KTM-F&E: Was nun?

In mehreren Gesprächen mit zwei Bereichsleitern in der stetig wachsenden Forschungs- und Entwicklungsabteilung in Mattighofen förderten wir einige interessante Informationen zu Tage, die viele Motorradfahrer und vor allem KTM-Fans interessieren dürften …

KTM-F&E-Gebäude

Unsere Informationen haben wir aus erster Hand – mit Gerald Matschl, Bereichsleiter F&E Street, und Bernhard Plazotta, Bereichsleiter F&E Offroad, sprachen wir über Design, Entwicklungen im Motorsport und den Prozess, wie es Ideen bis in die Serienproduktion und an Motorräder schaffen, die dann glänzend neu beim Händler stehen und auf eine Testfahrt warten.

Obwohl sie uns bereitwillig und ausführlich Rede und Antwort standen, blieben ein paar letzte Fragen ungeklärt. Was ist mit den europäischen Emissionsrichtlinien? Werden 2-Takter Teil der KTM-Produktpalette bleiben? Wird die Trennung zwischen KTM und Husqvarna noch deutlicher? Wie sieht die Zukunft aus? Natürlich war es schwierig, auf manche Fragen eine zufriedenstellende Antwort zu bekommen, aber wir gaben nicht auf und versuchten, ihnen ein paar Details zu entlocken. Hier ist, was wir erfahren haben …

Die Wiederbelebung der 2-Takter und ihre Bedeutung …
Plazotta: „Als ich begann bei KTM zu arbeiten, sagte man mir, dass die 2-Takter aussterben würden … Damals glaubten wir nicht, dass es möglich wäre, sie zu homologieren. Aber dann wurde der Extreme Enduro-Sport immer populärer und die 2-Takter entwickelten sich immer weiter. Mittlerweile verwenden wir eine Ausgleichswelle, denn der größte Nachteil dieser Bikes waren die starken Vibrationen. Zu Anfang mussten wir viel Arbeit in die Abstimmung der Federung stecken, aber jetzt wird es immer einfacher. Sie ist leichter, deutlich günstiger und wir haben weniger Probleme mit der Temperatur. Das hilft uns mit Sicherheit, um mehr 2-Takter zu verkaufen. Im nächsten Schritt müssen wie versuchen, den Vergaser loszuwerden …“

143518_KTM EXC MY 2017 Action 2-stroke_Counter balancer shaft
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KTM 300 EXC MY2017

Die Möglichkeiten, ein Offroad-Bike weiterzuentwickeln …
Plazotta: „Ich bin mir sicher, dass sich die Entwicklung bei den 4-Taktern verlangsamen wird. Bei den 2-Taktern wird es einige Veränderungen geben – besonders bei den Wettbewerbsregeln, denn die 250er ist vielseitig einsetzbar –, von daher erwarte ich einige neue Herausforderungen. Die KTM 350 SX-F entstand eigentlich, um den Hubraum im Supercross zu reduzieren, aber die japanischen Hersteller waren mit dieser Idee nicht einverstanden. Insgesamt denke ich, wird es bei den 4-Taktern in Sachen Hardware nur in kleinen Schritten vorangehen und im Bereich Elektronik werden wir sehen, was möglich ist. Im Motorsport gelten bestimmte Vorgaben – für die Nutzung zusätzlicher Sensoren –, daher denke ich, dass die Entwicklungsschritte z.B. bei der Traktionskontrolle klein sein werden. Es ist eine Sache, die Elektronik immer weiter zu entwickeln, aber eine ganz andere, damit auch wirklich einen Mehrwert für den Fahrer zu schaffen. Einige Elektronikfeatures sind originelle technische Spielereien, aber das sollte nicht das eigentliche Ziel sein.“

Der Weg, den Husqvarna bestreiten wird …
Plazotta: „Ich würde sagen, hier ist der Fokus ein anderer … die Husqvarna mit dem Karbonverbund-Heckrahmen ist ein Beispiel für einen großen Entwicklungsschritt. Der Vertrieb würde sich in manchen Bereichen eine noch deutlichere Trennung wünschen, aber wir wollen nicht ein Bike schlechter machen als das andere, nur damit es sich unterscheidet. Das ist immer eine ziemliche Herausforderung. Wenn man zum Beispiel die ideale Oberfläche für die Seitenverkleidung entwickelt hat, dann will man die für alle Modelle und nicht nur für eines verwenden. Das kann die Arbeit am Design manchmal ganz schön kompliziert machen.“

Flagshipstore Wien (AUT)

Die Entwicklung der KTM-Forschungs- und Entwicklungsabteilung …
Matschl: „Um in Zukunft in gleicher Weise weiterarbeiten zu können, werden wir mehr Spezialisten einstellen müssen. Motorräder sind mittlerweile so komplex, dass es unmöglich ist, von einer Person zu verlangen, den Gesamtüberblick zu behalten. Vor zehn Jahren war es dem Projektleiter vielleicht noch möglich, den Überblick zu behalten, aber mittlerweile brauchen wir Spezialisten für die verschiedenen Aufgabenbereiche wie zum Beispiel Elektronik, Ergonomie, Aerodynamik, …. Motorräder können heute im Allgemeinen viel mehr und sind besser ausgestattet als noch vor zehn Jahren. Die Konkurrenz zwischen den Herstellern ist enorm und alle müssen sich den gleichen Herausforderungen stellen, um voranzukommen. Daher ist es in erster Linie wichtig, mehr Spezialisten und kompetente Projektleiter aufzubauen, die die Abläufe koordinieren und den Überblick behalten. Was wir bei KTM nicht möchten, ist, dass die Projektleiter nur vor ihrem Computer sitzen und Excel-Tabellen erstellen; sie sollten ihr Team auch mit technischem Input unterstützen. Sie sind diejenigen, die ein Projekt von Beginn an betreuen, alle Einzelaspekte und involvierten Personen zusammenbringen, während des gesamten Entwicklungsprozesses dafür sorgen, dass alle das gleiche Verständnis haben, und sicherstellen, dass nicht ein Spezialist in die falsche Richtung arbeitet. Dafür ist es wichtig, dass die Projektleiter die richtigen Fragen und Anforderungen stellen.“

Die Auswirkungen der europäischen Emissionsrichtlinien …
Plazotta: „Im Offroad-Segment ist die größte Herausforderung, vor der wir stehen, das Thema der Homologation. Jetzt haben wir die Euro 4, aber für das Modelljahr 2020-21 müssen unsere Modelle den Euro 5-Richtlinien entsprechen. Es gibt immer neue Technologien, mit denen wir uns befassen müssen, z.B. Elektromotoren im Offroad-Segment, was manchmal kompliziert sein kann. Noch im Dezember 2016 kannten wir so gut wie keine Details zur Euro 5, da es immer noch Verhandlungsbedarf gibt. Mittlerweile kennen wir die Vorgaben für die Zündung, aber nicht zu Lärmemissionen etc. Während es zunächst so aussah, als gäbe es keine Änderungen, müssen wir uns nun doch auf Neuerungen einstellen und das ist problematisch. Die finalen Entscheidungen müssen so schnell wie möglich getroffen werden, denn unsere Planung für das Modelljahr 2020 läuft bereits. Wir müssen ein Steuergerät mit integrierter Diagnostik entwickeln sowie die entsprechenden Mappings, wofür wir mit einem Zeitrahmen von mindestens zwei Jahren rechnen.“

Fotos: KTM