WAS ISST EIGENTLICH EIN MOTOGP™-RENNFAHRER? POL ESPARGARO ERZÄHLT UNS, WIE SEINE ERNÄHRUNG FÜR EIN LEBEN BEI 350 KM/H AUSSIEHT

Nach dem Rummel eines MotoGP-Rennsonntags sieht man Pol Espargaró oft in der Red Bull „Holzhaus“ Energy Station einen „Bikini“ zu sich nehmen. Der 28-Jährige kaut dabei nicht auf einem Kleidungsstück für den Strandurlaub herum, sondern delektiert sich an einem Schinken-Käse-Toast (der in Katalonien so genannt wird). Es ist fast ein Ritual. Eine kleine „Belohnung“ für den nach Sandwiches verrückten Fahrer des Red Bull KTM Factory Racing, welcher derzeit seine dritte Saison auf der höchsten Stufe des Motorrad-Rennsports absolviert.

Pol Espargaró @Gold and Goose

Normalerweise ist das „Holzhaus“ an einem Grand-Prix-Wochenende vollgestopft mit Mitgliedern des KTM-Teams und Gästen. Die Fahrer neigen aber dazu, zu ungewöhnlichen Zeiten zu essen und auch ungewöhnliche Gerichte zu sich zu nehmen. Das ist wenig überraschend. Sie müssen mental und körperlich topfit sein, wenn die Zeit kommt, auf der Strecke das Maximum aus ihren Maschinen herauszuholen.

Sechs Jahre sind vergangen, seit  Espargaró als amtierender Moto2™-Weltmeister 2013 in die höchste Klasse aufgestiegen ist. Heute ist er der Nummer-1-Fahrer des KTM-Teams und hat demselben im Jahr 2019 bereits sieben Top-Ten-Resultate beschert. Als der Spanier im Jahr 2017 die RC16 zum ersten Mal beim GP von Katar bewegt hatte, lag er 2,5 Sekunden pro Runde hinter dem Feld. Beim dreizehnten Lauf der aktuellen Weltmeisterschaft in Misano errang Pol den zweiten Platz in der MotoGP™-Startaufstellung.

Pol ist genauso hungrig wie KTM. Dieses Mal unterbrechen wir seine Sandwichpause, um ihn nach einem Aspekt der Vorbereitung zu befragen, von dem viele Fans wohl wenig wissen.

Haut rein!

Pol Espargaró @Sebas Romero

Es scheint so, als gäbe es heute mehr Wissen und Bewusstsein in Bezug auf Ernährung und Unverträglichkeiten im Spitzensport. Ist das ein Thema, über das du nachdenkst oder mehr wissen möchtest?
Ich glaube, dass es wichtig ist, so viel wie möglich über den eigenen Körper zu wissen. Wir haben viele gute Ärzte und können mithilfe von Bluttests und anderen Untersuchungen viel darüber herausfinden, was wir essen sollten und was nicht. Man kann selbst viel spüren, aber die Wissenschaft trägt noch mehr dazu bei. Viele Menschen können sich heute wie Athleten ernähren, Analysen helfen uns aber sehr dabei, zu definieren, was uns auf dem Bike am meisten nutzt. In unserem Sport müssen wir eigentlich nur vierzig Minuten Maximalleistungen vollbringen, also müssen wir nicht ständig essen. Wir verbrauchen unsere Energie extrem schnell. Das bedeutet, dass wir keine Ernährungszusätze oder ein ultrastrenges Ernährungsprogramm benötigen. Trotzdem gibt es natürlich eine gewisse Routine. Ich esse spätestens zwei Stunden bevor ich mich auf das Bike setze. Das ist vor einem Rennen okay, denn das beginnt um 14:00 Uhr. Im Falle des freien Trainings am Samstag um 13:30 Uhr bedeutet das aber, dass ich ungewöhnlich früh zu Mittag essen muss!

Hast du irgendwelche Unverträglichkeiten oder Probleme?
Nicht wirklich. Ich habe keine Probleme mit Brot oder Gluten und kann über den Tag verteilt viel davon essen. Trotzdem ziehe ich leichte und gesunde Gerichte ohne Saucen vor. Ziemlich einfache Sachen. Die sind vielleicht nicht großartig, erfüllen aber ihren Zweck.

