Kevin Benavides: Der Dakar-Sieger spricht mit uns über das Leben, das Training und die Dakar

Kevin Benavides – Red Bull KTM Factory Racing
PC @MarcinKin

Kevin Benavides ist bereit, im Januar wieder zusammen mit Red Bull KTM Factory Racing beim berüchtigtsten Rennen der Welt anzutreten. Der amtierende Dakar-Sieger aus Salta in Argentinien konnte sich bei seinem ersten Renneinsatz in Marokko im Oktober wieder an seine KTM 450 RALLY gewöhnen und schielt mittlerweile auf die immer näher rückende ‚große‘ Rally. Wir haben uns vor Kurzem mit Kevin getroffen, um mehr über sein Leben im Rally-Zirkus und zuhause, über seine Rolle als KTM-Händler und das Rennfahren für KTM zu erfahren.

„Ich bin jetzt 32. Mein Geburtstag ist jedes Jahr während der Dakar am 9. Januar. Das ist schon o.k., aber ich vermisse es doch, Partys zu feiern! Das müssen wir auf danach verschieben (lacht)“, sagt Kevin. „Mein Zuhause ist in Salta, einer der beliebtesten Städte im Norden Argentiniens. Die Gegend ist wirklich schön, mit vielen Bergen. Ich liebe es, dort zu leben. Sie ist außerdem dafür bekannt, dass die Dakar seit 2009 viele Male dort ausgetragen und das Basislager immer dort aufgeschlagen wurde. Die Bevölkerung dort liebt die Dakar“, fährt der KTM-Rennfahrer fort.

Kevin wollte bereits als Kind Profi-Rennfahrer werden – heute ist er ein Fahrer, zu dem junge Konkurrenten aufblicken
PC @MarcinKin

Kevins Leidenschaft für das Motorradfahren ist hauptsächlich seinem Vater zu verdanken. Er begann schon früh mit dem Fahren, obwohl sein Vater ihn nie zu etwas gezwungen habe, wie er uns erzählt. Sein Vater fuhr regionale Rennen und reparierte als Motorrad-Mechaniker Bikes, um sie dann weiterzuverkaufen. Kevin aber träumte davon, Profi zu werden.

Kevin erklärt uns, dass er sich die Dakar immer im Fernsehen angesehen, sich aber als mehrfacher Enduro-Meister immer auf den Enduro-Sport konzentriert habe. 2013 lud ihn Mariano Casaroli, der in Argentinien ein Team leitete, dazu ein, das Rally-Bike auszuprobieren, Kevin aber war sich sicher, dass er weiterhin Enduro-Rennen fahren wollte. In den Jahren 2014 und 2015 wurde er noch einmal gefragt; 2015 wurde die Dakar in der Gegend um Salta ausgetragen und einer von Marianos Fahrern konnte nicht teilnehmen. So stand das Bike eines Tages vor Kevins Haus. Er wurde gebeten, es doch einmal zu testen. Obwohl er vom Rally-Sport immer noch nicht überzeugt war, willigte er ein. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Kevins sechs Jahre jüngerer Bruder (auch ein Dakar-Fahrer) sollte in seine Fußstapfen treten und heute sind beide Profis.

Nur noch wenige Wochen bis zur Dakar, und Kevin freut sich darauf, mit der neuen KTM 450 RALLY anzutreten
PC @MarcinKin

„Anfangs war ich wirklich nicht sicher, ob das Rallyfahren etwas für mich ist, fühlte mich aber von der ersten Sekunde an auf dem Bike wohl und dachte, dass ich es vielleicht doch probieren sollte. Danach kam ich mit einem Hersteller in Kontakt – ich führte auch Gespräche mit KTM, aber zu jener Zeit war für mich kein Platz im KTM-Team frei. Ich beendete mein Enduro-Engagement 2014 und begann im April 2015 mit dem Rallyfahren. Mein erstes Rennen war die Ruta 40 – ich bekam viel Hilfe und fuhr dann zwei weitere Rennen. Ich gewann in Paraguay, was mir einen Startplatz bei der Dakar einbrachte.“

„Ich hatte ein Bike für die Rally in Marokko und wie immer waren alle Top-Fahrer am Start; ich beendete sie auf dem vierten Platz – nicht schlecht für mein erstes internationales Rennen. Und dann fuhr ich 2016 meine erste Dakar. Ich sagte mir, dass ein Platz unter den besten 20 schon ein schöner Erfolg wäre. Am dritten Tag gewann ich meine erste Sonderprüfung – und das in Argentinien! Es war verrückt. Ich wurde zum ersten Argentinier, der bei der Dakar jemals eine Sonderprüfung gewonnen hatte. Das motivierte mich ungemein. Schlussendlich kam ich bei meiner ersten Dakar als Vierter ins Ziel. Ich fühlte mich wie im Traum“, fährt Benavides fort.

