Kolumne: Fast & Furios – R-Fahrung in Hockenheim

Zwei 1290 SUPER DUKE R – ein Ex-MotoGP-Star ­– eine Rakete – ein Pressesprecher – und 1000 km Renndistanz in Hockenheim. Kurzum: die „KTM Beast Boys“ im 7-Stunden-Kampf gegen 70 Vollverschalte.

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Die Idee war schnell geboren. Während der Fahrpräsentation der 1290er Überduke vor ein paar Monaten in Spanien sorgte DAS neue Naked Bike nicht nur bei der internationalen Presse für echte Begeisterung. Auch ich hatte Feuer gefangen. Speziell die im vollen KTM PowerParts-Trimm präparierten SUPER DUKES feuerten auf der Ascari-Rennstrecke ein Feuerwerk aus Beschleunigung, Verzögerung und Traktion ab, untermalt von erstklassiger Akrapovic-Musik. Ein spaßiger Renneinsatz mit genau diesen Geräten musste also nicht wirklich weiter diskutiert werden. Auch Jeremy McWilliams, der sowohl beim Pressetest als auch bei der vorherigen Entwicklung der SUPER DUKE R mit eingebunden war, war sofort Feuer und Flamme.

Die Wahl für einen 1290 SUPER DUKE R-Renneinsatz fiel schnell auf den traditionellen Kick-off der deutschsprachigen Asphalt-Rennszene: die 1000 km Hockenheim. Seit über 30 Jahren trifft sich hier am Ostersamstag ein bunter Haufen Rennverrückter; vom reinen Amateur über „Just for Fun“-Sportler bis zum Profiracer sind alle Rundstreckenspezies vertreten. Auch die Motorrad-Bandbreite ist groß. Teils serienmäßige Bikes ab 600 ccm treffen auf bis an die Zähne aufmunitionierte 1000er/1200er-Superbikes. Selbstredend alle vollverkleidet, denn so deppert kann normal keiner sein, sich mit einem Naked Bike über eine Distanz von 1000 Kilometern auf eine schnelle Piste wie Hockenheim zu trauen.

Beim 1000 km-Event dürfen pro Team mehrere Motorräder eingesetzt werden, das entspannt die Situation bei den Boxenstopps deutlich. Reinkommen, Zeitnahme-Transponder umstecken und der nächste Fahrer braust mit seinem Bike weiter. Dennoch ist auch bei diesem entschärften Endurance Racing ein erfahrenes Team aus Technikern und Taktikern das A und O. Wir, die „KTM Beast Boys“, durften uns zum Glück auf die Community der in Deutschland ausgetragenen SUPER DUKE Battle rund um Initiator, KTM Händler und Rennsport-Junkie Konrad Schittko verlassen.

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Jeremy McWilliams KTM 1290 SUPER DUKE R 1000km Hockenheim 2014

Schittko selbst musste zwar im allerletzten Moment absagen, weil ihm leider die Gesundheit einen Streich spielte, aber die halbe Battle-Familie vor Ort schaltete blitzschnell auf Notfall-Modus um und stellte, ohne mit der Wimper zu zucken, die Versorgung und den Service für uns auf lockere und denkbar beste Weise sicher. Danke dafür Jungs! Und vor allem: Gute Besserung und schnelle Genesung ins Spital für Konrad alias „Wuschel“!

Die Fahrerpaarung für das SUPER DUKE-Abenteuer war rasch zusammen. Da die famose Idee, sich auf einem Naked Bike mit lauter Gebückten anzulegen, von mir stammte, konnte ich mich nicht aus der Affäre ziehen. Auch Jeremy McWilliams sagte fix zu, zumal seine Racing Vita, sein technischer Input und seine gnadenlose Andrück-Motivation (auch mit 50 Lenzen!) unserem Projekt bestens zu Gesicht stand. Wir gingen einfach davon aus, dass 80 Prozent aller Teilnehmer bei der Vorstellung gegen ein irisches Ex-MotoGP-Tier auf einem 190 PS starken Naked Bike aus Österreich anzutreten, erst einmal schlucken würden.

