KTM 250 EXC TPI: Geh ans Limit

Wer könnte die Einladung, als einer der ersten Fahrer (einer von zwei) die 2018er KTM 250 EXC TPI im Renneinsatz zu testen, ausschlagen? Das Ganze hat nur einen Haken. Besagtes Rennen ist das härteste Hard Enduro der Welt – das Erzbergrodeo.

Jonathan Pearson (GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Wenn dir angeboten würde, als einer der Ersten der Welt ein Exemplar der bahnbrechenden, neuen KTM-2-Takter mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung im Rennen zu fahren, würde dir doch auch das Wasser im Mund zusammenlaufen, oder? Was aber, wenn dieses Rennen das härteste Hard Enduro der Welt wäre? Würdest du dir die Sache nochmal überlegen? Zu spät!

Ich treffe die KTM 250 EXC TPI praktisch an der Startlinie. Bei unserem ersten Rendezvous tanzen wir über Felsen, carven um Haarnadelkurven und besteigen die Achterbahnfahrt eines eisernen Giganten – des Erzberg-Steinbruchs in Eisenerz. Die EXC ist typischerweise zu allem bereit. Das Fahrwerk, die Federung und die Bremsen gleichen den Komponenten des 2017er-Modells, alles fühlt sich also wie gewohnt an – wir geben ein nettes Pärchen ab.

Jonathan Pearson (GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Unser erstes Date ist ein Speed-Date – der Erzberg-Prolog. 10 Minuten lang prügle ich die neue KTM 250 EXC TPI bei Autobahngeschwindigkeit über die Vorsprünge des Steinbruchs und bremse steinige und rutschige Haarnadeln hart an. 1500 Fahrer bekommen zwei Chancen, in der bestmöglichen Zeit den eisernen Giganten in Eisenerz hochzujagen. Die schnellsten 500 qualifizieren sich für das Hauptrennen am Sonntag. Die Zeiten liegen eng beieinander und wenn du im höchsten Gang am Anschlag fährst und dir der Fahrtwind die Tränen in die Augen treibt, sind die vertrauten Qualitäten einer EXC herzlich willkommen.

Sonntagmittag ist da, Nervosität liegt in der Luft, alle stürmen auf den Berg, nur ich nicht. Reihen von je 50 Fahrern starten die Motoren und verlassen den Startbereich. Als aber die Startflagge für meine Reihe (Reihe drei) geschwenkt wird, geben nur 49 Piloten ihren Maschinen die Sporen, während mein TPI-Motor beschließt, noch ein paar Sekunden weiterzuschlafen. Vielleicht saß der Schmerz unseres ersten Vollgas-Dates noch zu tief.

Jonathan Pearson (GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Die nächsten vier Stunden sind geprägt von verschiedenen Stufen des Wahnsinns und einer aufblühenden Beziehung. Das Rennen konfrontiert einen beinahe sofort mit gigantischen Hügeln, die vollen Einsatz im dritten Gang fordern. Mit überraschend bulliger Power und unglaublichem Grip segelt die mit elektronischer Kraftstoffeinspritzung ausgerüstete KTM 250 EXC TPI förmlich hinauf. Auch wenn es wieder runtergehen soll, brauchst du ein Bike, das einfach zu handhaben ist. Die Rückmeldung und Konstanz der Vorderradbremse und Federung geben mir genug Vertrauen, um Abstiege hinunterzufahren, bei denen andere neben ihren Bikes hergehen.

Ich bin von 2-Taktern mit 300 ccm umgeben und frage mich für einen Moment, ob die KTM 250 EXC TPI die richtige Wahl war. Einer der steilsten Hügel, die der Erzberg zu bieten hat, beweist aber, dass die Power der KTM 250 EXC TPI durchaus ausreicht. Eine 300er-2-Takter ist vielleicht die beste Waffe für dieses Rennen, was auch der Grund ist, warum Top-Fahrer wie Alfredo Gomez auf solche Bikes setzen. Allerdings ist eine 300er auch anstrengender zu fahren und diese Veranstaltung ist so schon anstrengend genug. Eine stärkere Leistungsentfaltung hilft dir in machen Abschnitten, bedeutet aber auch, dass du dich mehr festhalten musst. Ich habe die Extra-Power einer 300er bei meinem ersten Rennen am Erzberg jedenfalls nicht vermisst, sondern den Charakter der neuen KTM 250 EXC TPI genossen.

Jonathan Pearson (#339, GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Außerdem haben die TPI-Modelle zwei wichtige Vorteile: Sie sind sparsamer und ihre Kraftstoffzufuhr ist gleichmäßiger. Bereits seit der internationalen Pressevorstellung im Mai wissen wir, dass die TPI-Motoren weniger durstig sind. Bei einem Bewerb wie dem Erzbergrodeo musst du Pläne für das Auftanken machen, aber erstaunlicherweise musste ich die KTM 250 EXC TPI während des Rennens nicht einmal auftanken. Ein Blick auf den transparenten Tank genügte, um mich bei jedem Tankstopp zu vergewissern, dass ich noch ausreichend Kraftstoff hatte, also fuhr ich einfach weiter. Natürlich fährt man bei einem Hard-Enduro-Rennen oft im unteren Drehzahlbereich. Trotzdem ist das ein großer Fortschritt gegenüber Vergaser-2-Taktern.

Die Waldbereiche sind die härtesten Prüfungen des Erzbergrodeos und genau hier zeigen sich die weiteren Stärken des TPI-Motors. Vor den brutal steilen und technisch herausfordernden Anstiegen zwischen den Bäumen bilden sich Staus und wir verbringen mindestens genauso viel Zeit damit, unsere Bikes zu heben wie beim Fahren – plötzlich ist sonnenklar, warum wir bei Hard-Enduro-Rennen 2-Takter statt 4-Taktern einsetzen.

Jonathan Pearson (GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Eisenerz‘ Steinbruch liegt weit über dem Meeresspiegel und dank der Charakteristik der Veranstaltung laufen die Motoren meist bei geringen Drehzahlen. Das fordert von Vergaser-Motoren seinen Tribut und so bin ich von qualmenden 2-Taktern umgeben. Aus meinem Auspuff dringt aber kaum Rauch. Der TPI-Motor läuft den ganzen Tag effizient und gleichmäßig, während wir uns den Berg hinauf- und wieder hinunterkämpfen – selbst als ich mich bei einem Unfall überschlage, läuft dank der Abwesenheit von Vergaser-Entlüftungsleitungen kein Kraftstoff über.

Der Deal sah vor, dass ich ein serienmäßiges Bike fahren sollte, welches lediglich mit einigen KTM PowerParts auf die Brutalität des Erzbergs vorbereitet wurde: Bremsscheibenschutz, Motorschutz, Hitzeschutz, Handschlaufen vorne und hinten sowie ein Handschutz aus Metall – alles Teile aus dem KTM PowerParts-Katalog.

Von diesen wenigen Komponenten abgesehen, handelt es sich um eine Serien-EXC, frisch vom Band und mit der serienmäßigen Federungsabstimmung. Die Antwort auf die Frage „Ist die neue EXC TPI gut genug, um beim härtesten Hard-Enduro-Bewerb der Welt mitzufahren?“ ist ein klares Ja.

Jonathan Pearson (GBR) KTM 250 EXC TPI Erzbergrodeo (AUT) 2017

Fotos: Robert Lynn/Future7Media