Mika Kallio: Der Mann unter dem Helm

Es ist ein langer und schwieriger Weg von einer Garage im kleinen finnischen Ort Valkeakoski bis hin zum KTM-MotoGP-Testfahrer, auch wenn man in den verschiedenen Klassen der MotoGP-Weltmeisterschaft erfolgreich war. Für Mika Kallio war es ein wechselhafter und arbeitsreicher Weg.

Mika Kallio (FIN) Misano (RSM) 2016

Mika Kallio (FIN) Misano (RSM) 2016

Geboren in den 1980ern in Finnland, verpasste Kallio nur ganz knapp die goldene Ära des finnischen Straßenrennsports. In den 1970ern hatten sich zahlreiche finnische Superstars einen Namen gemacht und kurz darauf ihren Helm an den Nagel gehängt. Zu dieser Zeit fand auch das letzte MotoGP-Rennen in Finnland statt.

Mika wuchs in einer Familie aus der Arbeiterklasse auf; nicht mit den finanziellen Mitteln, um den teuren Motorradsport zu finanzieren. Was sie ihm stattdessen mit auf den Weg gaben, war aber etwas sehr viel Wertvolleres – eine große Leidenschaft für den Motorsport und ein gesundes Interesse an technischen Dingen. Wegen fehlender Rennstrecken und Trainingsmöglichkeiten in Finnland, hatte es der Junge mit dem großen Interesse am Rennsport anfangs schwer.

Aber wer mit Racing-DNS geboren wird, lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. Bereits Mikas Vater Hannu war ein begeisterter Rennfahrer, der bei Rennen in der finnischen Meisterschaft startete, sowohl im Sommer als auch im Winter auf Eis. Wie fast alle Rennfahrer auf nationalem Level, wartete und reparierte Hannu seine Bikes in der eigenen Garage. Vielleicht war es genau das, was Mikas Interesse und Begeisterung für Motorräder weckte. Als kleiner Junge verbrachte er viele Stunden in der Garage seines Vaters, bastelte an den Motorrädern, lernte, wie sie funktionieren und schon damals stand für ihn fest, dass es nichts besseres auf der Welt geben konnte, als ein Motorrad zu fahren.

Schon bald stand fest, dass es für Hannu an der Zeit war, seine Rennfahrerkarriere zu beenden und sich auf die Unterstützung seiner beiden Söhne, Mika und seinen älteren Bruder Vesa, zu konzentrieren, die sich zu vielversprechenden Talenten entwickelten. Im Nachhinein eine gute Entscheidung. Mika fuhr – und gewann – sein erstes Rennen im Jahr 1997. Gleich in seiner ersten Saison wurde er finnischer Meister im Straßenrennsport und kurz darauf war er bereits mehrfacher finnischer und nordischer Meister, der sich auch bei Ice Racing-Meisterschaften versuchte.

Mikas Geschichte ist eng mit einem anderen bekannten finnischen Namen im Motorsport verbunden. Einer von Hannus größten Rivalen war kein anderer als Aki Ajo, ebenfalls ein finnischer Rennfahrer, der ganz in der Nähe lebte und schon damals plante, sein eigenes MotoGP-Team aufzubauen. Für Ajo, mittlerweile einer der am meisten respektierten Manager im MotoGP-Fahrerlager, war Mika ein Geschenk und seit langer Zeit der erste Finne in der Weltmeisterschaft.

Mika Kallio (FIN) Valencia (ESP) 2005

Mika Kallio (FIN) Valencia (ESP) 2005

2002, in seiner Debüt-Saison in der Weltmeisterschaft, belegte Mika in der 125cm3-Klasse Platz 11 und wurde Rookie of the Year. In der darauffolgenden Saison stand er mit KTM zum ersten Mal auf dem Podium. 2005 beendete er eine 30-jährige Durststrecke und gewann als erster Finne wieder ein GP-Rennen und verpasste am Saisonende den Weltmeisterschaftstitel nur knapp um fünf Punkte. Ähnlich erging es ihm im Jahr darauf. Schnell entwickelte sich Kallio zum Spitzenpiloten und war zuversichtlich, den Titel im nächsten Jahr gewinnen zu können – oder spätestens im Jahr darauf.

Acht Jahre später, in der Saison 2014, war Mika in der bis dahin besten Form seiner Karriere. Mit einer weiteren Auszeichnung als Rookie of the Year, zwei Silber- und einer Bronzemedaille im Gepäck, wollte er in der Moto2-Klasse im Marc VDS Team um seinen ersten Weltmeisterschaftstitel kämpfen.

