben, kombiniert. Die Tatsache, dass wir ihn einen 790er-Motor nennen, obwohl er 799 ccm Hubraum hat, folgt der Logik der Namensgebung unserer Marke.“

Ähhhh … aber klar doch! In der Vergangenheit steckten in allen KTMs unter 950 ccm Hubraum 1-Zylinder-Motoren. Bedeutet das, dass der LC4-1-Zylinder vom LC8c abgelöst und eingestellt wird? Sinke antwortet rasch:

„Obwohl unsere neueste Entwicklung ein 2-Zylinder ist, wird der 1-Zylinder, der die KTM 690 DUKE befeuert, weiter hergestellt werden. Als Marke in der Marke wird der LC4-Antrieb als Plattform unangetastet bleiben und auch in Zukunft von KTM eingesetzt und weiterentwickelt werden. Abgesehen von den Vorteilen des Pakets und in Sachen Wartung werden all jene, die den einzigartigen Bumms des LC4-Motors – sowie die enormen Verfeinerungen der letzten Generation an KTM 690 DUKE-Motoren – erlebt haben, verstehen, warum wir an diesem Motor festhalten.“

KTM 790 DUKE © Marco Campelli

Ein völlig neues Bike eröffnet zahlreiche Vorteile und Möglichkeiten, neue Richtungen hinsichtlich Fahrwerksdesign und Technik auszuloten. Als Resultat sitzt der Motor der KTM 790 DUKE auf einem neuartigen Stahlrahmen, wie wir ihn in dieser Form noch nie von den Österreichern gesehen haben.

„Da wir bei der KTM 790 DUKE praktisch von Null begonnen haben, hatten wir völlig freie Hand“, erklärt Sinke. „Unser Ziel war es, das Motorrad so kompakt und leicht wie möglich zu machen. Um dies zu erreichen, verwenden wir den Motor als tragendes Element, was den Rahmen entlastet. Motor und Rahmen wurden aber gemeinsam entwickelt.“

KTM 790 DUKE © Marco Campelli

Die Mittelkasse bei den Naked Bikes ist zur Zeit das vielleicht am heißesten umkämpfte Segment und alle großen Hersteller bieten eine Option an. Gegen welche Konkurrenten muss sich die KTM 790 DUKE also behaupten?

„Das kommt auf viele Faktoren an“, so Adriaan. „Unter anderem auf das Budget des Fahrers, den gewünschten Motortyp, Markentreue und das Image. KTM baut seine Motorräder aber nicht, um einem bestimmten anderen Modell die Stirn zu bieten, sondern, um Sportmotorräder mit einer eigenen Identität und einem einzigartigen READY TO RACE-Fahrgefühl zu schaffen. Nichtsdestotrotz wird die KTM 790 DUKE sicher mit vielen Bikes in diesem Segment verglichen werden. Was aber viel wichtiger ist: Dieses Motorrad kann es in Sachen Wendigkeit und Spaßfaktor auch mit wesentlich leistungsstärkeren Bikes aufnehmen.“

Er versteht es offensichtlich wie kaum ein Zweiter, einer direkten Frage mit einer gut formulierten Antwort auszuweichen. Daher fragen wir ihn nach dem typischen Käufer dieses Bikes.

„Das ist die schwierigste Frage von allen“, entgegnet Sinke. „Wir glauben nämlich, dass es den typischen 790-Fahrer nicht gibt. Dieses Motorrad ist eine typische KTM und bietet so eine äußerst sportliche Option in diesem Segment. Wir erwarten aber, dass auch viele, die es einfach als Transportmittel benutzen, sich für dieses Bike interessieren werden. Andere werden hubraumschwächere Bikes ersetzen oder in Sachen Größe und Performance einen Schritt zurück machen. Wir sind uns sicher, dass sie von Tourenfahrern, Pendlern und Rennstreckenfahrern gleichermaßen eingesetzt werden wird. Eine weitere wichtige Gruppe sind Fahrer, die seit einiger Zeit ein Motorrad der Naked Bike-Mittelklasse fahren und vorhaben, in dieser Klasse zu bleiben. Es war entscheidend, herauszufinden, was für diese Gruppe die Essenz eines Performance-Naked-Bikes ausmacht. Die Nachfrage nach solchen Bikes in diesem Segment ist zweifellos enorm und die Fahrer verwenden sie für so ziemlich alles. Das war die Herausforderung für unsere Techniker und Designer.“

