Interview des Monats, Teil 1: Tony Cairoli – warum er Motocross fährt

Kurz vor seinem möglichen achten Titelgewinn, bereits dem sechsten in Serie in der MXGP, erzählt uns der amtierende Motocross-Weltmeister Tony Cairoli von seinen Anfängen und seiner Leidenschaft für den Sport.

Wenn es um den Grand Prix Sport und Motocross-Fahren geht, zeigt Tony Cairoli auch mit fast 29 Jahren noch einen Tatendrang, der jeden Teenager vor Neid erblassen lässt. In ein paar Wochen, beim Grand Prix von Brasilien, könnte der Sizilianer, der für zwei weitere Jahre beim Red Bull KTM Werksteam fahren wird, erneut an der Spitze der FIM Motocross Weltmeisterschaft stehen. Es gibt gewisse Ähnlichkeiten zu einem anderen namhaften italienischen Motorradfahrer, was Freude, Spaß und Talent angeht, aber Tatsache ist, dass kaum ein Konkurrent ähnlich konstante Leistungen abliefert wie die Nummer „222“ – und das unter allen Bedingungen und auf den verschiedensten Strecken.

Seit der Saison 2003 startet Tony im Grand Prix Zirkus, eine lange Zeit. Er war die Hauptdarsteller zahlreicher Red Bull Events, unzähliger Presseberichte und in Zukunft sogar seines eigenen Films, der diesen Herbst seine Kinopremiere feiern wird. Wir haben uns gefragt, warum die Leidenschaft für diesen intensiven, anspruchsvollen und gefährlichen Sport nach wie vor so groß ist.

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Tony Cairoli Hyvinkää 2014 © Ray Archer

„Eigentlich fahre ich Motocross, weil mein Vater eine große Leidenschaft für den Motorsport hatte und mein Cousin ist früher immer mit seinen Freunden durch unser Dorf gefahren“, erklärt der in Rom lebende Cairoli. „Das Thema Motocross ist schon immer ein Teil meines Lebens. Es ist etwas, das mich schon immer begleitet hat seit ich ein kleiner Junge bin und irgendwann wollte ich unbedingt selber fahren. Dann bekam ich mein erstes Bike und wollte gar nicht mehr absteigen.“

Was war es, das dich an Motorrädern und am Motocross-Sport begeistert hat?
„Am Meisten hat mich wohl der Sound fasziniert. Jedes mal, wenn ich ein Motorrad gehört habe, war ich in Alarmbereitschaft – in Ruhe seine Hausaufgaben machen oder im Haus zu bleiben, war fast unmöglich. Ich bin immer gern bei Regen gefahren. Ich weiß nicht, warum … vielleicht, weil es etwas Neues war oder etwas, dass in Sizilien einfach nicht so oft passiert! Es ist schwieriger und es war etwas Spezielles, denn in Sizilien ist es die meiste Zeit trocken.“

„Am Meisten hat mich wohl der Sound fasziniert.

Als das Motorradfahren und besonders die Rennen zur Regelmäßigkeit wurden, hast du da mit deinen Eltern über die Gefahren gesprochen?
„Nein. Als Kind habe ich mich nie wirklich schlimm verletzt und das hat sich mehr oder weniger bis heute so fortgesetzt. Ich bin immer ein bisschen auf Sicherheit gefahren und habe keine verrückten Sachen gemacht … das hat meine Familie natürlich glücklich gemacht! Sie mussten mir nie sagen ´mach mal ein bisschen langsamer´.“

Das ist schwer zu glauben, denn als du in den Grand Prix kamst, bist du mit der 250er gefahren, als wäre es kinderleicht. Das war großartig mitanzusehen …
„Ich bin in Sizilien nie BMX oder Supercross gefahren. Ich glaube es war einfach das Gefühl, das ich auf dem Bike hatte. Ich habe immer versucht möglichst viel Spaß zu haben, egal welche Bedingungen und egal welche Strecke. Nicht nur auf dem Motorrad, auch neben der Strecke, beim Herumalbern mit Freunden. Seit ich Klein war, habe ich immer versucht, alles zu genießen.“

