Interview des Monats: Toby Price – Sieger der Rallye Dakar 2019

Gewinner der Rallye Dakar 2019 und der FIM Cross-Country-Rallies-Weltmeisterschaft 2018! In den letzten drei Monaten zementierte Toby Price seine Vormachtstellung als bester Rally-Rennfahrer der Welt. Und er tat dies auf beeindruckende Weise. Er bahnte sich mit einem gebrochenen Handgelenk seinen Weg durch die härteste Rally der Welt und mit der vollen Unterstützung des Red Bull KTM Factory Racing Teams gelang es Toby Price, nach 10 brutalen Tagen in Peru und verletzungsbedingten Rückschlägen, seine zweite Rallye Dakar zu gewinnen.

Der KTM BLOG bat Toby nur wenige Tage nach seinem Sieg um ein Interview, um zu erfahren, wie genau er den Schmerz besiegen und die legendäre Rallye Dakar gewinnen konnte.

Toby Price (AUS) Dakar 2019 © Marcin Kin

Toby, das oberste Ziel bei jeder Dakar ist das Ankommen. Besonders wenn man verletzt ist. Welche Hoffnungen hattest du, als du vor der Veranstaltung in Peru ankamst?
„Ich bin Rennfahrer und als solcher willst du das Rennen immer gewinnen. Um ehrlich zu sein, dachte ich aber, dass es keine gute Idee war, als ich in Australien in den Flieger stieg – ich wusste, dass mein Handgelenk noch nicht voll ausgeheilt war, ich wollte aber wenigstens starten, wenn auch nur für meine Fans und das Team. Im Laufe des Rennens wendeten sich die Geschicke aber zu unseren Gunsten. Mein Handgelenk wurde nicht besser, aber wir fanden uns in einer guten Position wieder, während andere Fahrer Probleme bekamen. Jeder Tag war eine weitere Chance und ich dachte nicht daran aufzugeben.“

Dieses Jahr war die Entscheidung sehr knapp. Die Etappenzeiten fluktuierten im Laufe der Rally extrem. Findest du, dass die 2019er Dakar in Sachen Strategie eine der schwersten aller Zeiten war?
„Ganz sicher. Das lag daran, dass fast alle Etappen in den Sanddünen stattfanden. Der Fahrer, der als erster in die Etappe gehen muss, hat einen riesigen Nachteil. Es traf sich, dass ich bis auf die letzte keine einzige Etappe gewann. Konstant zu fahren zahlte sich für mich aus und ich musste in keiner Etappe als erster starten. Eine meiner größten Sorgen war, zu hart ranzugehen und einen Unfall zu riskieren. Ich wusste, dass meine Rally vorbei gewesen wäre, wenn ich auf mein Handgelenk gefallen wäre. Bedauerlicherweise hatte ich am achten Tag einen heftigen Ausritt – das brachte mich ganz schön aus dem Konzept. Zum Glück konnte ich einen bösen Crash vermeiden und weiterfahren.“

Toby Price (AUS) Dakar 2019 © Marcin Kin

Bei der 2019er Ausgabe der Dakar ging es oft hauptsächlich um die Startpositionen und darum, den Spuren der anderen Fahrer zu folgen. Bist du der Meinung, dass die Rally Tempo rausnehmen und sich mehr als in diesem Jahr auf das Navigieren verlegen sollte?
„Es ist eine schwierige Situation. Alle Fahrer haben an Speed zugelegt und auch ihre Navigationsfertigkeiten verbessert. Wir fahren alle am Limit, da die Konkurrenz enger und enger wird. Wenn keine neuen Regeln aufgestellt werden, um etwas Ruhe in die Sache zu bringen, wird sich das auch nicht ändern. Der Sport hat sich weiterentwickelt und die Fahrer sind oft jünger und eher bereit, für den Sieg ein Risiko einzugehen. Das, zusammen mit den Verbesserungen an den Bikes, bedeutet, dass das Tempo heute viel höher ist. Solange die Fahrer bereit sind, ihr absolutes Maximum zu geben, werden die Geschwindigkeiten hoch bleiben und um konkurrenzfähig zu sein, müssen wir dasselbe tun.“

Mit 10 Tagen und etwas mehr als 5.000 Kilometern war das Rennen heuer nur halb so lang wie letztes Jahr. Hat dir das dabei geholfen, dein Ziel zu erreichen?
„Ja, massiv! Obwohl sich hier in den Sanddünen von Peru 5.000 Kilometer so anfühlen wie 8.000 Kilometer anderswo. Das Terrain und die Bedingungen waren hart und es war auf keinen Fall einfach da draußen. Die Tatsache, dass die Rally dieses Jahr nur 10 Tage lang dauerte, half mir wahrscheinlich am meisten. Bei meinem Fahrstil hätte mein Handgelenk wohl keine drei oder vier Tage länger mitgemacht. Man sagt, dass ein Kilometer in den Dünen so hart ist wie zwei oder drei im Gelände.“

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Wann hast du angefangen, an deinen Sieg zu glauben?
„Eigentlich am selben Punkt wie bei meinem ersten Sieg vor ein paar Jahren – etwa 100 Meter vor der Ziellinie. Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, denn die Dakar ist ein Monster und kann dich sehr schnell von deinem hohen Ross holen. Pablo ist ein gutes Beispiel dafür, wie schnell sich alles ändern kann. Ich habe jeden Tag versucht, im Rennen um den Sieg zu bleiben und konnte am Ende gewinnen.“

