#inthisyear1987: Motorrevolution – KTM LC4

Nicht ein einziges Gramm Fett – nur Muskeln. KTM schuf mit der 690 DUKE R das ultimativste 1-Zylinder-Straßenmotorrad, das je das Licht der Welt erblickte. Nur das Wesentliche – aber das vom Feinsten. So hieß es vor dreißig Jahren, als der hochmoderne LC4-Single 1987 vorgestellt wurde.

Mitte der 1980er Jahre gab es in Mattighofen gleich mehrere Gründe, die Sektkorken knallen zu lassen. Heinz Kinigadner konnte sich 1985 zum zweiten Mal die Weltmeisterkrone in der 250ccm-Motocross-Klasse aufsetzen und der 100.000ste KTM-Motor, ein neuentwickelter Halbliter-2-Takter mit 60 PS, war vom Band gelaufen. Bereits einige Jahre zuvor hatte KTM aber erkannt, dass auf Dauer die immer schärfer werdenden Abgas- und Geräuschgrenzen mit einem konventionellen 2-Takter nicht mehr zu erfüllen waren. Auch im Motorsport ging die Entwicklung wieder hin zum 4-Takter, der in den 1960er Jahren den superleichten und wesentlich handlicheren 2-Taktern das Feld hatte räumen müssen. Natürlich machte man in der KTM-Entwicklungsabteilung gleich Nägel mit Köpfen – während die überwiegend fernöstliche Konkurrenz nur luftgekühlte 1-Zylinder im Programm hatte, die ihre Ursprünge in straßentauglichen Enduros hatten, begann 1982 in Mattighofen die Entwicklung eines hochmodernen 4-Takt-Motors auf Basis des 500ccm-2-Takt-Gehäuses. Der Name des Motors war gleichzeitig Programm: LC4 – liquid cooled 4-stroke – ein flüssigkeitsgekühlter Vierventil-4-Takter.

LC4-Motor 1987

Nach fünfjähriger Entwicklungszeit war der LC4 serienreif und kam 1987 in einer 553ccm-Version als 600 GS LC4 für den Endurosport zum Einsatz. Der LC4-Motor war bei der Vorstellung eine Sensation. Sportliche Lorbeeren wurden praktisch aus dem Stand mit dem Gewinn der Enduro-Europameisterschaften in der 350ccm-Klasse durch Joachim Sauer und in der großen Klasse durch Gianangelo Croci errungen. KTM war der Spagat zwischen den leichtgewichtigen 2-Taktern und den behäbigen Ballermännern mit vier Takten gelungen – niedriges Gewicht und geringe Abmessungen galten fortan auch für ventilgesteuerte Triebwerke, zumindest wenn sie aus Mattighofen kamen. Die LC4 wog in der Enduro-Ausführung nur ganze 20 Kilogramm mehr als die 250ccm-2-Takt-Maschine des gleichen Baujahres und war um 15 Kilogramm leichter als die japanische Konkurrenz. Natürlich waren nicht nur hochgezüchtete Wettbewerbsmaschinen geplant, sondern das Konzept sollte auch alltagstauglich sein und sowohl im schweren Gelände als auch auf der Fahrt zum Brötchen holen überzeugen.

Doch es war noch ein weiter Weg, bis die LC4 die uneingeschränkte Alltagstauglichkeit der heutigen LC4-Generation in den 690er Singles hatten. Besonders ist das problematische Startverhalten in Erinnerung geblieben. Da wurde das Ankicken des heißen Motors oft  zur schweißtreibenden Prozedur. Im Wettbewerb waren schnell wertvolle Sekunden verspielt, die am Ende eine gute Platzierung kosten konnten – an den Druck aufs Knöpfchen eines E-Starters war damals noch nicht zu denken. Hier zeigte sich wieder einmal, dass der werksmäßige Sporteinsatz das beste Testfeld für die Entwicklung ist. Joachim Sauer, einer der LC4-Werksfahrer, war nämlich gleichzeitig Entwicklungsingenieur bei KTM und konnte die Erfahrungen vom Rennwochenende montags gleich in entsprechende Verbesserungen umsetzen.

KTM 350 EXC Joachim Sauer (GER) 1987/88

Dem anfangs recht ruppigen Gesellen wurden Manieren beigebracht, die aktuelle LC4-Generation gilt heute als Referenz für 4-Takt-Singles. Als KTM 1992 nach wirtschaftlichen Schwierigkeiten der früheren Eigner als KTM Sportmotorcycle GmbH unter neuer Führung in die Zukunft startete, war der LC4-Motor die Basis für eine Generation von Motorrädern, die auf ambitionierte Hobby-Enduristen abzielte. Das Hard-Enduro-Konzept war geboren. Die Philosophie „Nur das Wesentliche – und das vom Feinsten“ hat bis heute Bestand. Serienmäßig wurde alles weggelassen, was nicht unbedingt gebraucht wurde. Selbst auf E-Starter oder Ausgleichswelle mussten die Käufer anfangs verzichten. Die Enduro-Weltmeisterschaften durch Mario Rinaldi, Gio Sala oder Fabio Farioli trugen ganz wesentlich zur Popularität des LC4-Motors bei, der zuletzt in den Super Competition-Modellen zum Einsatz kam. Und weil die Freunde großvolumiger Straßen-1-Zylinder die Stollenfraktion um den modernen LC4 beneideten, hatte KTM bald ein Einsehen und präsentierte kurz nach dem Neubeginn mit der DUKE einen Kurvenheizer par Excellence. Als KTM im Jahr 2000 mit den EXC-Racing-Modellen eine völlig neue 4-Takt-Generation für den Sporteinsatz vorstellte, blieb  der ausgereifte LC4 bei der Rallye Dakar weiterhin das Maß aller Dinge. Erst als vor einigen Jahren der Hubraum auf 450ccm reduziert wurde, verschwanden die 690 LC4-Motoren aus den Siegerlisten.

Heute schlägt das kräftige 1-Zylinder-Herz in der KTM 690 ENDURO R und sorgt in der agilen KTM 690 SMC R für Offroad-Fahrspaß auf der Straße. Und die KTM 690 DUKE, legitimer Nachfolger des Kultklassikers von 1994, zementiert in der aktuellen Version ihre Position als das weltweit stärkste in Serie gebaute 1-Zylindermotorrad auf dem neuesten Stand der Technik.

KTM 690 DUKE MY2016

Fotos: Leo Keller | Joachim Sauer | KTM