Mr. Adventure – Teil 1

Joe Pichler hat über 350.000 Kilometer außerhalb von Europa zurückgelegt und Touren mit jedem einzelnen ADVENTURE-Modell von KTM absolviert. Wir haben uns mit dem 58-jährigen Österreicher getroffen, um herauszufinden, was ihn bei seinen Abenteuern antreibt.

Joe Pichler (AUT) 2019 © Joe Pichler

Als Motorradfahrer treffen wir bei unseren Ausfahrten viele Gleichgesinnte. Motorräder sind wie eine gemeinsame Sprache; Unterschiede in Politik, Herkunft oder Religion haben da keinen Platz – alle Motorradfahrer eint eine Leidenschaft für zwei Räder und einen Motor. Wir alle sind Teil eines globalen Klubs und bereit, Geschichten und Ratschläge auszutauschen.

Bitte vergebt mir meine Selbstgefälligkeit, aber ich hatte das Glück, während meiner mehr als 20 Jahre in der Welt der Motorräder einige der besten Fahrer der Welt zu treffen. Und obwohl es ganz natürlich ist, die Fähigkeiten und Errungenschaften dieser Athleten zu bewundern, bringen dich ihre außerirdischen Fertigkeiten auf dem Motorrad oft auf den Boden der Tatsachen zurück. Und dann ist da Josef ‚Joe‘ Pichler.

Zur Präsentation der KTM 790 ADVENTURE und der KTM 790 ADVENTURE R Anfang 2019 in Marokko brachte KTM Marc Coma, Jordi Viladoms, Laia Sanz, Sam Sunderland, Chris Birch und Quinn Cody mit. Allesamt Legenden. Allesamt unglaubliche Offroad-Fahrer. Menschen, die es in ihren Disziplinen ganz nach oben geschafft haben und dennoch bescheiden geblieben sind. KTM lud aber auch einen großgewachsenen Österreicher mit einem verrückten Haarschnitt ein. Er kann zwar keine nennenswerten Trophäen aufweisen, war aber trotzdem der einzige Fahrer, mit dem ich ein Selfie schießen wollte (ja, ja, ich weiß …) und der mich tatsächlich inspirierte.

Warum? Ok, Joe ist groß und aus Österreich, ich klein und aus England und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Joe ist aber auch ein ganz normaler Typ, der es liebt, die Welt im Sattel eines Motorrads zu erkunden. Er hat keinerlei Rennerfahrung und hat sich alles, was er als Entdecker braucht, selbst beigebracht.

Nach einem Tag mit der KTM 790 ADVENTURE R in den Dünen bei Merzouga hielt Joe vor den versammelten Medienvertretern und Mitarbeitern eine Präsentation ab. Keine aufregende PowerPoint-Show, stattdessen unglaubliche Geschichten, untermalt mit Fotos, die jedermann im Besitz eines Motorrads und der richtigen Einstellung schießen könnte. Die Präsentation war inspirierend, weil ich wie Joe sein könnte. Eine etwas kleinere Version von Joe, aber trotzdem.

Joe wurde in Salzburg geboren, fährt seit 1984 Adventure-Motorräder und hat außerhalb von Europa 350.000 km zurückgelegt. „Ich habe keine Ahnung, wie viele Länder ich besucht habe“, so Joe beim Mittagessen in einem Café am Fuße der Merzouga-Dünenlandschaft, das ein bisschen etwas von einer Oase hat. „Es müssen etwa 80-90 sein. Ich zähle nicht mit.“

Joe wirkt dabei überhaupt nicht angeberisch und seine Art führt dazu, dass man ihn in wenigen Sekunden ins Herz schließt. Dieser unauffällige, großgewachsene Mann mit dem ansteckenden Lächeln erzählt seine Geschichten so, dass man ihm ewig zuhören könnte.

„Am liebsten fahre ich in Afrika“, fährt er fort. „In 30 Jahren habe ich sicher über dreieinhalb Jahre damit verbracht, in Afrika verschiedene Touren zu fahren; dieser Kontinent ist einfach großartig. Äthiopien fasziniert mich am meisten – die Kultur und Landschaft dieses Landes unterscheiden sich so stark vom Rest. Und dann ist da noch die Sahara.“

Ach ja, die Sahara. Joe bekam eine Vorserien-Version der KTM 790 ADVENTURE R (die zusätzliche Federungsperformance kümmert ihn nicht, aber er zieht die größere Sitzhöhe vor) und ließ sie in den Tschad in Nordafrika liefern. Er fuhr damit dann entgegen dem Uhrzeigersinn den Norden des Kontinents ab und erreichte den internationalen Medien-Launch der KTM 790 ADVENTURE und der KTM 790 ADVENTURE R an den Rändern der Merzouga nach 19.000 km im Sattel. Abgesehen von KTMs eigenen Testfahrern hat niemand mehr Kilometer auf diesen Bikes abgespult. Bestimmt ist er ein ausgezeichneter Fahrer?

