#inthisyear1976: Internationaler Erfolg des Farioli-Teams

Anfang März wurde im italienischen Arco Di Trento das KTM Factory Team für die Enduro-Weltmeisterschaft 2016 vorgestellt – aufmerksamen Beobachtern ist dabei das Farioli-Logo auf den Jerseys der Fahrer sicher nicht entgangen. Farioli – der Name steht für ein halbes Jahrhundert Erfolge im Enduro-Sport. Und vor genau 40 Jahren waren Fariolis Fahrer in der damaligen Enduro-Europameisterschaft gleich doppelt erfolgreich. Mehr noch – KTM beendete damit die Dominanz des als unschlagbar geltenden deutschen Zündapp-Teams in den kleinen Klassen.

Taylor Robert (USA), Christophe Nambotin (FRA), Fabio Farioli (ITA), Ivan Cervantes (ESP) & Nathan Watson (GBR) 2016

Taylor Robert (USA), Christophe Nambotin (FRA), Fabio Farioli (ITA), Ivan Cervantes (ESP) & Nathan Watson (GBR) 2016

Der Gewinn der Europameisterschaft in der 125cm3 – und 175cm3-Klasse kam jedoch nicht unerwartet. 1974 hatte der Italiener Imerio Testori mit der Halbliter-Europameisterschaft den ersten internationalen Erfolg im Enduro-Sport für KTM errungen. Ein Jahr darauf setzte sich Alessandro Gritti die Viertelliter-Krone auf und löste damit die viele Jahre erfolgsgewohnten tschechischen Jawas ab. In der 175cm3-Klasse hatte Elio Andrioletti den fünfmaligen Europameister Erwin Schmider gewaltig unter Druck gesetzt, der am Ende seinen sechsten Titel nur mit hauchdünnem Vorsprung retten konnte. In weiser Voraussicht nahm Zündapp-Teamchef Erich Messner daraufhin seinen Starfahrer aus dem Feuer und versetzte ihn 1976 in die 50cm3-Klasse.

Nach Einstellung der Motorradproduktion Ende der 1950er Jahre beteiligte sich KTM auch weiterhin am damaligen Zuverlässigkeitssport. Zum Einsatz kamen handgefertigte Werksmaschinen mit dem populären Sachs 50cm3-Motor, gelegentlich auch mit dem größeren 100cm3-Motor von Fichtel & Sachs. Käuflich waren diese Maschinen jedoch nie. Das sollte sich erst 1968 ändern, als John Penton aus Ohio bei KTM Motorräder für den amerikanischen Markt bauen ließ. Die Maschinen mit 100 und 125cm3 wurden in den USA als Penton Berkshire und Six Day verkauft, in Europa wurden sie vom italienischen Importeur Arnaldo Farioli, in den 1960er Jahren selbst ein erfolgreicher Offroad-Sportler auf KTM-Maschinen, als KTM GS 100 bzw. GS 125 angeboten. Weil sich die leichten Maschinen besonders in den USA bestens verkauften, wurde das Programm 1971 mit einer 175cm3-Version und zwei Jahre später mit einer 250cm3-Version nach oben erweitert. Statt des Sachs-Motors kam nun eine KTM-eigene Konstruktion in einem modernen Fahrgestell aus Chrom-Molybdän-Rohren zum Einsatz. Die Ingenieure hatten gleich Nägel mit Köpfen gemacht und den Motor im Baukastenprinzip bis zu einer Halbliterversion konzipiert. Mit dem eigenen Motor kamen dann auch die ersten internationalen Erfolge im Motocross und im Enduro-Sport.

Arnaldo Farioli (ITA) 2004

Arnaldo Farioli (ITA) 2004

Während der Motocross-Sport vom Werk in Mattighofen aus betrieben wurde, erfolgte der Einsatz in der Enduro-Europameisterschaft durch die italienischen und deutschen Importeure Arnaldo Farioli und Toni Stöcklmeier. Dabei hatte Farioli gleich mehrere heiße Eisen im Feuer. Das sollte sich schon beim ersten Lauf zur Europameisterschaft in Troyes zeigen. In dem in der französischen Champagne gelegene Örtchen lehrten die Farioli-Fahrer Mauro Miele (100cm3), Alessandro Gritti (125cm3) und Elio Andrioletti (175cm3) vor einer imposanten Zuschauerkulisse die sieggewohnten Zündapp-Fahrer das Fürchten und gewannen ihre Klassen, während Heino Büse vom Stöcklmeier-Team in der großen Klasse Zweiter wurde.

