Interview des Monats: Toby Price spricht über sein erfolgreiches Dakar-Debüt

Der australische KTM Privatfahrer Toby Price ist ein erfolgreicher Offroad-Fahrer, der bereits zahlreiche nationale Titel gewonnen hat, viermal beim Fine Desert Race ganz oben stand und 2012 die Baja 1000 auf dem zweiten Platz beendete. In seiner Heimat ist er schon jetzt ein bekannter Sportheld. In den letzten Jahren sprach er mit KTM immer wieder über die Möglichkeit bei der Dakar zu starten. Bevor Price im Januar mit Unterstützung des Red Bull KTM Werksteams an den Start eines der weltweit bekanntesten und härtesten Rennen ging, hatte er mit der Marokko Rally im letzten Jahr nur eine einzige Rally bestritten.
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Als Toby Price am 4. Januar 2015 in Buenos Aires in der Startaufstellung stand, war ihm bewusst, dass er in Sachen Fahrtalent und Geschwindigkeit mit den Topfahrern mithalten könnte, Navigation und Renneinteilung bei so einem langen und schwierigen Rennen aber eine Herausforderung sein würden. Umso beeindruckender, dass er bei seinem Dakar-Debüt einen beachtlichen dritten Gesamtrang erzielte. Kurz nach der Zieldurchfahrt berichtete Toby Price dem KTM BLOG von seinen Erlebnissen und Eindrücken.

Wie fühlt es sich an, beim ersten Dakar-Start gleich auf dem Podium zu stehen?
„Meinen ersten Dakar-Start auf dem Podium zu beenden, ist ein unglaubliches Gefühl. Aber irgendwie auch ein kleiner Schock, denn ich hätte nie damit gerechnet direkt aufs Podium zu fahren. Ich wollte unter die Top 20 und gehofft habe ich auf die Top 10. Nach Halbzeit des Rennens liefen die Dinge gut, wir waren unter den Top 10 und haben uns nochmal ein bisschen mehr angestrengt, um ein gutes Endergebnis einzufahren.“

Hattest du eine bestimmte Strategie für das Rennen?
„Unser Plan war, die erste Hälfte des Rennens bis zum Ruhetag zu überstehen und zu schauen, wo wir dann stehen. Von da an gab es nicht wirklich eine Strategie, aber Alex (Doringer) und ich waren uns einig, dass ich einfach versuchen sollte, das Motorrad jeden Tag möglichst unbeschadet ins Ziel zu bringen und von Tag zu Tag zu schauen – am Ende haben wir so ein großartiges Ergebnis erreicht.“
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Was waren die Highlights des Rennens?
„Ein Highlight war definitiv der Etappensieg. Das ist seit Andy Caldecott im Jahr 2006 keinem Australier mehr gelungen. Ein weiteres Highlight war natürlich der fünfte Dakar-Sieg von Marc Coma und der 14. Sieg in Serie für KTM, einfach unglaublich. Ein großartiges Ergebnis nicht nur für Marc, auch für KTM.“

Wie schwierig ist die Rally Dakar im Vergleich zu anderen Rennen?
„Als ich zur Dakar kam, wusste ich nicht so wirklich, was mich erwartet. Ich bin in der Vergangenheit die Six Days gefahren, aber das kann man nicht mit einem Rennen wie der Rally Dakar vergleichen. Die Distanz, die man bei der Dakar zurücklegt und die vielen Stunden auf dem Motorrad, das ist das besondere an der Dakar. Die körperliche und mentale Anstrengung ist schwer zu beschreiben, umso beeindruckender sind die fünf Siege von Marc, besonders nachdem ich die Dakar jetzt selbst erlebt habe. Eines ist sicher, er hat sie nicht geschenkt bekommen.“
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Die Marathonetappen sind für die Fahrer besonders anstrengend. Wie waren sie für sich?
„Die liefen ziemlich gut. Die erste Marathonetappe war mit dem Abschnitt durch die Salzwüste eine Herausforderung. Das Motorrad hat sich gut gehalten und am zweiten Tag haben wir es bis ins Ziel geschafft, so dass das Team alles reparieren konnte. Großes Lob an diese Motorräder. Es ist ein langes Rennen und sie machen einiges mit. Es ist toll, dass KTM auf Anhieb so ein konkurrenzfähiges Bike gebaut hat.“