Du warst während der gesamten Rally sehr konstant. War das von Anfang an dein Plan gewesen oder hast du auf deine Verletzung oder eine Strategie reagiert?
„Von beidem etwas. Ich wusste von Anfang an, dass mein Handgelenk nicht stark genug war, um auf vielen Etappen Vollgas zu geben. Mein Plan war, einen guten Rhythmus zu finden und nach Möglichkeit unter den Top Ten zu bleiben. Nach und nach sah es so aus, als ob sich die Sache gut für uns entwickeln würde. Wie du aber sicher weißt, gingen wir mit nur einem geringen Vorsprung in den letzten Tag, es blieb also bis zuletzt spannend.“

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Was hast du aus dieser Dakar im Speziellen gelernt?
„Ich habe bei dieser Rally sicher viel über mich selbst gelernt und außerdem, niemals aufzugeben – niemals klein beizugeben. In Sachen Strategie ist es ähnlich: Konstanz ist der Schlüssel, aber wenn du einen schlechten Tag hast, musst du trotzdem weiterfahren, denn du weißt nie, was bei der Dakar so alles passieren kann. Du musst alles so nehmen, wie es kommt, aber trotzdem versuchen, im richtigen Augenblick anzugreifen. So wird sich am Ende alles zu deinen Gunsten wenden.“

Drei ehemalige Sieger in einem Team: Da prallen doch sicher Egos aufeinander. Seid ihr alle extrem ehrgeizig?
„Ja, natürlich. Der LKW wird jetzt eine größere Tür brauchen, damit ich mit meinem Kopf noch durchpasse! Nein, im Ernst; es ist eine gute Sache, dass es eine gewisse Konkurrenz gibt zwischen uns drei Fahrern, die die Ehre hatten, die Rallye Dakar zu gewinnen. Es ist großartig, dass die Siegesserie von KTM fortgesetzt werden konnte. Das war mir und den anderen Jungs sehr wichtig. Ich denke, dass wir zuallererst ein Team sind. Am Ende des Rennens will ich trotzdem selbst den Pokal in der Hand halten.“

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Welchem Druck warst du am letzten Tag ausgesetzt?
„Ich möchte nie wieder so viel Druck spüren. Ich wünschte, ich hätte am letzten Tag einen Vorsprung von 10 Minuten gehabt. Das wäre so viel einfacher gewesen. Pablo hat uns einen großartigen Kampf geliefert. Dann hatte er einen Unfall, was meine Situation etwas leichter machte, ich musste es aber trotzdem bis ins Ziel schaffen. Pablo stürzte nach 10 Kilometern und danach musste ich noch 95 Kilometer hinter mich bringen. Es war keine leichte Etappe und wie gesagt, du kannst nie entspannen, bis du die Ziellinie überquert hast.“

Und wie hat es sich angefühlt, die Ziellinie zu überqueren und das Rennen zu gewinnen?
„Ein unvergleichliches Gefühl. Nach meinem ersten Sieg dachte ich, dass der zweite nicht mehr so besonders sein würde, aber da habe ich mich gründlich geirrt. Es klingt vielleicht wie ein Klischee, aber es fühlt sich an wie ein Traum. Am Morgen nach dem letzten Tag wachte ich auf und war darauf vorbereitet, dass mir jemand sagt, es sei der erste Tag des Rennens und ich solle mich vorbereiten.“

Toby Price (AUS) KTM 450 RALLY Dakar 2019 © Marcin Kin

Wie fühlt es sich an, sich nacheinander zum Welt- und Dakar-Doppelchampion zu krönen?
„Wow. Daran habe ich ehrlich gesagt noch gar nicht gedacht. Meinen ersten Weltmeistertitel und ein paar Monate danach die Dakar zu gewinnen, ist einfach fantastisch. Oft bist du so damit beschäftigt, was als nächstes passiert, dass du keine Zeit hast, zu realisieren, was gerade geschehen ist. Ich kann die Lorbeeren aber nicht ganz für mich beanspruchen. Der Rallysport ist ein Teamsport und ohne die ganze KTM-Familie um mich herum hätte ich das niemals geschafft. KTM den 18. Sieg bei der Dakar geliefert zu haben, ist extrem wichtig für mich.“

Wie fühlt es sich an, all deine Haare verloren zu haben?
„Kalt, sehr kalt. Ich kann jetzt fühlen, wie der Wind über meinen Kopf fährt. Im Spiegel sehe ich total anders aus. Die Haare sind halt weg. Auf keinen Fall hätte ich versucht, mich da rauszuwinden. Wenn du eine Wette eingehst, musst du sie auch einhalten, du musst Wort halten.“

Laia Sanz (ESP) & Toby Price (AUS) Dakar 2019 © Marcin Kin

Als dir die Haare abrasiert wurden, sah es so aus, als würdest du emotionale Schmerzen erleiden.
„So war das auch. Es hatte mich Jahre gekostet, meine Haare so lang wachsen zu lassen. Sam und ich begannen damit und abgesehen vom Motocross-Rennfahren waren sie die längste Beziehung, die ich je hatte!“

Nachdem die Feierlichkeiten jetzt vorbei sind, womit wirst du die nächsten paar Wochen verbringen?
„Was soll das heißen „die Feierlichkeiten sind vorbei“? Es gibt noch genug zu feiern! Ich werde viel Zeit zu Hause verbringen und als eines der ersten Dinge werde ich mir mein Handgelenk ansehen lassen. Mal sehen, welche Spuren zwei harte Wochen in Peru hinterlassen haben. Die Weltmeisterschaft beginnt schon bald und ich möchte so gut vorbereitet und fit wie möglich sein, um meinen Titel zu verteidigen. Ich werde mir etwas freinehmen, um zu realisieren, was gerade passiert ist. Bald darauf werde ich mich aber wohl wieder auf ein Bike schwingen wollen.“

Danke Toby und noch einmal: Gratulation zu deinem zweiten Dakar-Sieg.

Fotos: Marcin Kin