Andrioletti 1976

Elio Andrioletti (ITA) 1976

Der 29-jährige Alessandro Gritti aus der italienischen Enduro-Hochburg Bergamo, siebenmaliger italienischer Enduro-Meister und amtierender 250cm3-Europameister, hatte mit vier Klassensiegen bereits nach der „Valli Bergamasche“ einen uneinholbaren Vorsprung und stand vorzeitig als Europameister fest. Mit drei Klassensiegen auf der Habenseite reiste der 25-jährige Elio Andrioletti, der wie Gritti ebenfalls aus dem Raum Bergamo stammt, zum vorletzten Lauf nach Österreich an. Zwar hatte Zündapp gleich mehrere Spitzenfahrer zur Unterstützung von Eddy Hau in die 175cm3-Klasse gesetzt, um Andrioletti wertvolle Punkte wegzunehmen und Hau zumindest noch eine theoretische Chance auf den Titel offenzuhalten, aber der fünfmalige Six Days-Teilnehmer aus Italien ließ nichts mehr anbrennen, gewann souverän alle Sonderprüfungen vor Hau und damit ebenso wie Gritti vorzeitig die EM. Richtig spannend wurde es dann in der Viertelliterklasse, wo KTM den Vorjahrestitel verteidigen wollte. Augusto Taiocchi sah lange wie der kommende Europameister in der 250cm3-Klasse aus, aber beim vorletzten Lauf spielten ihm die Nerven einen Streich und er musste ins Gras greifen. Damit kam es beim Endlauf in Polen zum Showdown zwischen Taiocchi und dem tschechischen Jawa-Fahrer Jiri Stodulka, dem eine ganze Armada von Markenkollegen Schützenhilfe leistete. Immerhin konnte sich Taiocchi den Vizetitel sichern.

Ähnlich spannend ging es in der großen Klasse über 350cm3 zu, auch hier musste die Entscheidung zwischen KTM und Jawa fallen. Heino Büse aus dem deutschen Stöcklmeier-Team oder Stanislav Zloch – am Ende des zweiten Fahrtages lag Zloch knappe 10 Sekunden vor Büse, der damit Zweiter in der EM wurde.

Allesandro Gritti (ITA) 1976

Allesandro Gritti (ITA) 1976

Im Herbst reisten die Teams mit großen Erwartungen zur Sechstagefahrt in die österreichische Steiermark. 324 Fahrer aus aller Welt waren zur „Olympiade des Motorradsports“ an den heutigen Red Bull-Ring gereist, darunter nicht weniger als 100 KTM- und Penton-Fahrer. Fast jeder dritte Fahrer saß auf einer Maschine aus Mattighofen, eine Dominanz, die um so beeindruckender ist, wenn man sich vor Augen führt, dass damals fast 30 unterschiedliche Fabrikate von A (IM) bis Z (ündapp) am Start waren, von denen die meisten heute längst in Vergessenheit geraten sind. Auch bei den Six Days setzte Alessandro „der Große“ Gritti wieder ein dickes Ausrufezeichen! Am Ende der sechs Tage war er auf der 250er punktbester Fahrer aller 324 Teilnehmer. Und für das deutsche Stöcklmeier-Team lief es auch nicht schlecht: Klassensiege für Harald Strößenreuther in der 125cm3-Klasse und für Heino Büse bei den 350ern.

Mit dem „Super Test“ am Strand von Agadir begann am zweiten Aprilwochenende eine neue Ära im Enduro-Sport. Ziemlich genau ein Vierteljahrhundert nach Einführung der Enduro-Weltmeisterschaft wurde der einstige „Zuverlässigkeitssport“ zum Enduro Grand Prix aufgewertet, wie das beim Straßenrennsport schon seit Jahrzehnten der Fall war. Die 15 besten Fahrer aus E1, E2 und E3 erhalten Punkte für die klassenübergreifende Grand Prix-Wertung. Fabio Farioli, 1993 selbst Enduro-Weltmeister auf KTM und heute Teamchef von KTM Enduro Factory Racing, kann zufrieden sein. Nathan Watson und Taylor Robert, die beiden Rookies in der E1 und E2-Klasse, haben nach staubigem Auftakt im nordafrikanischen Agadir schon beim zweiten Enduro-GP im portugiesischen Gouveia den Anschluss zur Spitze geschafft und mit einem zweiten und einem ersten Platz gezeigt, dass mit ihnen gerechnet werden muss, wenn es um die WM-Titel geht. Auf jeden Fall verspricht die neue Saison viel Spannung!

Fotos: KTM | Wim Verspaandonk