Kann KTM wiederholen, was (fast) nicht wiederholt werden kann? MXGP 2019

Wird die KTM-Erfolgsgeschichte in der MXGP weitergehen?

Der Motocross-Rennsport war 2018 fest in orangefarbener Hand – das Red Bull KTM-Werksteam dominierte eine historische Saison nach Belieben. Wir haben den VP of Offroad, Robert Jonas, nach den Folgen und einem Ausblick auf den kommenden Sommer gefragt …

Die Hauptwerkstatt im Gebäude der KTM-Rennsportabteilung in Munderfing ist vollgepackt mit KTM RC16-MotoGPTM-Bikes und -Komponenten. In der Saison 2019 wird KTMs Einsatz im Straßen-Rennsport gründlich aufgestockt und im Hauptquartier wimmelt es von Slick-Reifen sowie MotoGPTM-Technikern und -Experten. Stolz und einsatzbereit stehen zwei MXGP-Werksbikes in einer Ecke des Haupt-Atriums. Die KTM 450 SX-Fs-Werksmaschinen benötigen vielleicht nur einen Bruchteil der technischen Wartung und sind technisch wesentlich simpler als ihre MotoGPTM-Cousins, sie sind aber trotzdem die unangefochtenen Könige der (jetzt ziemlich vollgestopften) Anlage, die außerdem noch die Heimat der siegreichen Dakar-, Rally- und Enduro-Bikes ist.

Im Jahr 2018 dominierte Red Bull KTM die MXGP-Serie wie kein anderes Team in der jüngeren Geschichte des Sports. KTM gewann sowohl in der MXGP- als auch der MX2-Klasse die ersten beiden WM-Plätze und fuhr 19 beziehungsweise 17 von 20 möglichen Siegen ein. In der MX2-Klasse stand eine KTM 29 Mal am Podium, in der MXGP sogar 33 Mal (13 Mal teilten sich Tony Cairoli und Jeffrey Herlings das Podium, Pauls Jonass und Jorge Prado 9 Mal in der MX2). Beim Motocross of Nations – dem größten Aushängeschild des Sports – war Glenn Coldenhoff nicht zu besiegen.

Robert Jonas (AUT), Pit Beirer (GER) & Jeffrey Herlings (NED) Assen (NED) 2018 © Ray Archer

Zurück in Munderfing: In den Management-Büros im ersten Stock hängen diverse Shirts, Trophäen und rote Startnummerntafeln. Der VP of Offroad, Robert Jonas, hat an der Seite von Pit Beirer schon unzählige Triumphe miterlebt. So mancher wird vielleicht annehmen, dass sein Arbeitsplatz vor Pokalen nur so strotzt … der Österreicher ist sich aber der wechselhaften Natur des Motorsports bewusst: Besonders im Motocross-Sport kommt es ganz stark auf die Form und das Selbstvertrauen der Athleten an.

Die letzte Saison war so umwerfend, dass es eine Freude ist, darüber zu sprechen und sich daran zu erinnern … Aber wir müssen uns auch bewusst sein, dass wir 2019 wieder bei Null beginnen, gibt er zu. „Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren und unsere Leute sind bereits jetzt hochkonzentriert. Wir werden gut vorbereitet sein … aber natürlich schläft auch die Konkurrenz nicht.

Red Bull KTM Factory Racing Team Imola (ITA) 2018 © Ray Archer

KTM, Jeffrey Herlings und Jorge Prado wurden nach dem Ende der Saison am ersten Oktoberwochenende überschwänglich gefeiert. Während auch nach der Saison noch Preise eintrudelten, wurde aber schnell klar, dass die unglaubliche Statistik der letzten Saison schwer zu überbieten werden würde. Überwältigende Triumphe sind ‚traumhafte‘ Ziele, die aber auch ein unwirkliches Element beinhalten. „Ich verstehe, dass wir diese Dominanz nicht als selbstverständlich betrachten können. Dieses Jahr hat uns definitiv verwöhnt, wenn man sich ansieht, wie viele Siege und Beinahe-Siege wir eingefahren haben”, so Jonas, der damit fast eine Warnung abgibt und mit beiden Beinen fest am Boden steht. „Wir haben fast keinen Platz mehr für andere Teams gelassen. Das ist nicht normalund wir müssen unsere Hausaufgaben machen, um wieder in der Lage zu sein, Rennen zu gewinnen.