Nummer drei im Bunde der „KTM Beast Boys“ ist ebenfalls eine Bank in der Szene. Immer wenn eine (Schittko-) KTM im Langstreckensport schnell und zuverlässig bewegt gehört, sitzt die „Rakete“ aus Wuppertal (im bürgerlichen Ingenieursleben Oliver Schmidt) hinterm Lenker.

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Jeremy McWilliams KTM 1290 SUPER DUKE R 1000km Hockenheim 2014

Der Umbau der beiden 1290er für den Einsatz in Hockenheim ging schnell von der Hand. Ein paar Dezibel mussten über den DB-Eater eliminiert werden, dazu wurden Schrauben gesichert und Startnummern geklebt – fertig waren die mittels KTM PowerParts auf rund 190 PS und 155 Nm erstarkten Einsatzgeräte. Dank einigen zusätzlichen Teilen des Spezialisten Markus Krämer konnte das Gewicht der Langstrecken-SUPER DUKE R um gut fünf Kilo auf unter 200 Kilogramm vollgetankt gedrückt werden.

Die Abnahme der Bikes verlief problemlos. Lediglich fehlende Kunststoffstopfen an den Fußrasten wurden vom technischen Kommissar bemängelt. Praktisch schaute die Lösung dann so aus, dass Oli Rakete in Hockenheim an der Tankstelle vier Flaschen Sekt kaufte und die Brause der anwesenden Damenwelt einschenkte. Aus den Korken schnitzte Schittko-Technikus Oli dann lupenrein passende Stopfen. Dazu wurden noch Bridgestone-Slicks der neuesten Generation aufgezogen und los ging´s in die 1000 km Schlacht.

Im Zeittraining lagen die Hoffnungen auf Jeremy. Zu Recht. In seiner nur dritten Runde überhaupt – McWilliams kennt zwar Hockenheim, nicht aber die Formel1-Variante des Kurses – zeigte der Monitor eine 1.48er Zeit. Wenig später feilte „Jezza“ bei noch kühlen Bedingungen wieder eine Sekunde weg und war damit im direkten Windschatten der Schnellsten, angeführt von Jörg Teuchert auf einer bayrischen RR. Am Ende rangierten wir auf dem achten Rang und 71 Teams wussten, dass man auch mit guten Nackenmuskeln und wenig Plastik fix unterwegs sein kann.

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11:45 Uhr. Rennstart in klassischer Le Mans-Manier. Um die Einschüchterungstaktik fortzusetzen, musste Jeremy erneut ran und den Start fahren. Nach kurzem Sprint tobte der Schnellste der „KTM Beast Boys“ mit erhobenem Vorderrad davon und bog als Dritter in die erste Kurve ein.

Doch gibt es da die lange Parabolica-Vollgassektion in Hockenheim. Hier gibt es nichts schön zu reden. Gegen einen Toppiloten auf einem 200 PS-Superbike macht auch das stärkste aller Naked Bikes keinen Stich. Nach einigen Runden pendelte sich Jeremy also auf Platz 7 ein. Nach 45 Minuten und dem ersten Stopp lag der orange Renner mit Startnummer 24 wieder auf Platz 4. Mit viel Drehmoment geht die 1290er offensichtlich sparsamer mit dem Benzin um als die kreischenden Reihenvierer und schaffte so mit 18 Litern einige Runde mehr.

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Oliver „Rakete“ Schmidt KTM 1290 SUPER DUKE R 1000km Hockenheim 2014

„Rakete“ machte seinem Namen alle Ehre und verteidigte die gute Platzierung. Kurzzeitig leuchtet gar P3 am Zeitenschirm. Mit einem frischen Medium-Hinterreifen ging ich nach 1,5 Stunden erstmals in Rennen. Meine Devise: Bloß keine Fehler, bloß keinen Schrott, immer schön rollen lassen. Der Plan ging halbwegs auf. Ich büßte mit 52er Rundenzeiten zwar Boden ein, mit Konstanz blieb der Schaden aber in Grenzen. Sich mit der SUPER DUKE gegen das aktuelle SBK-Establishment aufzulehnen, machte gewaltig Laune, aber eben auch schwere Schultern und einen harten Nacken. Im Windschatten etwa einer Pisten-Kuh rannte die Nackte mit dem unförmigen PR-Mann noch 286 km/h. Jeremy schafft es laut Tacho auf 298 Sachen. Das ist schon lustig, aber nach 20 Runden tut die Vollgasorgie dann auch etwas weh.