Mika spürte, dass er kurz davor stand, seinen Traum zu verwirklichen. Seine Ergebnisse waren konstant gut, er gewann Rennen und stand regelmäßig auf dem Podium. Mental und physisch war er in besserer Verfassung als jemals zuvor. Sein Team schätzte ihn als Fahrer mit herausragenden technischen Fähigkeiten, Talent beim Daten auswerten und großartigem fahrerischen Potenzial. Außerdem genießt Mika den Ruf, ein perfekter Entwicklungsfahrer zu sein; ein Instinkt, der sich ohne Zweifel in seiner Jugend in der Garage in Valkeakoski entwickelte. Selbst erfahrene Ingenieure sind immer wieder überrascht, was für ein spezifisch technisches Detailwissen Mika mitbringt.

In einem der Jahre, in dem Mika um die Weltmeisterschaft fuhr, wurde er einmal gefragt, was passieren würde, wenn er nie Weltmeister werden würde. Für ein paar Sekunden wusste er nicht, was er antworten sollte. Es war offensichtlich, dass diese Möglichkeit keine Option war und er seinen Traum weiter verfolgen würde.

Aber das Ergebnis am Saisonende war wieder das gleiche. Nach Jahren voller Opfer, Kämpfen, schlaflosen Nächten und extrem harter Arbeit, beendete Mika die Saison erneut als Vizeweltmeister und musste seinem Teamkollegen Tito Rabat zum Titel gratulieren.

Mika Kallio (FIN) Doha (QAT) 2014

Mika Kallio (FIN) Doha (QAT) 2014

Aber Aufgeben ist für Männer aus dem Norden keine Option und 2016 war Mika bereit für neue Herausforderungen. Wie für viele andere, war auch für Mika die MotoGP-Klasse das Ziel. Nach ersten Erfahrungen in der größten Klasse im Jahr 2009, in dem es ihm nicht perfekt gelang, das Bike an seinen Fahrstil anzupassen, bot sich mit KTM erneut die Chance auf einen MotoGP-Einsatz.

Nachdem er mit KTM in den Anfangsjahren seiner Karriere viele Erfolge feiern konnte, entschied sich Kallio ohne großes Zögern erneut für eine Zusammenarbeit und die Möglichkeit, an einem spannenden MotoGP-Projekt mitzuarbeiten, die KTM RC16, das Bike mit dem KTM 2017 in die MotoGP einsteigen wird, mit zu entwickeln und mit dem KTM-Team Geschichte zu schreiben.

Mika Kallio (FIN) & KTM Team Valencia (ESP) 2016

Mika Kallio (FIN) & KTM-Team Valencia (ESP) 2016

Mika ist ein Fahrer mit großartigen Referenzen. Seine lange, internationale Karriere ist geprägt von Talent, einer unbändigen Leidenschaft und unglaublichen Arbeitsmoral. Er weiß, dass ein Titel nicht allein durch den Fahrer gewonnen wird; es ist eine Teamleistung, zu der viele beitragen. Und genau wegen dieser Eigenschaften und seinem Engagement hat er sich großen Respekt im MotoGP-Paddock und darüber hinaus erarbeitet. Kaum verwunderlich also, dass sich ehemalige Manager und Teamchefs durchweg positiv über Mika äußern.

Aki Ajo, KTM Ajo Moto3-Teammanager: „Gemessen an seinem Talent, hätte Mika schon mehrere Weltmeisterschaften gewinnen müssen“. Und Michael Bartholemy, Manager des Marc VDS Teams, sagt: „Ohne Mika wären wir heute nicht auf diesem Niveau“. Aussagen wie diese, von zwei der meist respektiertesten Teammanager in der MotoGP, sind Beleg für Mikas großartigen Charakter und sein Talent.

Mika Kallio, der Mann unter dem Helm, hat jetzt eine neue Chance, sich in seinem Sport einen Namen zu machen und die, die ihn kennen, sind überzeugt, dass er die besten Voraussetzungen für den Job als KTM-Testfahrer mitbringt und den Ingenieuren exzellentes Feedback liefern wird.

Mika Kallio (FIN) KTM RC16 Jerez (ESP) 2016

Mika Kallio (FIN) KTM RC16 Jerez (ESP) 2016

Fotos: KTM | Marc VDS Team