Interview des Monats: Toby Price – Der Mann, den es zu schlagen gilt

Die Dakar-Trophäe war viel unterwegs, seit sie dem diesjährigen Sieger, dem Red Bull KTM-Werksfahrer Toby Price, überreicht wurde. Unglaublich, aber wahr: Mit der Dakar 2016 absolvierte der 28-jährige Australier erst seine insgesamt sechste Rally. Nach seinem prestigeträchtigen Sieg, kehrte Price vor Kurzem nach Australien zurück, um eine neue Phase in seiner Karriere einzuläuten. Auf seiner Reise nach Queensland sprachen wir mit Toby und wollten wissen, ob er schon genug Zeit hatte, den Dakar-Ruhm zu verarbeiten!

„Es waren ziemlich viele Eindrücke und Ereignisse auf dieser langen Reise. Nach der Dakar bin ich nach Anaheim geflogen, um das Supercross-Rennen zu besuchen. Dann war ich ein paar Tage zu Hause in Australien, um ein paar Sponsorentermine wahrzunehmen. Kurz darauf ging es nach Österreich zu einem kurzen Besuch im KTM-Werk und bei Red Bull. Jetzt bin ich wieder zu Hause. Es gab eine Feier für ein paar Sponsoren, die mir geholfen haben, meinen Traum vom Rennsport wahr werden zu lassen und jetzt reise ich weiter an die Gold Coast, um wieder mit dem Training zu beginnen und mich auf die Saison vorzubereiten.“

Toby Price (AUS) Dakar 2016

Toby Price (AUS) Dakar 2016

Obwohl mehrfacher australischer Enduro-Meister, gelang Price der von Kurt Caselli vorausgesagte Aufstieg zum Dakar-Sieger unglaublich schnell. Der aktuelle KTM-Werksfahrer fuhr letztes Jahr noch in einem werksunterstützten Team und stand bei seinem Debüt auf Anhieb auf dem Podium. Dieses Jahr ließ er auch sehr viel erfahrenere Konkurrenten hinter sich, um der erste Fahrer zu sein, der nach 10-jähriger Dominanz der ehemaligen KTM-Fahrer Marc Coma und Cyril Despres, die Dakar gewinnt. Toby bricht alle Rekorde: Er ist der erste Fahrer, dem ein Sieg gleich beim zweiten Versuch gelingt und der erste Australier, der je eine Klasse bei der Rallye Dakar gewonnen hat – und das eindrucksvoll mit fünf Etappensiegen und einem Vorsprung von 40 Minuten bei Überquerung der Ziellinie.

„Es ging alles ziemlich schnell. 2013 bat Kurt Caselli Alex (Doringer, Red Bull KTM Rally Teammanager) und KTM, mir eine Chance zu geben. Ich habe damals nie gedacht, dass ich wirklich einmal die Möglichkeit haben würde, die Dakar zu fahren; es ist kostspielig und du musst ein guter Fahrer sein. 2014 erzählte mir Alex dann, dass sie mir eine Chance geben würden und wir begannen für einen Start bei der Dakar 2015 zu planen; dass ich es in meinem Rookie-Jahr gleich aufs Podium geschafft habe, war eine ziemliche Überraschung.“

„Nur zwölf Monate später habe ich das Rennen gewonnen. Es ging alles ziemlich schnell. Ich bin nach wie vor der gleiche Mensch, aber es hat mein Leben definitiv verändert. Die Dakar ist ein wichtiges Rennen; jeder kennt es, da es eines der weltweit größten Events im Motorsportkalender ist. Nun eine dieser Trophäen mit meinem Namen darauf in der Hand zu halten und der erste Australier zu sein, dem ein Sieg gelingt, ist eine großartige Sache. Aber durch diesen Sieg ist die Arbeit für das nächste Jahr noch zehnmal härter geworden.“

Stefan Svitko (SVK), Toby Price (AUS) & Pablo Quintanilla (CHI) Dakar 2016

Stefan Svitko (SVK), Toby Price (AUS) & Pablo Quintanilla (CHI) Dakar 2016

Als junger und ehrgeiziger Fahrer, sei es noch nicht sein Ziel gewesen, bei Rallys zu starten und die Dakar verfolge er erst, seit vermehrt australische Fahrer daran teilnahmen, erzählt uns Price. Das dynamische Fahren bei der Dakar habe damals noch nicht zu seinem eher auf Geschwindigkeit ausgelegten Fahrstil gepasst; mittlerweile steht fest, dass er sein Talent und die Fähigkeit, große Ziele zu erreichen, deutlich unterschätzt hat.

„Seit 2010 verfolge ich die Dakar, seit mein jetziger Teamchef in Australien Ben Grabham und andere Landsmänner wie Jake und Todd Smith oder Matt Fish daran teilgenommen haben. Ich habe sie immer unterstützt, aber nie gedacht, dass ich selbst mal bei diesem Rennen an den Start gehen würde.“

„2012 erzählte mir Kurt, dass er diesen Weg einschlagen wollte und riet mir, mir den Rally-Sport zumindest mal anzuschauen. Ich dachte immer noch nicht, dass ich einen großartigen Rally-Fahrer abgeben würde, denn Rallys werden von so vielen Faktoren beeinflusst. Ich gehöre eher zu denen, die sich aufs Motorrad setzen und möglichst lange das Gas auflassen, aber das geht bei Rallys nicht. Ich glaube nicht, dass ich der intelligenteste Pilot bin, aber für die Dakar musst klug und auf Zack sein; das haben wir geschafft und die Rechnung ist aufgegangen.“

Das Thema Navigation übernimmt im Rally-Sport eine Schlüsselrolle und es kann Jahre dauern, bis Fahrer diese Fähigkeit beherrschen. Bei Toby ging es wieder einmal unglaublich schnell, obwohl er bei seinen bisherigen Rennen kaum navigieren musste.