Was waren für dich die schwierigsten Momente?
„Am schwierigsten waren definitiv die Marathonetappen. Man muss es ruhig angehen lassen und sicherstellen, dass das Bike die Etappe übersteht. Dazu kommen ja auch noch die Verbindungsetappen. Wenn es minus 11 Grad kalt ist und man beginnt zu frieren, man aber trotzdem versucht 110 km/h zu fahren, dann wird es richtig anspruchsvoll. Das Problem ist, je schneller man fährt, desto kälter wird es und je langsamer man fährt, desto länger ist man bei der Kälte draußen. An Tag 2 hat man dann mit 42 oder 43 Grad das genaue Gegenteil. Ich habe schnell gemerkt, dass ich für die Dakar nicht die richtige Ausrüstung habe, denn bei dieser Hitze fühlte es sich an, als stünde ich in Flammen. Es gibt also definitiv ein paar Dinge, die ich für 2016 verbessern kann.“

Viele Fahrer hatten bei den nassen Bedingungen in der Salzwüste mit Problemen zu kämpfen. Wie hast du das erlebt?
„Ich denke, es war eine ziemlich dumme Idee. Auf dem Weg zum Start der Etappe, mussten wir ein ziemlich tiefes Flussbett durchqueren. Da wussten wir schon, dass es interessant werden würde. Wie die Meisten wissen, verträgt sich Salzwasser nicht besonders gut mit den Teilen an einem Fahrzeug, egal ob Auto oder Motorrad. Von da an hatten viele Fahrer Probleme. Das war ein bisschen unglücklich, denn viele Fahrer hatten eine lange Anreise und dann war das Rennen für viele schon nach kurzer Zeit wieder zu Ende. Die Etappe hätte auch abgesagt und im nächsten Jahr unter besseren Bedingungen und ohne Regen nachgeholt werden können. Aber hey es war ihre Entscheidung und wir sind durchgekommen und haben es bis ins Ziel geschafft.“
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Ein Podiumsplatz ist großartig, aber für dich persönlich, was macht das Ergebnis so besonders?
„Bei der Dakar zum ersten Mal auf dem Podium zu stehen und eine Etappe zu gewinnen, ist ein ganz besonderes Gefühl. Auch die Zeit mit dem KTM Team war besonders. Man wächst zusammen und fühlt sich ein bisschen wie eine Familie. Sie haben mich aufgenommen und mir sehr geholfen. Roberto hat an meinem Bike großartige Arbeit geleistet und nur dank der Mithilfe habe ich es bis ins Ziel geschafft.“

Du hast jetzt zwei Wochen voller Qualen hinter dir, wie fühlst du dich?
„Ich fühle mich überraschenderweise gar nicht so schlecht. Ich bin müde, weil mir Schlaf fehlt – nach den Etappen kommst du zurück zum Team, versuchst etwas zu essen, studierst das Road Book, hast ein kurzes Briefing und besprichst im Teammeeting, was dich am nächsten Tag erwartet. Man kommt nicht vor 22:30 Uhr ins Bett und an manchen Tagen heißt es um 2:30 Uhr aufstehen, frühstücken und sich auf den Start um 3:30 oder 4 Uhr morgens vorzubereiten. Körperlich fühle ich mich gar nicht so schlecht, aber trotzdem gibt es ein paar Dinge, die ich verbessern kann, um im nächsten Jahr noch stärker zu sein.“
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Konkurrenten wie Barreda und Goncalves waren sehr stark und konnten um den Sieg mitfahren. Wir siehst du den Konkurrenzkampf?
„Die Honda-Fahrer waren definitiv gut aufgestellt. Sie haben ein fähiges Team und sind angetreten, um die Dakar vor KTM zu gewinnen. Barreda und die anderen Fahrer sind schnell und gut in der Navigation. Goncalves hatte ein paar Schwierigkeiten, aber mental ist er sehr stark und hat es trotz der Schwierigkeiten bis ins Ziel geschafft. Dieses Jahr war kein einfaches für sie und ich bin sicher, dass es nächstes Jahr schwierig sein wird, sie zu schlagen, aber mit Marc, Jordi, Ruben und Sam hat KTM ein starkes Team und ich bin sicher, dass wir mit ihnen mithalten können, wenn wir unser Bestes geben.“