„Und aufgrund dieser vielseitigen Verwendung haben wir uns für eine simple, nicht einstellbare Federung entschieden. Es handelt sich dennoch um ein Qualitätsprodukt von WP, das aber darauf ausgerichtet ist, dieser Vielzahl an Fahrern und Verwendungszwecken zu entsprechen. Ein weiteres Beispiel für den Massenanspruch dieses Motorrads ist die niedrige Sitzhöhe. Dank des schlanken Designs von Sitzbank und Tank und der Höhe von 825 mm bringen Fahrer die Füße besser auf den Boden. Außerdem kann man die Sitzhöhe mit einer optionalen Sitzbank aus den KTM PowerParts auf 805 mm oder – in Kombination mit dem Tieferlegungskit – sogar auf 780 mm verringern.“

KTM 790 DUKE © Sebas Romero

Trotz ihres Hardcore-Images hat KTM momentan nicht vor, eine „R“-Version zu bauen. Ob sich das ändern wird? Darüber hüllt sich Sinke in Schweigen. „Momentan nicht …“, lacht er. „KTM ruht sich aber nie auf seinen Lorbeeren aus, wenn es um sein Modellaufgebot geht und darum, noch extremere Wege einzuschlagen.“

Apropos extrem – es ist unglaublich, mit welcher Fülle von elektronischen Assistenzsystemen die KTM 790 DUKE ausgerüstet ist; tatsächlich ist sie der Konkurrenz in diesem Segment meilenweit voraus und ist beinahe auf demselben Niveau wie das KTM-Flaggschiff, die KTM 1290 SUPER DUKE R.

Sie bietet eine schräglagenabhängig regelnde Traktionskontrolle mit MTC (Motorrad-Traktionskontrolle), Kurven-ABS und ein Supermoto-ABS (Blockieren des Hinterrads möglich), die Motorschleppmoment-Regelung MSR – das beinhaltet eine elektronische Motorbremskontrolle, den Quickshifter+ (zum Rauf- und Runterschalten, ohne die Kupplung zu betätigen) sowie vier ‚Fahrmodi‘ (Sport, Street, Rain und Track) – welche das Ansprechverhalten, die Motorleistung und die Traktionskontrolle in mehreren Stufen regeln. Der Track-Modus erlaubt es Fahrern außerdem, die Anti-Wheelie-Funktion zu deaktivieren sowie die Schlupfanpassung, die Launch-Control und die Gasannahme in neun Stufen einzustellen. Käufer einer KTM 790 DUKE bekommen unfassbar viel Motorrad für ihr Geld.

„Wir haben uns bemüht, die Produktion dieses Bikes so effizient wie möglich zu gestalten“, erklärt Sinke. „Unsere Design-Philosophie basiert auf dem Schlagwort Purity – wir verwenden keine unnötigen Komponenten und kombinieren Funktionen, wo wir können. Dieser Zugang ermöglicht es uns, ein Bike mit einer so hohen Ausstattung in diesem Segment anzubieten.“

KTM 790 DUKE © Sebas Romero

Bevor Adriaan uns adieu sagen muss, fragen wir ihn noch schnell, welche anderen Modelle in den Genuss des LC8c-Motors kommen werden.

„Ahh – das würdet ihr wohl gerne wissen!“ lacht er. „KTM entwickelt immer neue Modelle, um den Wünschen des Markts und den Bedürfnissen unserer Kunden zu entsprechen. Die Geschichte hat gezeigt, dass unsere Motoren so konzipiert sind, dass sie in mehreren Bikes eingesetzt werden können und der LC8c-Motor ist da keine Ausnahme, wie das Konzept KTM 790 ADVENTURE R gezeigt hat.“

Die KTM 790 DUKE wird – gerade rechtzeitig zur ‚typischen‘ Motorradsaison – gegen Ende März 2018 bei den Händlern stehen. Die meisten Märkte werden noch 2018 abgedeckt sein, während die Vereinigten Staaten und Kanada noch bis Ende 2018/Anfang 2019 warten müssen.

Sie wird in zwei Farben – Orange und Schwarz – sowie als KTM 790 DUKE L für Besitzer eines A2-Führerscheins erhältlich sein. Diese Version hat 95 PS und kann auf 44 PS gedrosselt werden.

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KTM 790 DUKE © Marco Campelli

Fotos: Sebas Romero | Marco Campelli