MXGP 2019: 3 wichtige Fragen

Was ist frustrierend am Rennsport? Stürze in der letzten Runde oder Positionsverluste? Die belastenden Momente, wenn harte Arbeit keine Früchte zeigt? Oder ist es vielleicht die Tatsache, dass die Entwicklung nie stillsteht und dass aktuelle Resultate keine Garantie für die Zukunft sind? KTM würde den letzten Punkt wahrscheinlich streichen; besonders, wenn es um die Anstrengungen des Red Bull KTM-Teams in der MXGP geht.

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KTM 450 SX-F & KTM 250 SX-F © B. Swijgers

Die FIM-Motocross-Weltmeisterschaft der Saison 2018 war vielleicht ein entscheidender Moment in der Geschichte des Unternehmens und des Teams: Sowohl in der MXGP als auch in der MX2 räumte das Team die Plätze 1 und 2 ab, errang Titel in beiden Klassen und dominierte jedes Wochenende nach Belieben. Die KTM 450 SX-F und die KTM 250 SX-F sind das Nonplusultra in Sachen Performance und wurden schnell zu den begehrtesten Bikes auf den Motocross-Strecken der Welt.

Fünf Monate nachdem in den Niederlanden, Italien und Österreich die Sektkorken knallten, beginnt alles von vorn. Die Startgatter sind verstaut, die Podeste staubig, der Punktestand wurde auf 0 zurückgesetzt und die Spekulationen beginnen wieder von Neuem. Frustration oder Herausforderung? Egal, wie man fühlt – Zeit ist ein Aspekt im Rennsport, den es für Energieregeneration und Motivation zu schätzen und zu nutzen gilt.

In Anerkennung und Vorfreude auf neunzehn weitere brutale und aufregende Motocross-Läufe haben wir vor dem ersten Lauf, dem Grand Prix von Argentinien an diesem Wochenende, drei essentielle Fragen für die Piloten des Red Bull KTM Factory Racing Teams zusammengestellt.

1) Ist die Saison 2018 ein unantastbarer Traum?
Ein ‚Traum‘ in dem Sinn, dass das letzte Jahr nun vorüber ist und dass die schiere Anzahl an Trophäen und Errungenschaften noch immer unfassbar erscheint. Im Laufe der letzten 9 Jahre hat KTM in der Königsklasse 7 Titel gewonnen (8 von 9 in der MX2). Der interne Kampf zwischen Jeffrey Herlings und Tony Cairoli sowie Jorge Prado und Pauls Jonass in der Saison 2018 hat jedoch nicht nur dazu geführt, dass die Meisterschaftskronen an Fahrer aus demselben Team gingen, sondern auch dazu, dass ein Team die Konkurrenz auf dem höchsten Niveau des Sports völlig dominierte. So etwas passiert nicht alle Tage.

Die Umstände der Saison 2019 lassen vermuten, dass ein ähnliches Kunststück schwierig werden wird. Herlings kämpft um sein Comeback, nachdem er sich den rechten Fuß gebrochen hat – eine Verletzung, die den Champion noch lange nach dem Start der Saison Speed und Selbstvertrauen kosten wird. 2018 haben zwei Red Bull KTM-Fahrer alle Läufe bis auf einen gewonnen. Aus oben genanntem Grund wird es wohl eine übermächtige Aufgabe werden, das heuer zu wiederholen. Herlings und Cairoli werden natürlich dennoch nichts unversucht lassen. Cairoli hat das Zeug, sich mit 33 einen geschichtsträchtigen zehnten Weltmeistertitel zu holen, und auch der Laufsieg-Rekord von 101 ist in Reichweite, wenn er seinen 85 im Jahr 2019 ein paar hinzufügen kann. Herlings hält bei 84 Laufsiegen und peilt diesen Meilenstein ebenfalls an.

Startnummern 84 und 222. Platz 1 und 2 und die erfolgreichsten Grand-Prix-Fahrer dieses Jahrzehnts: Red Bull KTM hat die beiden besten Athleten dieses Sports unter Vertrag, doch selbst ihre gemeinsamen 19 Siege (17 für Herlings, 2 für Cairoli) und 33 Podestplätze (13 Mal gemeinsam) in der Saison 2018 sind einzigartig. Man muss es KTM anrechnen, dass die Österreicher ihre Triumphe nicht als selbstverständlich ansehen (lest hier, was VP of Offroad Robert Jonas im KTM BLOG-Interview zur Saison 2018 zu sagen hatte) und wissen, dass sie ihre Erwartungen für 2019 etwas zurückschrauben werden müssen, besonders im Vergleich zum Glücksjahr 2018.