Kevins erster Einsatz mit der KTM 450 RALLY war bei der Rallye du Maroc
PC: @MarcinKin

Mit seinem Umstieg auf KTM brachte das Jahr 2021 große Änderungen für Benavides. Er liebt die Marke und auch Red Bull, denn es war immer sein Ziel gewesen, einmal in Orange anzutreten. Als erster Lateinamerikaner, der jemals die Dakar gewonnen hat (das gelang ihm Anfang 2021), hat er sich vorgenommen, als erster Fahrer die Dakar für zwei Marken zu gewinnen, und hat sich bei Red Bull KTM Factory Racing und an Bord seiner KTM 450 RALLY bereits gut eingelebt.

Eine interessante Randnotiz: Der Rennfahrer – dessen Motivation ansteckend ist – hat früher einmal Betriebswirtschaft studiert, ist seit 2013 in seiner Heimat als KTM-Händler tätig und darf sich über wachsende Umsätze freuen.

Kevin wühlt in den Dünen Marokkos Staub auf – er ist nicht nur ein Rennfahrer, sondern ist auch als KTM-Händler in seiner Heimatstadt Salta tätig.
PC @arielwojciechowski.com

„KTM ist ein umwerfendes Team mit viel Erfahrung und alle in diesem Team sind superfreundlich – ich habe mit allen ein sehr gutes Verhältnis. Ich hätte in meiner gewohnten Umgebung bleiben können, suchte aber die Herausforderung. Außerdem schlug mein Herz immer schon für KTM. Ich wusste, dass dieser Schritt für meine Zukunft gut sein würde. Ich bin zuhause KTM-Händler. Das war aber nicht ausschlaggebend, sondern nur der zweitwichtigste Grund. Natürlich hilft es aber, und ich bin sehr glücklich, für KTM fahren zu dürfen.“

Auf seiner KTM 450 Rally prangt die Startnummer 1 – Kevin hofft, als erster Fahrer die Dakar für zwei Marken zu gewinnen
PC @MarcinKin

Als Argentinier, der die südamerikanische Offroad-Bike-Szene beeinflusst, war es interessant zu erfahren, dass die meisten ‚Helden‘ aus Benavides‘ Kindheit Namen wie Juha Salminen und Antoine Meo aus dem Enduro-Sport, Antonio Cairoli aus dem Motocross und Paulo Goncalves aus dem Rally-Sport (die meisten davon ehemalige KTM-Champions) tragen. Er wusste als junger Fahrer, dass es für ihn als Südamerikaner schwierig werden würde, Aufmerksamkeit zu erregen und in die europäische Szene einzudringen, um seinen Träumen zu folgen. Dank der Dakar, den MXGP-Rennen in Argentinien und Fahrern wie Kevin, seinem Bruder Luciano, Pablo Quintanilla und anderen streben junge Talente aus dieser Gegend heute nach viel Höherem.

„Ich wusste, dass Salta nicht in Europa liegt. Damals bewunderte ich die europäischen Fahrer eher als jene aus den USA. Ich glaubte daran, dass ich es schaffen könnte, gab niemals auf und kämpfte darum, Aufmerksamkeit zu erregen. Ich wurde auch zum ersten Fahrer aus diesem Erdteil bei der Enduro-Weltmeisterschaft – und wirklich wahrgenommen wird man eigentlich erst, wenn man da mitfährt. Damals war es für die Teams eher etwas Negatives, wenn man aus Südamerika kommt. Mittlerweile aber haben wir gezeigt, was für gute Talente wir haben. Es gibt viele sehr schnelle Fahrer in Südamerika und das wollen wir der Welt auch zeigen. Davon profitiert auch die nächste Generation – viele der Kids sagen, dass sie so sein wollen wie ich, wenn sie groß sind. Das zu hören ist wirklich schön und macht mich stolz“, fährt Kevin fort.

