Nathan Watson: Erfolgreicher Umstieg

Nathan Watson sorgt für Aufmerksamkeit in der EnduroGP-Weltmeisterschaft. Der Red Bull KTM-Werksfahrer wechselte in diesem Jahr vom Motocross- in den Endurosport. Ganz ohne Erwartungen, nur mit dem Ziel, so viel wie möglich von und mit dem Team zu lernen. Seit Beginn der Saison stand Watson nur einmal nicht auf dem Podium und hat Chancen auf den Titel. Immer mit einem Lachen im Gesicht, ist Watson ein Mann mit einer Mission.

Nathan Watson (GBR) 2016

Nathan Watson (GBR) 2016

„Ich hatte keine großen Erwartungen und keine Ahnung, wo ich mit meinen Ergebnissen stehen würde, da ich zuvor noch nie ein Endurorennen gefahren war. Um ehrlich zu sein, wäre ich glücklich darüber gewesen, gegen Ende des Jahres auf dem Podium zu stehen. Die Saison begann ganz ok; das erste Rennen der Enduro-Weltmeisterschaft in Marokko lief nicht besonders gut, aber ich schaffte es aufs Podium, ich war zufrieden und von da haben wir einfach weitergemacht und dazugelernt.“

„Nach diesem ersten Rennen stiegen natürlich meine Erwartungen. Ich wusste, was ich leisten konnte. Ich wurde selbstbewusster und habe erwartet, bei jedem Rennen auf dem Podium zu stehen.“ Was ihm bisher, außer an Tag 1 beim GP von Italien, auch gelang.

Nathan Watson (GBR) Enköping (SWE) 2016

Nathan Watson (GBR) Enköping (SWE) 2016

Nach seinem ersten Sieg in Schweden, feierte Watson beim folgenden Event in Spanien an beiden Tagen Erfolge, was ihn – auch wegen eines Motorschadens seines ärgsten Konkurrenten Eero Remes – zu einem Kandidaten auf den Weltmeistertitel machte. Die Leistungen des britischen Talents in seinem Debütjahr haben klarerweise alle Erwartungen übertroffen.

„Das Wochenende in Spanien war perfekt. Der erste Sieg gelang mir am zweiten Tag in Schweden, aber bereits vorher war klar, ich konnte auf Remes aufholen. Zu Beginn der Saison hat er alle Rennen gewonnen, aber ich konnte immer mehr aufholen. In Spanien war ich in fast allen Tests schneller, trotz einiger Fehler, durch die ich mir das Leben selbst schwer gemacht habe. Ich habe komfortabel gewonnen, aber am zweiten Tag war es definitiv schwieriger, da ich mir selbst Druck gemacht habe, wieder zu gewinnen. Ich hatte zwei Sekunden Vorsprung vor dem letzten Test, als er mit einem Motorschaden aufgeben musste. Das war Pech für ihn, aber für mich ist die Weltmeisterschaft dadurch in deutlich greifbarere Nähe gerückt.“

„Ich habe wirklich nicht erwartet, gleich im ersten Jahr zu gewinnen, aber natürlich bin ich darüber sehr glücklich. Trotzdem habe ich noch viel zu lernen.“

Nathan Watson (GBR) KTM 250 EXC-F Gordexola (ESP) 2016

Nathan Watson (GBR) KTM 250 EXC-F Gordexola (ESP) 2016

Viele Fans wunderten sich über Nathans Entscheidung, vom Motocross in den Endurosport zu wechseln, vor allem, weil er in einem guten Team auf Grand Prix-Niveau fuhr, aber der 21-Jährige erkannte die Möglichkeiten, die sich in einem KTM-Werksteam boten und wusste, dass er diese Chance nicht verpassen durfte. Dennoch, der Endurosport ist anstrengend. Nicht nur die vielen Stunden auf dem Bike, auch das Abgehen der Strecke vor dem Rennen ist ein echter Fitnesstest.

