NATHAN WATSON: DER TAUSENDSASSA

In einer Welt der Spezialisten ist ein Rennfahrer wie Nathan Watson eine Ausnahmeerscheinung. Von Motocross bis Enduro, von Hard Enduro bis Strandrennen – er hat in allen Kategorien große Erfolge gefeiert. Er hat sich mit den Besten der Welt gemessen und sie in den meisten Fällen auch besiegt.

Nathan Watson – Red Bull KTM Factory Racing.
PC @PascalHaudiquert

2019 war vielleicht die bisher beste und stressigste Saison für den Red Bull KTM Factory Racing-Star. Zuerst krönte er sich zum ersten britischen Sieger des berüchtigten Strandrennens Enduropale du Touquet, nur um als totalen Kontrast auch bei legendären Hard-Enduro-Events wie den Red Bull Romaniacs ins Ziel zu kommen.

Nach einem Sieg und mehreren Podestplätzen in der Enduro-Weltmeisterschaft WESS verhalf er Großbritannien als Krönung zu einem dritten Gesamtrange beim Motocross of Nations. Die Saison 2019 beschreibt den Fahrer Nathan Watson im Grunde perfekt: Er ist immer bereit, neue Dinge auszuprobieren, und scheut vor Herausforderungen nicht zurück.

In unserem Interview erzählt uns der 25-Jährige von einigen seiner Meilensteine im Rennsport …

Watson ist es gewohnt, mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch den Dreck zu ackern. Hier beim WESS Enduro-Weltmeisterschaftslauf Hawkstone Park Cross-Country 2019. PC @Future7Media

Das erste Mal Enduro: Die Britische Sprint-Enduro-Meisterschaft 2011

„Obwohl ich eigentlich erst 2016 in den Enduro-Sport wechselte, machte ich meine ersten Erfahrungen bereits im Jahr 2011 beim Lauf der Britischen Sprint-Enduro-Meisterschaft in Wales. Ich hatte zufällig ein Wochenende frei und das Wetter war schön, also brachte mein Vater mich und meinen Bruder an den Start. Ich hatte keine Ahnung, worauf ich mich da eingelassen hatte. Ich verstand das Konzept, gegen die Uhr zu fahren, nicht, hatte den Dreh aber schnell raus. Tatsächlich konnte ich den ersten Tag sogar auf einer geborgten KTM 350 EXC-F gewinnen – gegen Fahrer wie Jamie und Danny McCanney. Ich fuhr aber kein weiteres Rennen mehr, da ich mich damals voll auf Motocross konzentrieren wollte.“

Watson fuhr sein erstes Enduro-Rennen im Jahr 2011 in Großbritannien. 2016 stieg er dann ganz auf diese Kategorie um. PC @Future7Media

Das erste Jahr im Enduro-Sport: Die Enduro 2-Weltmeisterschaft 2016

„Bei einem Enduro-Rennen ist die erste Prüfung immer besonders wichtig. Wenn die nicht so rund läuft, kannst du viel Zeit verlieren – was dann oft den Unterschied macht zwischen einem guten und einem schlechten Tag. Als ich 2016 in den Enduro-Sport einstieg, war das die schwierigste Herausforderung für mich. Im Motocross hast du Zeit, die schnellste Linie zu finden. Es gibt freie Trainings, das Qualifying und dann die Rennen. Im Enduro-Sport musst du ein paar Minuten nach dem Start schon voll da sein. Das Abgehen der Strecke ist im Enduro-Sport alles und du musst dir die Linien, die du nachher nehmen willst, einprägen.“

Der erste EnduroGP-Sieg: Die EnduroGP-Weltmeisterschaft 2017

„In der Enduro 2-Klasse konnte ich 2016 ein paar Siege einfahren, aber so richtig besonders fühlte sich erst mein erster EnduroGP-Sieg im Jahr 2017 auf der KTM 350 EXC-F an. Ich gewann das Rennen in Griechenland, während meine Saison bis zu diesem Zeitpunkt eher durchwachsen gewesen war. Ich hatte mich zu Anfang des Jahres gleich verletzt und es dauerte lange, bis ich wieder fit war. In Griechenland passte einfach alles zusammen. Diesen Sieg zu erringen, gab mir viel Selbstvertrauen zurück. So viel, dass ich am darauffolgenden Wochenende den ersten Tag in Portugal mit 90 Sekunden Vorsprung gewinnen konnte. Rückblickend ist es schade, dass mein Saisonstart so verkorkst war. Andernfalls hätte ich in diesem Jahr vielleicht um den Titel mitkämpfen können.“

Watsons erstes Rennen mit einem 2-Takt-Bike war das Extreme XL Lagares 2018 – laut eigener Aussage eine ‚echte Feuertaufe‘.
PC @Future7Media

Das erste Rennen auf einem 2-Takt-Bike: Das Extreme XL Lagares 2018

„Mein erstes Rennen mit einem 2-Takt-Motorrad – einer KTM 300 EXC – war auch mein erstes Hard-Enduro-Rennen. Das Extreme Lagares war der erste Lauf zur WESS-Enduro-Weltmeisterschaft 2018 und für mich war es eine Feuertaufe. Ich war sozusagen noch grün hinter den Ohren. Ich wusste, dass es hart werden würde, hatte aber keine Ahnung, wie hart. Die Flussbetten dort sind unglaublich rutschig! Wenn du einen Fehler machst, rutschst du gleich mal zehn Meter zurück. Dieses Rennen flößte mir viel Respekt für die Top-Fahrer ein. Es ist einfach beeindruckend, wie einfach unmöglich scheinende Manöver bei denen aussehen.“