„Klar habe ich versucht zu verstehen, warum es bei mir so schnell ging. 2016 wird meine erste volle Saison im Rally-Sport und die letzte Dakar war erst meine sechste Rally! Wenn ich so darüber nachdenke, ist es schwierig zu verstehen, wie es so gut laufen konnte. Ich bin mir sicher, dass ich ein paar gute Freunde in der Rally-Szene gefunden habe, aber gleichzeitig wird es auch einige geben, die über mich herziehen! Einige von ihnen fahren bereits seit vielen Jahren bei der Dakar und haben es nicht aufs Podium geschafft, aber in den letzten zwei Jahren ist es für mich einfach gut gelaufen, wir haben das Rennen gewonnen und ich muss damit leben, wenn sie diesen neuen Typen aus Australien nicht mögen! Ich bin mir selbst nicht so genau im Klaren, wie oder warum es passiert ist.“

Toby Price (AUS) Dakar 2016

Toby Price (AUS) Dakar 2016

Wir haben schon oft gelesen, dass die Dakar das härteste Rennen der Welt ist, aber allein die Teilnahme und das Erreichen der Ziellinie ist es wert. Für jemanden, der noch nie bei der Dakar war, ist es wahrscheinlich dennoch schwierig nachzuvollziehen, wie schwierig dieses Rennen wirklich ist. Und warum tut man sich solche Strapazen an? Zwei Wochen intensives Rennen durch Südamerika auf einem KTM 450 RALLY-Werksbike und kaum Schlaf haben auch von Toby Tribut gefordert, aber das Gefühl, das Ziel zu erreichen, egal, ob als Sieger oder nicht, ist die Anstrengung wert.

„Nach all der harten Vorbereitung, dem Schweiß, Blut und den Tränen, ist es am Ende erleichternd, endlich bei der Dakar zu starten. Aber es ist schwierig, in Worte zu fassen, wie anstrengend dieses Rennen ist. Wenn du noch nicht live dabei warst, ist es nicht einfach zu verstehen. Man könnte ganze Bücher füllen und es würde immer noch nicht beschreiben, wie hart dieses Rennen sein kann. Es konfrontiert dich mit jedem Element und der Körper weiß einfach nicht, was vor sich geht“, erklärt Price.

„Nach dem Rennen geht der Körper in einen Ruhemodus; ich bin Six Days und das Finke Desert Race gefahren, aber mein Körper hat sich in meinem ganzen Leben noch nie so schlecht gefühlt. Nicht nur auf dem Motorrad, auch für das Team ist es anstrengend. Ich kann mich glücklich schätzen, die besten Leute in meinem Team zu haben, denn ohne diese Jungs wäre es noch zehnmal härter; das Red Bull KTM Rally Factory Racing Team tut alles, um mir die bestmöglichen Voraussetzungen zu bieten und dennoch ist es eine große Herausforderung.“

Es gibt einem zu denken, wie die Privatfahrer, die in Zelten schlafen und von denen einige kein Team um sich haben, die mehr als 9000km des Rennens überstehen.

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2016

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2016

„Für mich ging es dieses Jahr eigentlich nur darum, die Ziellinie zu erreichen. Es sind zwei Wochen voller selbstzugefügter Qualen und es ist verrückt, was du alles tust und mit wie wenig Schlaf du auskommst. Du isst nicht viel während des Tages, nur Kraftriegel, aber der Körper muss gut versorgt werden, damit er weiter leistungsfähig ist. Diese zwei Wochen sind das beste Abenteuer deines Lebens, aber gleichzeitig auch die schmerzhaftesten und größten Qualen, die man sich selbst zumuten kann.“

„Diese zwei Wochen sind das beste Abenteuer deines Lebens, aber gleichzeitig auch die schmerzhaftesten und größten Qualen, die man sich selbst zumuten kann.“

Seit dem Ende der Rally kann man auf Tobys Twitter-Account verfolgen, an welchen Orten die Trophäe gewesen bereits ist und wie er sein Werksbike in das Fernsehstudio eines nationalen australischen Senders fährt. Reisen durch die ganze Welt und zahlreiche internationale Interviewanfragen. Aber jetzt ist es für den Dakar-Sieger wieder an der Zeit, sich an die Arbeit zu machen. Dieses Jahr vollzieht Toby den Schritt zum Vollzeit-Rally-Fahrer und startet mit dem Red Bull KTM Rally Factory Racing Team in der Cross-Country Rallies Weltmeisterschaft. Er weiß, dass es nicht einfach sein wird, den Dakar-Titel zu verteidigen. Dieser neue Karriereschritt ist aufregend und eine Sache ist klar: Motorsport-Fans, die Toby Price vor Januar 2016 noch nicht kannten, kennen seinen Namen jetzt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit.

„Seit 2010 fahre ich für KTM und ich gehöre nicht zu denen, die häufig das Team wechseln. KTM hat die Dakar jetzt 15 Mal in Folge gewonnen, was zeigt, dass wir gutes Material und gute Leute auf unserer Seite haben und natürlich bin ich sehr glücklich, Teil dieses Teams zu sein. Im letzten Jahr haben wir den sechsten Cross-Country Rallies Weltmeistertitel eingefahren und dann die Dakar, meine Ausflüge zum EnduroCross werden jetzt wohl aufhören. Wir müssen uns jetzt voll auf Rallys konzentrieren, denn jetzt heißt es nochmal mehr arbeiten, um erfolgreich zu bleiben.“

Fotos: KTM