Gute Vorbereitung ist alles – Kevin hat viel zu tun, um sich auf die Dakar vorzubereiten
PC @MarcinKin

Südamerika bietet einem Rallyfahrer mit seinem Terrain viele Vorteile, wenn es um das Leben zuhause und das Training geht. Kevins Zeitplan ist eng getaktet: Er steht zwischen 7:30 und 8:00 Uhr auf (“Traditionell gehen wir eher später zu Bett …”), was ihm genug Zeit gibt, das Frühstück zuzubereiten und eine Runde im Fitnesscenter zu trainieren. Vor dem Mittagessen bringt ihn ein Privattrainer ins Schwitzen, während der Nachmittag für Ausdauertraining auf der Rad-, Ruder- oder Ski-Maschine reserviert ist. Joggen steht normalerweise nicht auf dem Plan, dafür aber eine Runde Enduro, Motocross oder Rally.

Kevin hat sich gut in die KTM-Familie und Red Bull KTM Factory Racing eingewöhnt
PC @MarcinKin

Während die Dakar näher rückt und die neue KTM 450 RALLY entwickelt wird, traf sich Kevin auch schon öfter mit dem Rest des Teams zum Testen in Amerika, zur Rally Marokko und jener in Dubai. Aus diesem Grund hat Kevin die letzte Zeit öfter auf Reisen als zuhause verbracht. Nun ist er zurück in seinem eigenen ‚Basislager‘ und hält sich strikt an seinen Plan aus körperlichem und mentalem Training, um mit Hilfe seines Mechanikers, seines Roadbook-Helfers, seines Fitnesstrainers und seines Psychologen in Topform zur Dakar zu kommen. Wenn er einmal nicht hart arbeitet, fährt Kevin gerne Rad und Mountainbike (was ohnehin Teil seines Trainingsplans ist), er mag Autos und den Wassersport wie etwa Jetskifahren und Wakeboarding auf einem See in der Nähe seines Wohnorts. “Ich mag alles, was den Adrenalinspiegel ansteigen lässt!”, so Kevin.

Beim Trainieren hilft es seiner Meinung nach, einen Rally fahrenden Bruder zu haben. Wenn sie gemeinsam trainieren, können sie sich gegenseitig auf dem Bike und abseits des Bikes anspornen und vor allem aufeinander aufpassen. Kevin erklärt uns, dass der härteste Teil des Rennfahrens für ihn darin besteht, dass auch sein Bruder dabei ist. Psychologisches Training hilft ihm aber dabei, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren.

Zu Trainingszwecken fährt Kevin gerne Motocross auf seiner KTM 450 SX-F. Hier zeigt er am Pala Raceway in Nordamerika seine Motocross-Fähigkeiten auf der KTM 450 RALLY
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„Ich und mein Bruder trainieren oft gemeinsam, was wirklich cool ist, da wir beide so ehrgeizig sind. Wenn ich 10 Liegestütze hinlege, will er 11 schaffen, und in der nächsten Runde mache ich 12! Wir machen uns einen Spaß daraus, pushen uns gegenseitig aber auch auf dem Bike erbarmungslos. Andererseits ist es schon hart, wenn man dann im Rennen gegeneinander fährt. Wir trainieren dafür viel mit einem Psychologen, denn es ist wirklich nicht leicht, gegen deinen Bruder zu fahren, das kannst du mir glauben.“

„Das Rallyfahren ist anders als Motocross oder Enduro, wo du mehr oder weniger alles (über die Strecke) weißt. Bei Rallys weißt du nie, was passiert. Und wenn ich eine gefährliche Stelle passiere, denke ich automatisch an meinen Bruder und hoffe, dass ihm dort nichts zustößt. Im Ziel will ich dann immer sichergehen, dass auch mein Bruder sicher zurückgekommen ist. Es ist hart, aber wir sind Profis. Wir genießen es und ich habe großes Vertrauen in meinen Bruder. Er trainiert wie ich und ist sehr gut vorbereitet. Dieses Element fährt aber immer mit und macht die Sache schwieriger als andere Sportarten. Bei der Dakar ist wirklich jeder auf Sicherheit bedacht und Rallyfahrer schauen aufeinander. Wir haben viel Spaß zusammen.“

Ready To Race – die letzten Vorbereitungen auf die Rallye Dakar Anfang Januar
PC @MarcinKin

Aktuell trifft Kevin die letzten Vorbereitungen für die Dakar, die am 1. Januar mit einem Prolog beginnen wird. Danach wird er mit seiner KTM 450 RALLY versuchen, nach 2 Wochen und 8.000 Rennkilometern auf der Zeitenliste ganz oben zu stehen. Wir wünschen ihm und seinen Teamkollegen Toby Price und Matthias Walkner viel Glück dabei, den Dakar-Thron für KTM zurückzuerobern.