Im Winter fährt Watson in Frankreich Strandrennen – hier bahnt er sich beim berühmten Enduropale du Touquet seinen Weg an die Spitze. PC @PascalHaudiquert

Das erste Red Bull Romaniacs: Die WESS-Enduro-Weltmeisterschaft 2018

„Meinen ersten Tag bei den Red Bull Romaniacs werde ich nie vergessen. Ich kam direkt vom Extreme Lagares und dem Red Bull Erzbergrodeo, aber dieses Rennen legte noch ordentlich eins drauf. Das Wetter war eine Katastrophe und ich verwendete zum ersten Mal ein GPS-Navigationsgerät. Ich verlor so oft die Orientierung. Mein Bike verfing sich in einem Baum und ich musste Fahrer der Bronze-Klasse bitten, mir dabei zu helfen, es zu befreien. Wir müssen etwa 10 Stunden auf dem Berg verbracht haben. Es war total verrückt und doch war es erst der erste von vier Tagen. Viele haben mich gefragt, warum ich nicht einfach aufgegeben habe. Ich denke, eine Seite von mir liebt einfach Herausforderungen. Ich gehe gerne an meine Grenzen und gebe nie auf. Enduro-Rennen können auch mental eine echte Herausforderung sein und Tage wie dieser stärken dich für die Zukunft.“

Im Rahmen der WESS Enduro-Weltmeisterschaft trat Watson bereits bei einigen der härtesten Events der Welt an: Hier misst er seine Kräfte beim Red Bull Erzbergrodeo mit dem Eisernen Riesen. PC @Future7Media

Der erste WESS-Sieg: Das Red Bull Knock Out 2018

„Nach einem Lehrjahr im Hard-Enduro-Sport war es schön, meine erste Saison in der WESS mit einem Sieg beim Red Bull Knock Out zu beenden. Ich hatte vor, dort mein absolut Bestes zu geben. Ich wusste, dass ich im Sand stark sein würde, weil ich bei diesen Bedingungen immer schnell gewesen war. Dennoch glaubte ich im Angesicht von Konkurrenten wie Glenn Coldenhoff nicht an den Sieg. Glücklicherweise war meine KTM 450 SX-F perfekt vorbereitet und fuhr sich einfach fantastisch. Ich gab bei diesem Rennen wirklich alles und gewann – es war ein fantastisches Wochenende.“

Im Jahr 2019 gewann Watson als erster britischer Fahrer das Enduropale du Touquet.
PC @PascalHaudiquert

Der erste Sieg beim Enduropale du Touquet im Jahr 2019

„Das Enduropale du Touquet ist das berühmteste Strandrennen der Welt und das größte Rennen überhaupt in Frankreich. Es ist äußerst geschichtsträchtig und bereits als Kind träumte ich davon, es einmal zu gewinnen. Das dann im Jahr 2019 zu schaffen, war einfach magisch. Die Strecke selbst ist im Vergleich zu anderen Strandrennen eigentlich recht einfach – hauptsächlich Geraden und Schikanen. Wenn man aber 1.000 Fahrer auf sie loslässt, wird es richtig hart. Außerdem will dort jeder gewinnen, also gehen die Fahrer größere Risiken ein – besonders beim Start. Die ersten Runden werden extrem schnell gefahren und das gefällt mir nicht so gut, aber meine Erfahrungen bei Enduro-Veranstaltungen wie den Romaniacs half mir dabei, nicht nachzulassen und in den letzten Abschnitten noch einmal zuzulegen. Im Jahr 2019 passte einfach alles zusammen und wir konnten den Sieg einfahren. Das war bis jetzt die größte Errungenschaft meines Lebens.“

2019 trat Watson für das britische Team beim prestigeträchtigen Motocross of Nations in Assen in den Niederlanden an. Er verhalf dem Team zu einem Podestplatz und zeigte, dass er es immer noch mit den besten MXGP-Fahrern aufnehmen kann. PC @RayArcher

Das erste Motocross of Nations – 2019 in Assen, Niederlande

„Damit, dass ich 2019 mit dem britischen Team beim Motocross of Nations an den Start gehen konnte, ging für mich ein Traum in Erfüllung. Als ich in den Enduro-Sport einstieg, glaubte ich nicht, dass sich diese Möglichkeit jemals ergeben würde, und das hatte immer an mir genagt. Eigentlich wurde ich erst in letzter Minute ins Team berufen. Ich fuhr zu der Zeit in der WESS: Am Wochenende vor Assen hatte ich das Hawkstone Park Cross-Country gewonnen und sollte am nächsten Wochenende ein Classic-Enduro-Rennen fahren. Aber wenn sich eine solche Chance ergibt, dann musst du sie beim Schopf packen. KTM gab mir eine fantastisch vorbereitete KTM 450 SX-F und wir fuhren damit auf der größten Motocross-Bühne der Welt. Dann auch noch auf das Podium zu kommen, war das Tüpfelchen auf dem I.“

Im Jahr 2020 holte sich Watson seinen zweiten französischen Strandrenn-Titel in Folge. Zurzeit muss er aber pausieren, bis die Covid-19-Bestimmungen gelockert werden. PC @PascalHaudiquert

Was kommt als Nächstes …

„Nachdem ich Anfang des Jahres die Strandrenn-Meisterschaft in Frankreich gewinnen konnte, ist es schon komisch, wegen des Coronavirus bis auf Weiteres keine Rennen fahren zu können. Gleichzeitig ermöglicht mir diese Pause, mein erfolgreiches Jahr 2019 Revue passieren zu lassen. Ich bin noch scharf darauf, in der WESS Enduro-Weltmeisterschaft einen weiteren Schritt nach vorn zu machen und mehr Rennen zu gewinnen. Deshalb hoffe ich, bald wieder Gas geben zu können.“