Tony Cairoli (ITA) KTM 450 SX-F © B. Swijgers

2) Kann der Spanier noch besser werden?
Absolut. Jorge Prado setzt KTMs hervorragende Reihe junger und außergewöhnlicher Fahrer, die es zum Titel in der MX2 schafften, eindrucksvoll fort (man erinnere sich an Townley, Rattray, Musquin, Roczen, Herlings, Tixier oder Jonass) und ist wahrscheinlich der beste Fahrer der jüngeren Grand-Prix-Geschichte, seinen Zenit hatte er im Jahr 2018 aber noch nicht erreicht. Prado konnte im Laufe der Saison den Abstand auf Jonass verkleinern und entwickelte sich zudem zu einem herausragenden Fahrer, der wenige Fehler macht und – einmal in Führung – nur schwer zu besiegen ist. Diese Entwicklung wird sich im Jahr 2019 weiter fortsetzen. Manchmal kam sein jugendlicher Übermut (er wurde im Januar 18) in Rennsituationen zum Vorschein. So wurde der Grand Prix der Türkei zu einem aufregend anzusehenden ‚Tiefpunkt‘ für das Team, als der Kampf zwischen dem Spanier und Jonass auf der Strecke nicht nur im Verlust des Rennens, sondern auch in einer Knieverletzung für den Letten endete.

2018 war erst Jorges zweite Grand-Prix-Saison, im Laufe derer er seine körperliche Stärke mit Nachdruck einsetzte. 2019 wird er noch besser vorbereitet sein und mit mehr Erfahrung einem anderen Druck ausgesetzt sein – dem des ‚Gejagten‘ statt dem des ‚Jägers‘. Seine unbekümmerte und heitere (aber kompromisslos ehrgeizige) Art wird dabei dafür sorgen, dass sein Status im MXGP-Fahrerlager seine Performance wohl kaum beeinträchtigen wird. Dank eines weiteren Winters des Trainings mit Tony Cairoli und seinem De Carli-Team (sowie einer Siegesserie in der drei Läufe umfassenden italienischen Meisterschaft) ist sichergestellt, dass Prado auch weiterhin auf der Siegerstraße unterwegs sein wird. Könnte der Aufstieg in die MXGP bereits im Oktober ein Thema werden? Sollte Prado seinen Titel verteidigen, muss er laut den FIM-Regeln in die Königsklasse aufsteigen.

Jorge Prado (ESP) KTM 250 SX-F © B. Swijgers

3) Und was ist mit Tom?
Als der achtzehnjährige Tom Vialle Pauls Jonass ersetzte (der Lette stieg in die MXGP-Klasse auf), waren viele skeptisch. Der Youngster aus Frankreich ist der Sohn eines früheren Grand-Prix-Fahrers und hatte sein Talent in der letztjährigen EMX250-Europameisterschaft – einer zunehmend hochklassiger werdenden Meisterschaft, die als Schmiede für die MX2 gilt – gezeigt, hatte aber nicht die gleichen Erfolge wie seine Vorgänger in der Junioren-Klasse vorzuweisen.

Er bekam die Chance, bei Red Bull KTM zu zeigen, wozu er fähig ist, und schaffte es, den ehemaligen mehrfachen Weltmeister, früheren belgischen MX of Nations-Teammanager und KTM Motocross Manager Joël Smets so sehr von sich zu überzeugen, dass er eine der begehrtesten Gelegenheiten in der FIM-Weltmeisterschaft ergatterte. Der Belgier war vom Stil und Charakter Vialles angetan, gab aber zu, dass der Franzose große Fortschritte machen muss, um die Werks-KTM 250 SX-F dorthin zu bringen, wo sie hingehört (besonders, wenn man an die Erfolge des Bikes in der Saison 2018 denkt).

Anders als die beiden vorhergehenden KTM-Stars in der MX2 durchlief Vialle kein Juniorenprogramm und man muss bedenken, dass er nicht nur ein Rookie im Werksteam, sondern auch im Grand-Prix-Sport ist. Smets und das Team werden 2019 nach Anzeichen Ausschau halten, dass Vialle Fortschritte macht. Auf jeden Fall zeigt er bereits jetzt, dass er die Technik und den Willen besitzt, es ganz nach oben zu schaffen.

Neben dieser interessanten aktuellen Geschichte, sollte man auch zwei weitere vielversprechende KTM-Talente in der EMX-Europameisterschaft im Auge behalten: den Österreicher Rene Hofer (zum ersten Mal auf einer KTM 250 SX-F) und Liam Everts auf der KTM 125 SX.

Tom Vialle (FRA) KTM 250 SX-F © R. Archer

Fotos: B. Swijgers | R. Archer