#Inthisyear 1954: 1000ste KTM ist eine R 125 Tourist

1954 – James Cameron, der Regisseur von „Terminator” und „Avatar” wird geboren, Juan Manuel Fangio wird Formel-1-Weltmeister und in Mattighofen knallen die Sektkorken: nicht einmal 18 Monate nach Produktionsbeginn wurde das 1000ste Motorrad gebaut.

Eine mit Blumen und einem Siegerkranz geschmückte KTM erregte im Herbst 1954 große Aufmerksamkeit, war doch am Lenker der R 125 Tourist eine Tafel mit der magischen Zahl „1000″ zu sehen.
Nicht einmal 18 Monate war es her, als auf der Wiener Frühjahrsmesse das erste KTM Motorrad präsentiert wurde – und nun waren die Produktionszahlen bereits im vierstelligen Bereich angelangt. Dabei darf man nicht vergessen, dass dies zu einer Zeit geschah, wo  das Ende des Zweiten Weltkrieges nicht einmal 10 Jahre zurücklag und Motorräder noch zu den Luxusgütern gehörten.
1953 hatte mit der R 100 alles begonnen, 20 Mitarbeiter bauten Ende des Jahres sechs Maschinen pro Tag. Damit waren die Kapazitäten des jungen Motorradwerkes aber ausgelastet. Um weiter prosperieren zu können, stellte Hans Trunkenpolz die Ersatzteilfertigung zugunsten der Motorradproduktion ein, im Nachbarörtchen Schalchen wurden zusätzliche Produktionsräume geschaffen. Dadurch war es nun möglich, neben der R 100 ein hubraumstärkeres Modell ins Programm zu nehmen. Leistete die Hunderter noch 3 PS, so waren es bei der neuen R 125 mit 6,1 PS schon mehr als doppelt soviel. Ein kluger Schachzug war es, der Achtelliter-Maschine zusätzlich zur nüchternen Typenbezeichnung einen markanten Beinamen zu verpassen. “Tourist” passte da ganz gut zum Freizeitverhalten in den ersten Jahren des Wirtschaftswunders. So wurde die 125er denn auch als „Motorrad für Beruf und Reise” mit einer Höchstgeschwindigkeit von „90 km/h Spitze” im Verkaufsprospekt angepriesen.

Nun war die Tourist nicht nur eine aufgebohrte R 100, sondern ein komplett neues Motorrad. Statt eines Starr-Rahmens federte nun auch das Heck der Maschine. Mit Schwinggabel, ölgedämpften Federbeinen und einem gepolsterten Sitz war die Tourist richtig komfortabel. Für die entsprechende Handlichkeit sorgten die kleinen 16 Zoll-Räder mit breiten Reifen. Auch der Motor war komplett neu. Während der Motor der R 100 mit Seilzugstarter und handgeschaltetem Zweigang-Getriebe noch eine Konstruktion aus den 30er Jahren war, setzte KTM nun auf den modernen Fichtel & Sachs-Dreigang-Motor mit Fußschaltung und Kickstarter, der von den österreichischen Rotax-Werken in Lizenz gebaut wurde.

Um Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit eines Motorrades in der Öffentlichkeit bekanntzumachen, waren in den 50er Jahren Langstreckenfahrten sehr populär. Es gab damals noch kein ausgebautes Autobahnnetz, die Route führte überwiegend über Landstraßen und mitten durch Städte.
Am 30. September 1954 standen drei 125er Tourist am Ortsrand von Paris. Ziel war Wien, immerhin fast 1300 Kilometer entfernt. Auch die Zeitvorgabe war für damalige Verhältnisse mehr als ambitioniert. Man wollte nicht langsamer sein als der „Arlberg-Express”, der für die gleiche Strecke 24 Stunden benötigte. Was heute auf einer modernen KTM 1190 ADVENTURE kein Problem ist, war vor sechzig Jahren noch ein richtiges Abenteuer. Die drei Fahrer auf ihren serienmäßigen nicht einmal 100 km/h schnellen Maschinen, darunter auch KTM Chef Hans Trunkenpolz persönlich, mussten bei widrigstem Herbstwetter Vollgas fahren, wo immer es ging. An ordentliches Fahrlicht während der Nachtetappen war in den 50er Jahren noch nicht zu denken, die schwachen sechs Volt-Scheinwerfer taugten eher als Positionslicht denn zur Ausleuchtung der Fahrbahn. Da mussten sich die Testfahrer oft an den Rücklichtern der Begleitfahrzeuge orientieren, um ihr Tempo halten zu können. Am nächsten Morgen kurz nach 10 Uhr war die Wiener Stadtgrenze erreicht. Ein gebrochenes Federbein an der Maschine des Firmenchefs war der einzige Defekt, der bei der Vollgashetzerei auftrat, ansonsten mussten die drei Maschinen nur betankt werden.

Und es hat geklappt – die Zeit vom „Arlberg-Express” wurde sogar noch um mehr als zwei Stunden unterboten. Eine KTM Tourist , die schneller als der Fern-Express von Paris nach Wien fährt, sollte auch für normale Touristen das richtige Motorrad sein, die es bei der Fahrt ins Wochenende oder in den Urlaub bestimmt gemächlicher angehen lassen würden als die drei Testfahrer bei ihrer Vollgasheizerei von Paris nach Wien.

Erich Trunkenpolz, der Sohn des Chefs, startete auf einer Tourist sogar bei Straßenrennen. Beim Heimspiel in Mattighofen begeisterte er die Zuschauer, als er auf einer serienmäßigen KTM Tourist die Klasse für 125 ccm Tourenmaschinen gewann und anschließend in der größeren 175 ccm Klasse Platz 2 auf dem Stockerl belegte.

Wen wundert’s also, dass die  Tourist  bald als schnell und zuverlässig populär wurde. Natürlich machte sich das auch in den Verkaufszahlen bemerkbar. Die blumengeschmückte KTM Tourist mit der „1000″ am Lenker war der erste Produktionsrekord, dem im Laufe der nächsten sechs Jahrzehnte noch viele weitere folgen sollten.10440_Folder_Trophy_1024-748x800Fotos: Leo Keller & ktmimages.com