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Thomas „Kutti“ Kuttruf KTM 1290 SUPER DUKE R 1000km Hockenheim 2014

Sensationell war das Potenzial der 1290 SUPER DUKE R dafür in anderen Abschnitten. Eingangs des Motodroms passten Drehmoment und Übersetzung perfekt und war es ein Genuss, 1000er Fours hier im Sprint zur Sachskurve reihenweise auszubeschleunigen. Broooaaah. Und vorbei. Rakete erzählte später, wie er anschließend genau hier (vor vollbesetzten Tribünen) einmal Michael Galinski ausbremste. Der heutige Yamaha-Teamchef  (und Ex-Superbike-Champion) steuerte immerhin jene speziell aufgepumpte YZF-M1, die Matej Smrz letztes Jahr beim Superbike-WM-Lauf am Nürburgring als Wildcard-Starter einsetzte.

Das erste Drittel verlief perfekt. Doch dann, wie so oft im Rennsport, schlug der Blitz ein. Auf Platz 5 liegend kugelte sich unsere Nummer Eins mitsamt der 1290 in einer dichten Staubwolke eingangs Motodrom im Kiesbett. Glück im Unglück – Jeremy rappelte sich auf und brachte die R zurück an die Box. „Rakete“ setzte, so schnell es ging, auf Bike zwei die Fahrt fort. Doch der größte Zeitverlust drohte erst noch. Denn in den kommenden 45 Minuten, die Oli nun fuhr, würde es uns nicht gelingen, das Crashbike wieder zu richten. Beim nächsten Boxenstopp vergingen gefühlt Stunden, bis der Tank aus dem Spritkanister wieder befüllt war – tatsächlich waren es drei Minuten. Aufgrund der guten Reifenperformance, konnten wir uns wenigstens einen Reifenwechsel sparen.

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Noch gut zwei Stunden bis zum Ziel. Platz 10.

Oliver Kurpjuhn, unser gewiefter Taktiker im Boxen-Kommandostand, beschloss dann einen ungewöhnlichen Plan. Um bei den letzten beiden Wechseln möglichst wenig Zeit beim Tanken zu verlieren, wurde kurzfristig die im Eck der Box schlummernde blaue Schittko-KTM RC8, die vorsorglich das Abnahme-Prozedeere mit durchlaufen hatte, aktiviert. Ein Transponderwechsel benötigt weit weniger Zeit, also startete ich für genauso viele Runden damit ins Rennen, wie das Team benötigte, um die SUPER DUKE für Jeremys Schluss-Spurt perfekt herzurichten – mit vollem Tank, frischen Reifen und Bremsbelägen.

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Nach gut zehn Minuten auf der RC8 wurde ich wieder an die Box beordert, übergab den Transponder an McWilliams. Der nun das Kriegsbeil ausgrub und angaste als ginge es um den Sieg. Mit konstanten 1.48er Zeiten nach über 900 km Distanz holten die „Beast Boys“ wieder auf. Über fünf Sekunden pro Runde fräste sich der Ire an die Vordermänner heran. Acht Runden vor Abpfiff rückte er vor auf Platz 9, drei Runden später rangierte Jeremy dann auf Platz 8. Große Freude an der Boxenmauer. Wie es sich gehört, überfuhr die SUPER DUKE R steil am Hinterrad den Zielstrich.

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Fazit unseres Osterausflugs: Könnten wir McWilliams zweimal klonen und würden diese auch nicht hinfallen – wäre auch ein Podium mit einer Nackten machbar. Hätte-hätte-Perlenkette gilt aber nicht. Also freuten wir uns einfach, so wie es war. Und allen Vollverkleideten sei gesagt: Mit einem brennend heißen Nacken schmeckt das kalte Bier danach noch besser.

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Gratulation an die Sieger der 1000 km Hockenheim und vielen Dank an alle Unterstützer der „KTM Beast Boys“. Hut ab und High Five an: Hubi, Norbert, Horst, Oliver, Konrad, Maik, Rakete, Tobi & Jeremy!

Fotos: Buenos Dias