‚Hausaufgaben‘ ist so etwas wie ein Schlüsselwort und es ist kaum anzuzweifeln, dass KTM hart gearbeitet hat, um die KTM 450 SX-F und die KTM 250 SX-F an die Bedürfnisse ihrer herausragenden Fahrer Herlings, Cairoli, Prado und Jonass anzupassen: Unzählige erfolgreiche Holeshots und Renn-Starts zeugen davon. „Ja, das ist klar, so Jonas. „Ich bin sicher, dass wir 2018 in beiden Klassen das beste Bike hatten, und unser Ziel ist, das auch 2019 fortzusetzen. Die Konkurrenz wird das natürlich nicht lange hinnehmen und versuchen, schneller zu werden … wir haben aber ein großartiges Team und können hautnah sehen, wie unsere Anstrengungen in den letzten Jahren auf der Rennstrecke Früchte tragen. Nicht nur an den Resultaten, sondern auch daran, wie gut das Bike funktioniert und wie Bike und Fahrer auf der Strecke eine Einheit bilden. Diese Schritte und Entwicklungen sind beinahe genauso befriedigend und cool mit anzusehen. Es ist einfach fantastisch.

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KTM 450 SX-F 2018 © Ray Archer

Selbst, wenn man sich nur ab und zu ein MXGP-Rennen ansieht, wird man wissen, dass Red Bull KTM zwei der besten Fahrer des 21. Jahrhunderts – Herlings und Cairoli – in seinen Reihen hat. Dennoch sorgt die Unberechenbarkeit (und Gefährlichkeit) des Top-Motocross-Sports dafür, dass selbst eine gute Kombination aus Fahrer und Bike nicht automatisch zum Sieg führt. Besonders, wenn es neunzehn Läufe von Argentinien bis Asien zu bestehen gilt.

2015 kämpften Max [Nagl] und Tony um den Titel und es sah so aus, als könnte ihnen niemand das Wasser reichen … am Ende gewann dann aber ein anderer Fahrer, erinnert sich Jonas und erinnert damit daran, dass alles anders kommen kann, als man denkt. „Im Moment haben wir die beiden besten Fahrer der Welt unter Vertrag, und wenn nichts schiefgeht, sind wir in einer guten Position. Dessen bin ich mir bewusst. Es braucht aber nicht viel; eine kleine Verletzung oder ein paar Probleme hier und da, und du kannst nicht mehr an der Spitze mitfahren. Alle unsere Fahrer haben das schon erlebt. Eine Verletzung am Anfang der Saison kann alles komplett auf den Kopf stellen und aus diesem Grund ist jede neue Saison aufregend.

Sowohl Herlings als auch Cairoli, Prado und Jonass hatten 2018 mit Verletzungen zu kämpfen (Jonas: „Glücklicherweise handelte es sich immer um kleine Verletzungen und unsere Jungs sind so zäh, dass sie bald wieder am Bike saßen! Ich denke, dass es für uns von Vorteil war, dass wir trotzdem vorne lagen, anstatt zurückzufallen: Dann kann eine Saison nämlich richtig lang werden.“), da war aber noch ein weiterer Aspekt, der die Sache nicht leichter machte: Rivalität im Team.

Sevlievo (BUL) 2018 © Ray Archer

Sowohl in Großbritannien als auch in der Türkei gab es einige teaminterne Schlachten. Der Druck des Titel-Kampfes führte aber zu keinen übermäßigen Dramen oder Kontroversen und wurde von den Team-Managern Claudio De Carli und Dirk Grübel gut kontrolliert. Neben all den anderen Erfolgen des Jahres 2018 war auch das ein Grund, stolz zu sein.