Pol Espargaró @Sebas Romero

Wie darf man sich das bei dir zu Hause vorstellen?
Wir haben ein Gerät, mit dem ich viele verschiedene Gerichte zubereiten kann. Damit ist es sehr einfach, gesunde Dinge zu kochen. Und dazu noch leckere Desserts! Im Winter gebe ich nicht so viel acht darauf, was ich esse. Wir folgen einer mediterranen Ernährung, die ist eigentlich schon recht gesund. Ich mag kein Fast Food und esse es nicht. Im Winter esse ich also, was ich essen möchte, und nicht das, was ich essen sollte. In dieser Zeit lasse ich die Disziplin in unserem Sport etwas hinter mir und genieße das Leben. Dann, so circa einen Monat vor dem Saisonstart, stelle ich wieder auf eine extrem strikte Ernährung um, damit ich auf mein Renngewicht komme.

Was bedeutet „extrem strikt“?
Einfache Sachen. Keine Saucen. Reine Nahrungsmittel. Wenn ich eine Omelette esse, dann aus Bio-Eiern. Viel Fisch. Kein fettes Fleisch. Ich liebe Nudeln und davon gibt es hunderte verschiedene Arten. Ich backe zu Hause mein eigenes Brot, das macht Spaß. Ich habe viele verschiedene Arten mit unterschiedlichen Körnern und anderen Zutaten gebacken.

Musstest du diese Dinge, als du mit fünfzehn in die Weltmeisterschaft kamst, lernen oder hast du dich bereits damals gut ernährt und daraus Vorteile bezogen?
Als ich bei den 125ern mit dem Rennfahren begann, bin ich in meine eigene Wohnung gezogen. Damals war ich siebzehn, glaube ich, und musste schnell lernen, für mich selbst zu kochen. Zu dieser Zeit kümmerte ich mich nicht viel um meine Ernährung. Das änderte sich eigentlich erst, als ich in der Moto2™ schneller wurde und dann in die MotoGP™ aufstieg! Ich gab nicht besonders viel darauf acht und stellte nicht viele Fragen dazu, was oder wie viel ich essen sollte. [lächelt] Als ich bei den 125ern fuhr, aß ich viel Tiefkühlgerichte. Damals ging ich immer in das gleiche Geschäft und füllte meinen Einkaufswagen mit dem Zeug voll! Mein Kühlschrank zu Hause war fast leer, dafür war das Tiefkühlfach bis zum Bersten gefüllt! Die Mikrowelle war im Dauereinsatz! Das Essen war nicht so schlecht, aber auch nicht großartig.

Pol Espargaró @Sebas Romero

Dein Bruder [Aleix] besitzt ein Sushi-Restaurant. Wie hält er es mit dem Essen und war er dir ein gutes Vorbild?
Aleix war bei der Ernährung immer besser als ich. Zurzeit ernähren wir uns anders, da wir uns körperlich voneinander unterscheiden und er das Radfahren liebt. Dazu muss er sehr leicht sein, also isst er viel Gemüse. Aleix konzentriert sich sehr stark auf seine Ernährung und legt schneller zu als ich. Dafür bin ich etwas muskulöser als er. Er gab schon immer darauf acht. Ein Restaurant zu besitzen, ist sicher ein Risiko, aber er liebt Sushi und hat mir damit einen großen Gefallen getan, denn das Essen dort ist richtig lecker. Damit könnte es für mich aber bald vorbei sein, denn ab Januar möchte mich vegetarisch ernähren. Ich bin bereits mit Ernährungsberatern und anderen Spezialisten im Gespräch und probiere verschiedene Dinge aus.

Warum?
Ich esse ohnehin nicht viel Fleisch. Trotzdem wird es schwierig werden, da ich viel Fisch und Huhn esse. Am allerschwierigsten wird es werden, mich auch dann daran zu halten, wenn wir in der Weltgeschichte herumreisen, Zeit auf Flughäfen verbringen, und wenn keine vegetarischen Gerichte verfügbar sind. Aber das Leben steckt voller Schwierigkeiten und ich werde es auf jeden Fall versuchen.

Erinnerst du dich an irgendwelche Momente, in denen dir die Kraft ausging oder in denen du darüber nachdachtest, wie du dir über die Ernährung mehr Energie holen könntest?
Ja, und zwar als ich zu KTM stieß. Es war ein neues Projekt und das Bike verlangte nach viel Körpereinsatz. Also musste ich so fit wie möglich sein. Jedes kleine Detail – Essen, Trainieren, Ernährungszusätze – musste genau passen. Ich durfte – und wollte – im Rennen keine Zehntelsekunde verlieren, weil ich körperlich nicht auf der Höhe war. Am Anfang trainierte ich extrem viel und jetzt sogar noch mehr – viel mehr als in meinem ersten Jahr in der MotoGP™. Jedes Jahr finde ich mehr heraus und es macht viel Spaß, neue Dinge zu erfahren. Das motiviert. Mein Plan, Vegetarier zu werden gibt mir Motivation und das gefällt mir.

