#inthisyear1996: KTMs erster 500ccm Motocross-Weltmeister Shayne King

KTM gehört zum exklusiven Kreis der wenigen Hersteller, die seit der erstmaligen Austragung der Motocross-Weltmeisterschaft vor sechs Jahrzehnten in allen Klassen den Titel erringen konnten. Nach dem 250ccm-Premierensieg von Gennady Moiseev im Jahr 1974 gewann Trampas Parker 1989 den Achtelliter-Titel und vor genau 20 Jahren komplettierte der Neuseeländer Shayne King die Serie mit dem Gewinn der damaligen „Königsklasse“ 500ccm.

Shayne King

Shayne King (NZL) © Shayne King | Silent Sport

Seit der Präsentation der 125ccm-Penton-KTM im Jahr 1968 starteten Fahrer auf den Wettbewerbsmaschinen aus Mattighofen bei den immer populärer werdenden Motocross-Rennen, zunächst allerdings nur auf nationaler Ebene, weil es damals für die Achtelliter-Maschinen noch keine internationale Rennserie gab. Das sollte sich aber schon bald ändern, als KTM sein Programm mit einer neuen 250ccm-Motocross-Maschine erweiterte. Bei der Suche nach einem Spitzenfahrer für die neue MC 250 spielte der Zufall KTM in die Hände. Beim ersten WM-Lauf des Jahres 1973 im französischen Avignon standen die russischen Fahrer ohne Motorräder da, weil ihr Transporter mit den Maschinen in der Nacht vor dem Start aus dem Fahrerlager gestohlen worden war. KTM zeigte sich sportlich und rüstete die russischen Konkurrenten mit 250ern aus, die sich dafür mit guten Leistungen bedankten. Nur wenige Wochen später wurde ein Vertrag mit dem russischen Verband für 1974 geschlossen. Gleich im ersten Jahr gewann Gennady Moiseev die erste von bisher 31 Weltmeisterschaften für KTM. 1984 und 1985 wurde mit Heinz Kinigadner ein Österreicher auf einem österreichischen Motorrad gleich zweimal Weltmeister, aber ein weiterer Titelgewinn blieb ihm nach seinem Umstieg in die Halbliterklasse versagt. 1989 konnte der Amerikaner Trampas Parker in die Phalanx der japanischen Hersteller in der 125ccm-Klasse einbrechen, die seit 1975 Weltmeisterschaftsstatus hatte und auch in der Halbliterklasse, der damaligen Königsklasse, war KTM mittlerweile auf Schlagdistanz zu den japanischen Herstellern. Gleich vier Vizeweltmeisterschaften für Kurt Nicoll, Jacky Martens und Trampas Parker sprechen da eine deutliche Sprache, allerdings fehlte das letzte Quäntchen Glück zum Titelgewinn.

1996 platzte dann aber endlich der Knoten für die „große“ KTM. Als 500ccm-Vizeweltmeister Trampas Parker am Ende der Saison 1995 KTM verließ, bot sich Shayne King als Nachfolger an. Der ehrgeizige Neuseeländer wurde vom deutschen Silent Sport Racing Team betreut und pilotierte die neue KTM 360 SX. Die 360er war so leistungsstark und handlich, dass man sogar auf das Ausnutzen des vollen Hubraumlimits von 500ccm verzichten konnte. Silent Sport, ein motorsportlich engagierter Hersteller von Materialien für Motorradschalldämpfer, war bereits seit einigen Jahren in der deutschen Motocross-Meisterschaft erfolgreich, so dass King ein erfahrenes Team vorfand, in dem er sich auf Anhieb wohlfühlte. Vor dem Endlauf zur 1996er Weltmeisterschaft führte der Neuseeländer die Tabelle klar an und ließ sich auch im letzten Rennen nicht nervös machen: „Ich habe mich wie auf jedes andere Rennen vorbereitet und einfach voll aufs Tempo gedrückt“. Der Erfolg gab ihm recht und am Ende hatte er satte 26 Punkte Vorsprung vor Joël Smets, der auf seiner Husaberg Vizeweltmeister wurde. Mit Kings Titelgewinn gewann KTM gleichzeitig die fiktive „875er Weltmeisterschaft“, die sich aus einem Weltmeistertitel in jeder der damaligen Klassen 125ccm, 250ccm und 500ccm, zusammen also 875ccm, errechnete. Das war in der 40jährigen Geschichte der Motocross-WM bis dahin erst drei Herstellern gelungen.

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Shayne King (NZL) KTM 360 SX 1996 © Shayne King

Shayne King wurde 1975 im neuseeländischen New Plymouth als Sohn einer „Motocross-Familie“ geboren. Sein Vater Ash war Motorradhändler und selbst ein hervorragender Motocrosser und der ältere Bruder Darryl gehörte in den 1990er Jahren zur Weltspitze. Shayne, der schon im Alter von elf Jahren die neuseeländische Junioren-Meisterschaft in der 125ccm-Klasse gewonnen hatte, startete 1993 zum ersten Mal bei einem WM-Lauf und verlegte später seinen Wohnsitz sogar nach Belgien, wo wegen der perfekten Trainingsbedingungen auch heute noch viele Spitzenfahrer ihren Zweitwohnsitz haben. Auch im folgenden Jahr gehörte Shayne King zu den Top-Fahrern in der 500er Klasse – hinter  Joël Smets und seinem älteren Bruder Darryl reichte es diesmal für Platz 3 in der WM. Nach 20 Jahren beendete Shayne King 2007 seine aktive Karriere. Für seine Erfolge wurde er 2008 als erster neuseeländischer Motocross-Weltmeister  in die „Hall of Fame“ aufgenommen. Und KTMs erster Halbliter-Titel ging gleichzeitig als letzter Gewinn der 500ccm-Weltmeisterschaft mit einem 2-Takter in die Motocross-Geschichte ein.

Seit 2004 gilt im Motocross ein neues Reglement, wo 2-Takter mit einem entsprechenden Hubraumhandicap gegen 4-Takter antreten. Auch hier konnte KTM in allen Klassen die WM gewinnen. Tony Cairoli wurde alleine fünfmal MXGP-Weltmeister auf KTM und besonders dominierend  ist KTM in der kleineren MX2-Klasse. Nicht weniger als zehn der bisher vergebenen 14 Titel gingen an KTM-Fahrer. Beim GP of Americas in Charlotte hatte Jeffrey Herlings‘ einzig verbliebener Konkurrent, der Schweizer Jeremy Seewer, nur noch eine theoretische Chance auf den Titel, aber mit einem Sieg im ersten Durchgang ließ der Holländer nichts mehr anbrennen und setzte sich schon vorzeitig die WM-Krone auf.

Fotos: Shayne King | Silent Sport