#inthisyear2009: Marvin Musquin wird MX2-Weltmeister – und ist heute einer der KTM-Hoffnungsträger in der AMA Supercross-WM

Als Marvin Musquin Anfang 2009 seine ersten WM-Rennen gewann, war der Franzose noch ein weitgehend unbeschriebenes Blatt. Aber das sollte sich sehr schnell ändern. Der damals erst 19-Jährige drückte der Saison seinen Stempel auf wie sonst noch niemand zuvor. Mit riesigem Talent gesegnet beeindruckte er die Motocross-Welt und sicherte sich am Saisonende auf der KTM 250 SX-F seinen ersten MX2-Weltmeistertitel.

Marvin Musquin (FRA) Anaheim 1 (USA) 2019 © Simon Cudby

Für KTM hätte die Motocross-Saison 2009 kaum erfolgreicher laufen können. Neben Musquins WM-Titel ging auch die Vizeweltmeisterschaft in der großen MX1-Klasse und die Women’s Motocross World Championship an KTM. In nicht minder souveräner Art verteidigte Musquin 2010 seinen Weltmeistertitel. „Der nächste Schritt führt Marvin nun in die USA, wo Roger De Coster bereits auf ihn wartet“, so KTM-Chef Stefan Pierer damals. Heute ist Musquin einer der KTM-Hoffnungsträger in der AMA Supercross-Weltmeisterschaft.

Marvin Musquin (FRA) Canelinha (BRA) 2009 © Ray Archer

Supercross ist noch eine relativ junge Offroad-Sportart, zumindest im Vergleich mit den heutigen „Six Days of Enduro“. Das erste International Six Days Reliability Trial fand bereits vor weit über 100 Jahren im schottischen Carlisle statt. Motocross wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst in Europa populär, wo mit schweren 4-Takt-Motorrädern auf Naturpisten Rennen ausgetragen wurden. In Belgien war Motocross sogar eine Art Nationalsport, kein Wunder also, dass zahlreiche erfolgreiche Motocrosser wie beispielsweise der fünfmalige Halbliterweltmeister und heutige Red Bull KTM Factory Racing Team-Manager Roger De Coster aus dem Land der Flamen und Wallonen stammen. 1947 fand im niederländischen Wassenaar zum ersten Mal das MX of Nations als Teamwettbewerb für Nationalmannschaften statt, ähnlich der Interantionalen Sechstagefahrt im Endurosport. Zwei Jahrzehnte lang ist es nur belgischen, englischen und schwedischen Teams gelungen, die Rennen zu gewinnen. Die Motocross-Weltmeisterschaft für Einzelfahrer gibt es erst seit 1957. Legendär sind heute noch die Strecken der frühen Jahre wie Hawkstone Park in Großbritannien oder die Piste rund um die Zitadelle im belgischen Namur.

In den USA war Motocross nahezu unbekannt, Offroad-Sport wurde bei Cross Country-Rennen wie dem Elsinore Grand Prix und der Baja 500 oder als Flat Track auf Pferderennbahnen betrieben, daneben gab es einige wenige Straßenrennen. Selbst der Enduro-Sport war in den USA eine recht exotische Angelegenheit. Erst als die europäischen Hersteller gegen Ende der 1960er Jahre ihre Wettbewerbsmaschinen in die USA exportierten, erlangten die publikumsfreundlichen Motocross-Rennen auch in den USA schnell Popularität. Es sollte zwar noch einige Jahre dauern, bis die amerikanischen Fahrer auf Augenhöhe mit den damaligen Stars wie Roger De Coster oder den skandinavischen Fahrern waren, aber der Bann war gebrochen. Eine Premiere gab es 1971 auf dem Daytona International Speedway. Während Motocross-Rennen bisher auf Naturpisten weit außerhalb der Städte organisiert wurden, bauten die Organisatoren für das Rennen in Daytona eine künstliche Piste mit spektakulären Sprüngen und brachten damit Motocross hin zu den Zuschauern. Das erfolgreiche Konzept wurde weiterentwickelt und schon ein Jahr darauf gab es ein Rennen im Los Angeles Coliseum, einem der größten Football-Stadien in den USA. Aus dieser Zeit stammt auch der Begriff „Supercross“, eine Kombination von „Super Bowl“, dem Finale der NFL, und Motocross. Supercross wurde schnell zu einer der populärsten Motorsportarten in den USA. Während in Europa Motocross-Rennen nur im Sommer veranstaltet werden, gibt es in den USA gleich zwei Serien. Seit 1972 wird im Sommer die AMA Motocross Championship ausgetragen, im Winter geht es dann in den Stadien um die Supercross-Meisterschaft, deren Auftakt traditionell am ersten Januar-Wochenende stattfindet.

Marvin Musquin (FRA) KTM 450 SX-F Detroit (USA) 2019 © Simon Cudby

Seit 2008 hat die AMA Supercross-Serie Weltmeisterschaftsstatus, obwohl die Rennen fast durchweg in den USA ausgetragen werden. Etwa 40 Fahrer qualifizieren sich in Vorläufen und einem Hoffnungslauf für die 22 Startplätze des Finallaufs.

In den USA hatte Roger De Coster den jungen Franzosen Marvin Musquin unter seine Fittiche genommen, dazu konnte KTM auf seine Vermittlung hin den damals 22-jährigen Ryan Dungey verpflichten, der von 2015 bis 2017 gleich dreimal in Folge den prestigeträchtigen Supercross-Titel für KTM holte, bevor er am Ende der Saison seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport erklärte. Musquin startete zunächst auf der KTM 250 SX-F in der 250 SX-Meisterschaft, die in einer West- und East Division ausgetragen wird. Gleich vier Rennen gewann er 2013, darunter das Supercross in Daytona Beach, was ihm am Ende zur Vizemeisterschaft der East Division reichte. Zwei Jahre später krönte sich Musquin mit der 250 SX East Championship, bevor er in die 450 SX-Klasse wechselte und gleich auf Anhieb „Rookie of the Year 2016“ wurde.

Spannend wie selten verläuft die aktuelle SX-Saison. Nach dem sechsten von 17 Rennen trennten gerade einmal zwei Punkte die ersten Vier. Nur auf Platz 8 war Musquin beim Auftakt in Anaheim gelandet, Dauerregen und eine schlammige Piste, dazu noch ein Trainingsrückstand durch eine Knieverletzung in der Vorsaison hatten ein besseres Resultat verhindert. Dann aber kam der Franzose immer besser in Fahrt und errang in Arlington sein fünftes Podium in Folge. Cooper Webb auf der zweiten Red Bull Factory KTM legte nach schlechtem Start eine beeindruckende Aufholjagd hin und übernahm in der allerletzten Kurve die Führung, die er in einem Wimpernschlagfinale mit einem Vorsprung von nicht einmal 0,03 Sekunden verteidigte. Mit vier Saisonsiegen sicherte sich Cooper Webb damit gleichzeitig das „red plate“ des Tabellenführenden. Nach einem zweiten Platz beim Detroit Triple Crown geht er nun als Führender vor dem derzeit WM-Dritten Marvin Musquin in die zweite Saisonhälfte.

Marvin Musquin (FRA, #25) & Cooper Webb (USA, #2) Arlington (USA) 2019 © Simon Cudby

Fotos: Simon Cudby | Ray Archer