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Tony Cairoil KTM 350 SX-F Talavera de la Reina 2014 © Ray Archer

Wenn es nicht die Sprünge, Kurven oder die Siege – du hast ja mittlerweile 72 – sind, die dich antreiben, was ist es dann?
„Was mir jetzt ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, ist das Gefühl, der Perfektion immer ein Stückchen näher zu kommen. Es ist fast unmöglich eine perfekte Runde zu fahren. Du denkst immer über eine Kurve, einen Sprung oder über die Linienwahl nach. Es ist schwierig, aber ich möchte beim Fahren immer diese Perfektion erzielen. Manchmal, wenn ich einen Abschnitt fahre, der mir liegt, denke ich: ´OK, das ist gut, probieren wir den nächsten.´ Es ist so schwierig, alle Abschnitte perfekt zu fahren.“

„Was mir jetzt ein Lächeln aufs Gesicht zaubert, ist das Gefühl, der Perfektion immer ein Stückchen näher zu kommen.

Wie ist das mit dem Gewinnen und dem Gefühl dabei?
„Wenn du zum ersten Mal gewinnst, oder auch die ersten Male, dann ist das immer etwas Besonderes. Wenn du häufiger gewinnst, wird es irgendwie normal. Mein erster Sieg in Namur fühlt sich nicht so an, als wäre er lange her. Wenn du gewinnst, dann weil du hart dafür gearbeitet hast … manchmal, wenn du nicht gewinnst, dann war ein anderer einfach schneller. Und manche Siege sind einfach eine Überraschung.“

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Tony Cairoli KTM 350 SX-F Loekt 2014 © Ray Archer

2014 war keine einfache Saison. Du musstest ein paar traurige Nachrichten verkraften [Anfang des Sommers verstarb unerwartet Tonys Vater] und es unterliefen dir ein paar Fehler, durch die du den Sieg meist sehr spät im zweiten Lauf verpasst hast. Wie lange beschäftigen dich solche Fehler?
„Wenn ich einen Fehler mache, dann beschäftigt mich das meist so für 12 Stunden … eine lange Zeit! Beim GP in Tschechien wusste ich, dass wenn ich die gleichen Linien über das ganze Rennen gefahren wäre, dann hätte ich den GP gewonnen, aber ich möchte immer etwas Neues probieren. Auf Strecken wie dieser kann man nicht viel variieren und das liegt mir nicht so gut. Ich möchte nicht 40 Minuten fahren wie ein Roboter und in jeder Runde die gleichen Millimeter der Strecke nutzen. Das wird schnell langweilig und ein paar Mal habe ich fast die Konzentration verloren.“

„Wenn ich einen Fehler mache, dann beschäftigt mich das meist so für 12 Stunden … eine lange Zeit!

Was geben dir die Rennen?
„In den letzten beiden Jahren ist das Überholen auf der Strecke nicht einfacher geworden. Ich kann mich erinnern, dass ich Rennen mit schlechten Starts hatte und gute Rennen, in denen ich mich durch das Feld kämpfen musste. Ich mag solche Rennen, in denen man neue Linien finden und überholen muss. Das macht Spaß, ist aufregender und gefällt mir besser, als unter den ersten Dreien zu starten, denn normalerweise haben die ersten Drei ungefähr den gleichen Speed.“

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Tony Cairoli KTM 350 SX-F St Jean d'Angely 2014 © Ray Archer

Du hast deinen Vertrag bis Ende 2016 verlängert. Du bist dann schon fast ein Motocross-Senior. Kannst du dich immer noch auf dem gleiche Level bewegen, wie die jüngeren Fahrer?
„Ich hatte Glück, dass ich in meiner Karriere nicht oft verletzt war. Deshalb kann ich vielleicht ein bisschen länger fahren, als andere. Natürlich sind die jüngeren Fahrer motiviert, Rennen zu gewinnen, aber die Weltmeisterschaft ist nochmal etwas ganz anderes und ich freue mich schon auf die nächsten Herausforderungen. Ich habe schon ein paar Dinge und Strecken, bei denen ich mich in der nächsten Saison noch verbessern möchte.“

Fotos: www.ktmimages.com / Ray Archer