Pol Espargaró @Sebas Romero

An der Strecke hast du dein Wohnmobil und dann gibt es noch die Energy Station. Isst du immer hier?
Mein Frühstück esse ich im Wohnmobil und nehme mein Mittagessen hier oder dort ein, denn normalerweise esse ich nur etwas weißen Reis und Hähnchen. Am Ende des Tages komme ich wieder hierher, denn das Essen ist unglaublich gut.

OK, erzähl uns von deiner Ernährung an einem typischen Rennsonntag in der MotoGP™…?
Nach dem Aufstehen esse ich nicht viel, denn das Warm-up beginnt bereits um 9:30 Uhr morgens. Um ein richtig schönes Frühstück zu essen, müsste ich viel früher aufstehen als ich es tue. Ich ziehe es stattdessen vor, mich auszuruhen! Das Warm-up dauert ohnehin nicht so lange. Danach gibt es für mich ein paar Brötchen mit etwas Öl und Truthahn – immer genau gleich zubereitet! Das ist ein bisschen langweilig. Zu Mittag esse ich dann etwas Reis und Hähnchen. Wenn wir am Samstag ein langes FP4 fahren, nehme ich ein paar Nahrungsergänzungsmittel wie Energy-Gele oder -Riegel und etwas Koffein zu mir.

Pol Espargaró @Gold and Goose

Und wie sieht es mit dem Trinken aus? Besonders in Plätzen wie Thailand und Malaysia muss das schwierig sein.
Ich trinke schon normalerweise viel, aber am Rennsonntag noch mehr – bis direkt vor dem Einsatz. Ich trinke und trinke Wasser, bis ich auf die Toilette muss. Das Wasser fließt nur so durch mich hindurch! Das tue ich sogar bei kalten Bedingungen, da es wichtig ist, nicht auszutrocknen – auch für die Psyche. Vierzig Minuten vor meinem Einsatz höre ich zu trinken auf, da ich mich sonst auf der Zielgeraden erleichtern müsste. Manchmal sieht man, wie Fahrer zurück in die Box marschieren und das hat wahrscheinlich mit den Nerven zu tun und damit, dass der Körper Energie ablassen will. Am Sonntagmorgen findet man mich also oft auf der Toilette! Manchmal verwende ich beim Rennen einen CamelBak, um extra Wasser mit dabei zu haben.

Hast du eine kulinarische Schwäche?
Und ob! Desserts! Und es wird immer schwieriger, ihnen zu widerstehen! Manchmal esse ich im Winter im Ofen gebackene Bananen mit Zucker. Ein Gedicht! Als Kind mochte ich keine Desserts – unglaublich, ich weiß! – neuerdings habe ich eine Schwäche für Schokolade-Coulant und Nutella kann ich sowieso nicht widerstehen: Das esse ich nach einem besonders harten Training im Winter und, wenn ich etwas Zucker brauche. Wahrscheinlich bin ich so versessen darauf, weil ich mich die meiste Zeit davon fernhalten muss.

Pol Espargaró @Sebas Romero

Wie „belohnst“ du dich dann?
Am Sonntag nach dem Rennen gibt es kein Halten mehr! Wenn ich ein gutes Ergebnis erzielt habe, esse ich wie ein Scheunendrescher. Während des gesamten Wochenendes esse ich nicht besonders viel und so kann ich mir am Sonntag ordentlich was gönnen. Andererseits, wenn das Ergebnis nicht so stimmt, ist mein Magen wie verschlossen und ich will ein oder zwei Tage kaum essen. Schon komisch, wie der Körper funktioniert.

Zum Abschluss: Was ist dein Lieblingsgericht aus Katalonien?
Aha! „Pa amb tomaquet i embotit“ (getoastetes Brot eingerieben mit frischen Tomaten und Öl und einem kleinen Stück Räucherfleisch oder Schinken oben drauf). Als wir – ich, mein Bruder und meine Schwester – noch Kinder waren, arbeiteten unsere beiden Eltern. Und wenn meine Mutter am Abend müde nach Hause kam, hat sie dieses Gericht zubereitet und ich habe es geliebt. Brot mit etwas „Fuet“. Es ist nicht besonders gesund und wenn ich wirklich Vegetarier werde, ist damit erstmal Schluss. Trotzdem meine ich es damit ernst. Aber das Brot bleibt! Auf Brot kann ich auf keinen Fall verzichten!

 

Bilder: KTM, Sebas Romero, Gold and Goose