Joe Pichler (AUT) 2019 © Luke Brackenbury

Die richtige Einstellung
„Ich bin ein Motorradfahrer, aber kein Hardcore-Fahrer“, so Joe an einem extrem heißen Nachmittag, an einer heißen Tasse Kaffee nippend. „Ich lerne in der Praxis, nicht in der Fahrschule. In Europa fahre ich nicht viel mit dem Motorrad. Vor all diesen langen Trips fuhr ich auch zuhause mit dem Bike herum. Heute fahre ich vielleicht einmal oder zweimal im Jahr nach Italien oder Kroatien. Für mich beginnt das Abenteuer, wenn ich Europa verlasse. Normalerweise fahre ich mit meiner Frau Renate, manchmal aber auch alleine. Für mich verkörpert das die echte Freiheit des Motorradfahrens.“

Die richtige Zeit
Unzählige Fahrer träumen davon, sich selbst auf eine legendäre Reise zu begeben und die Welt auf zwei Rädern zu erkunden. Würdest du solchen Leuten raten, aus dem Stand lange Touren anzugehen?

„Das kommt auf den Fahrer an“, sagt Joe wie aus der Pistole geschossen. „Meine erste Tour dauerte 4 Monate. Davor war ich nur einmal in meinem Leben mit einem Freund nach Süditalien gefahren. Eines Abends sahen wir uns auf einer Karte an, wo wir uns befanden. Es fiel uns auf, dass auch Nordafrika auf der Karte zu sehen war. Nach ein paar Gläsern Rotwein sagte ich, dass es großartig wäre, nach Marokko zu fahren. Casablanca zu sehen. Die Idee fraß sich in meinem Gehirn fest und ein paar Jahre später setzte ich sie in die Tat um.“

Aufgrund seiner Erfahrung fragen wir Joe, wie lange man ein legendäres Abenteuer planen und wann man damit beginnen sollte.

„Fahrt einfach los“, antwortet Joe. „Ich habe so viele Menschen getroffen, die jahrelang planen und träumen. Als ich zum ersten Mal zu einer großen Reise aufbrach, hatte ich noch nie in meinem Leben einen Reifen gewechselt! Ich bin kein Mechaniker. Das ist vielleicht nicht der beste Ansatz, aber auf seine Art auch ein guter.”

„Macht nicht zu viele Pläne mit Google Earth und so – plant nicht jeden Tag minutiös. Auf diese Art geht nur der Geist des Abenteuers verloren. Pläne könnt ihr auch unterwegs schmieden. Natürlich müsst ihr einen Basisplan haben, plant aber nicht jeden Tag im Detail. Seid offen für Veränderungen. Erkundet die Gegend. Versteift euch nicht. Das Schwierigste ist, den Motor zu starten und euer warmes, vertrautes Zuhause zu verlassen. Sobald ihr aber unterwegs seid, werdet ihr nicht mehr zurückblicken.“

Der richtige Ort
Dank all der Informationen im Internet darüber, wohin man fahren kann und wo Menschen bereits gewesen sind, ist es einfach, die Abenteuer anderer Fahrer nachzumachen, so Joe.

„Fahrt nicht dorthin, wo alle schon gewesen sind und wovon unzählige Bilder auf Instagram und Facebook gepostet wurden, sondern versucht, euer eigenes Abenteuer zu erleben. Manchmal ist es ein größeres Abenteuer, an Plätze zu fahren, die noch nie jemand besucht hat.“

Joe Pichler (AUT) 2019 © KTM

Die richtigen Dokumente
Als total verwestlichter Mensch und (noch) als Europäer bereiten mir nur Grenzübertritte Kopfzerbrechen. Ich habe zwar nichts zu verbergen, scheine aber eines jener Gesichter zu haben, die sofort Misstrauen hervorrufen. Und das hat mir bei meinen Reisen um die Welt immer schon Sorgen bereitet.

„Grenzübertritte gehören zu den Dingen, auf die man vorbereitet sein muss“, sagt Joe so ernst, wie ich ihn noch nie erlebt habe. „Du musst alle Dokumente zusammen haben, für den Zoll, deine Visa. Sogar bei kleinen Grenzen, wie der zwischen Senegal und Mali, nehmen sie deine Fingerabdrücke und alles auf. Auf diesem Trip habe ich aber ohne Probleme 10 Länder durchquert. Unsere Dokumente sind aber immer in Ordnung. Wenn sie das nicht sind, steckst du schnell in Schwierigkeiten. Ihr solltet also sicherstellen, dass eure Dokumente in Ordnung sind. Vor 20 Jahren war das noch anders …“

Das richtige Werkzeug
Worauf schaut Joe bei einem Adventure-Bike, bevor er tausende Kilometer in verschiedenen Ländern abspult?

„Zuerst auf die Reichweite“, sagt Joe ohne zu zögern. „Bei normalen Bedingungen solltest du mit einer Tankfüllung ca. 400 km weit kommen. Das erlaubt dir, auch abgelegenere Regionen zu erkunden. Auch wichtig ist ein kultivierter und einfach zu kontrollierender Motor. Manchmal bist du wochenlang unterwegs – oft sitzt du jeden Tag im Sattel. Ein einfach zu benutzender Motor mit genug Power für Fahrer und Sozius plus Gepäck ist dabei Pflicht.“

„Auch das Fahrwerk spielt eine wichtige Rolle, denn du brauchst einen starken Rahmen. Ich bin normalerweise mit Sozius und Gepäck unterwegs – da darf auf keinen Fall etwas brechen. Eine gute Federung hilft, weil du eventuell manchmal auf Straßen unterwegs bist, deren Asphalt in schlechtem Zustand ist.“

Bleib dran für „Mr. Adventure – Teil 2“ und erfahrt, was Joe bei seinen Abenteuern antreibt.

Fotos: Joe Pichler | Luke Brackenbury | KTM