Die Dakar ist immer eine Herausforderung. Sam und Jordi mussten das Rennen vorzeitig beenden. Hat das deine Strategie irgendwie beeinflusst?
„Es hat mich nicht beeinflusst, aber es war trotzdem schade zu sehen, dass sie das Rennen so früh beenden mussten. In den letzten 12 Monaten hat Sam alles gegeben, um hier ein gutes Ergebnis zu erzielen. Er ist gut gestartet und hat gleich zu Beginn die erste Etappe gewonnen, aber an Tag 2 hatte er Probleme mit der Navigation und ist vom richtigen Weg abgekommen. Unglücklicherweise war er bei diesem unplanmäßigen Abenteuer für ein paar Stunden allein unterwegs und ich glaube danach war er ziemlich erschöpft. Es war 42 Grad heiß, er hatte nichts mehr zu trinken und ist dehydriert. Ein ziemlich hartes Rennen für ihn. Dass Jordi die Etappe durch die Salzwüste nicht beenden konnte, ist schade. Manche hatten Glück und sind durchgekommen, er leider nicht. Aber er wird stärker zurückkommen und im nächsten Jahr sicher wieder um die Spitze mitfahren.“

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Erzähl uns was über die Arbeit hinter den Kulissen.
„Die Arbeit, die das Team hinter den Kulissen leistet, ist verrückt. Alle arbeiten non-stop und kriegen kaum Schlaf, vielleicht noch weniger als wir. Wir kommen nach einer Etappe zurück und geben das Bike bei ihnen ab und dann bauen sie es manchmal bis auf den Rahmen auseinander, um sicherzustellen, dass es in perfektem Zustand ist, wenn wir auf die nächste Etappe gehen. Es ist eine Teamleistung. Viele sprechen über die Fahrer und deren Ergebnisse, aber ohne das Team, das hinter den Fahrern steht, könnten wir nicht das machen, was wir machen. Ich kann ihnen gar nicht genug danken und ich denke alle Fahrer stimmen mir zu, dass das alles ohne das großartige Team im Hintergrund nicht möglich wäre.“

Du bist mit dem Kundenmotorrad gefahren. Was hast du für einen Eindruck?
„Das Bike war großartig. Im Prinzip bin ich mit dem Standardmotorrad gefahren – das Motorrad, das eigentlich jeder kaufen kann. Mit einem elften und fünften Platz zu Beginn, haben wir von Anfang an gezeigt, dass wir vorne mithalten konnten. Das Bike hat also gut funktioniert. Jeder, der darüber nachdenkt in den Rally-Sport einzusteigen, geht definitiv den richtigen Weg, wenn er es wie KTM macht.“

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KTM hat bereits so viele Erfolge bei der Rally Dakar gefeiert. Wie ist es, ein Teil davon zu sein?
„14 Siege in Folge zu feiern, ist eine großartige Leistung. Das ist beispiellos und zeigt umso mehr, dass jedes einzelne Teammitglied sein Bestes gibt. Wenn es die Situation zulässt, dann ist jeder zu einem Scherz bereit und wir haben viel Spaß, aber wenn es um den Sport geht, dann ist jeder konzentriert und arbeitet hart. Man gewinnt keine 14 Dakar-Rennen, wenn man nicht das beste Team an den Start bringt. Teil dieses Teams zu sein, von den Besten zu lernen, bedeutet definitiv, dass ich in guten Händen bin. Ich bin gespannt, was die Zukunft und der Rally-Sport bringt.“

Du freust dich wahrscheinlich auf ein bisschen Schlaf und gutes Essen. Wie sieht der weitere Plan aus?
„Ich freu mich auf jeden Fall darauf, keine Pasta mehr essen zu müssen und auf ein gutes Steak oder Hühnchen! Von hier aus fliege ich zurück nach Australien, um dort in die neue Saison zu starten. Nach der Zieldurchfahrt habe ich erstmal geduscht, etwas gegessen und mich darauf gefreut, in einem gemütlichen Bett zu schlafen.“

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Nach 14 Tagen und 13 Etappen beendete Toby die Dakar mit seiner KTM 450 RALLY Replica mit einem Etappensieg auf dem dritten Platz hinter Paulo Goncalves und Red Bull KTM Werksfahrer Marc Coma, der seinen fünften Dakar-Sieg feierte. Nach mehr als 9000 Kilometern durch Argentinien, Bolivien und Chile, ist Tobys Erfolg umso bemerkenswerter, da die Road-Book-Navigation für ihn neu war. Die Dakar ist eines der anstrengendsten und anspruchsvollsten Rennen der Welt, bei dem 2015 nur 79 von 168 Fahrern das Ziel erreichten.

Price widmete sein Podium dem im November 2013 verstorbenen Kurt Caselli und erzählte, dass Kurt ihn dazu überredete, die Dakar zu fahren und mit Sicherheit während des Rennens ein Auge auf ihn hatte.

Fotos: www.ktmimages.com