Ja, eigentlich lief alles ziemlich rund, so Jonas, gleichermaßen überrascht und voller Hochachtung. „Als Prado anfing, mit De Carli zu arbeiten, waren wir überrascht, wie gut das funktionierte. Natürlich hatten wir uns das erhofft! Und wir konnten Claudio auch davon überzeugen, Jorge dabei zu helfen, die letzten kleinen Hürden zu nehmen. Und sie haben ganze Arbeit geleistet. Ich bin wirklich froh, dass wir diesen Schritt gemacht haben.

In der MXGP wartete die größte Herausforderung gleich am Beginn der Saison auf uns und wir fragten uns, wie wir die Rivalität zwischen unseren beiden Jungs kontrollieren würden, fügt er hinzu. „Ganz ehrlich: Wir hatten damit gerechnet, dass es schwierig werden würde, und am Ende mit kleinen Ausnahmen in einigen Interviews, in denen sich einer über den anderen beschwerte haben die beiden das professionell gehandhabt. Es ging sehr fair zu und ich hoffe, dass sie diese professionelle Herangehensweise ins nächste Jahr mitnehmen werden. Es war für beide nicht immer einfach, aber wir sind stolz darauf, wie Claudio und Dirk die ganze Situation gemeistert haben.

Tony Cairoli (ITA) & Jeffrey Herlings (NED) Lommel (BEL) 2018 © Ray Archer

Im Januar werden die vier (Jonass wechselte zu Husqvarna, um in der MXGP sein Glück zu versuchen, und übergibt seinen MX2-Platz bei KTM an Rookie Tom Vialle) die Strecken in Spanien und auf Sardinien unsicher machen, um sich auf die MXGP 2019 vorzubereiten. Jonas, ein ehemaliger Rennfahrer und ein Mann, der sich mit der Unberechenbarkeit des Sports gut auskennt, hat seine Jungs bereits vor Selbstzufriedenheit gewarnt. Das könnte im Laufe der Saison aber schwierig an den Rest des Unternehmens und die Fans zu vermitteln sein, die die fantastische Saison 2018 noch im Gedächtnis haben. „Die MXGP ist für das Unternehmen enorm wichtig und genießt viel Respekt, gibt er zurück. „Wir haben die Meisterschaft dominiert und für manche Leute sieht das Ganze vielleicht einfachaus, sollte aber nicht unterschätzt werden auch nicht im Vergleich zur MotoGPTM. Ich glaube, dass es im Unternehmen auch weiterhin gewürdigt wird, wie gut wir im Offroad-Sport aufgestellt sind.

Wir wollen den Chef des MXGP-Einsatzes von KTM nicht gehen lassen, ohne ihm die eine Frage zu stellen, die wohl alle Fans beschäftigen wird, bevor die Saison vom 2. bis zum 3. März in Argentinien gestartet wird: Kann Tony Cairoli Jeffrey Herlings das Wasser reichen? Und vielleicht sogar den Rekord von zehn Titeln einstellen? „Meiner Meinung nach sollte man Tony niemals unterschätzen”, sagt Jonas lächelnd. „Und Jeffrey weiß das. Ich glaube, dass er großen Respekt vor Tony hat. Am Ende könnten wir in derselben Situation sein wie letztes Jahr, aber ich weiß wirklich nicht, was uns erwartet. Ich weiß nur, dass beide 100% geben werden und Tony die Saison voll motiviert angehen wird. Ich glaube, dass er es wieder auf den Titel anlegen wird. Auf jeden Fall wird es für beide Fahrer nicht leicht werden.

Red Bull KTM kann wohl von Glück reden, wenn das Team die MXGP 2019 ähnlich dominieren kann wie 2018. Zweifellos wird die Farbe Orange der Serie aber wieder ihren Stempel aufdrücken.

Orlyonok (RUS) 2018 © Ray Archer

Fotos: Ray Archer