„Der Umstieg vom Motocross zum Endurosport war nicht leicht. Am Dienstag kommst du an der Strecke an, läufst am Mittwoch, Donnerstag und Freitag etwa 30 Kilometer, bevor du überhaupt auf das Motorrad steigst. Samstag fahren wir dann den ersten Test und das natürlich am besten so schnell wie möglich, deshalb ist es wichtig, genau zu wissen, wo es lang geht und der beste Weg, sich die Strecke einzuprägen, ist, sie immer und immer wieder abzulaufen. Da kommen einige Kilometer zusammen!“

„Die Strecken der Sonderprüfungen laufen wir dreimal, dann hast du eine ganz gute Vorstellung davon, wo es langgeht. Du kennst nicht jeden kleinen Hügel, aber die Streckenführung solltest du grundsätzlich im Kopf haben. Natürlich muss man auch noch spontan reagieren können.“

„Am ersten Tag bist du etwa sieben Stunden unterwegs und wechselst dann am Ende des Tages deine eigenen Reifen. Es ist ein langer, körperlich anstrengender Tag. Am nächsten Tag wiederholt sich das ganze. Sonntagmorgen fühle ich mich normalerweise ein bisschen müde, aber wenn ich erstmal wieder auf dem Bike sitze, werde ich lockerer. Im Vergleich zu Motocross ist Enduro körperlich viel anstrengender. Das Fahren an sich ist weniger anstrengend, aber man ist über einen viel längeren Zeitraum intensiv gefordert.“

Nathan Watson (GBR) KTM 250 EXC-F Enköping (SWE) 2016

Nathan Watson (GBR) KTM 250 EXC-F Enköping (SWE) 2016

Auch Nathans Bruder fährt auf Weltmeisterschaftsniveau, allerdings im Motocross. Jetzt, wo beide in verschiedenen Disziplinen fahren, fragen wir Nathan, ob sich sein Training nun von dem seines Bruders unterscheidet.

„Anfang des Jahres war ich zum Training und Fahren viel in Italien. Nach einer Woche bei einem Grand Prix kommst du zurück und brauchst ein paar Tage abseits des Bikes. Ich versuche, eine gute Balance zu finden, so dass ich mich nicht überanstrenge. Meine Trainingsgewohnheiten habe ich eigentlich nicht geändert, ich fahre nur ein bisschen mehr Enduro. Natürlich fahre ich auch weiterhin Motocross, da es ein gutes Speed-Training ist. Bei den Tests musst du in die Vollen gehen; die Tests sind lang und du bist auf dich allein gestellt. Du fährst auf der Strecke nicht direkt gegen andere. Du musst pushen und manchmal ist es nicht einfach, den richtigen Rhythmus zu finden, wenn niemand hinter oder vor dir fährt, da besteht schnell die Gefahr, viel Zeit zu verlieren. Die Strecken sind viel technischer, als ich am Anfang erwartet hatte, aber zum Glück fahre ich schon länger Trial; das hilft mir.“

Auch Nathans lange Beine helfen, schwierige Passagen in der Enduro-WM zu meistern. Dennoch ging es für ihn in der ersten Zeit vor allem darum, von seinen älteren und erfahreneren Teamkollegen zu lernen, aber ohne große Schwierigkeiten hat er sich in der Szene etabliert.

Eine weitere, im Motocross unbekannte Herausforderung, ist der Reifenwechsel. Acht Stunden auf dem Bike und dann Reifen wechseln … das klingt nicht nach Spaß!

„Ich habe noch nie Reifen gewechselt, aber ich glaube, ich habe mich ganz gut geschlagen! Zweimal wechseln wir an einem Wochenende die Reifen; es ist nichts, das wir trainieren, aber man muss wissen, wie es geht.“

Nathan Watson (GBR) Gordexola (ESP) 2016

Nathan Watson (GBR) Gordexola (ESP) 2016

Nathan hat Chancen auf die Weltmeisterschaft, aber er weiß auch, dass es unglaublich schwierig wird. Der Vizeweltmeistertitel ist ihm bereits sicher, was für einen Rookie eine herausragende Leistung ist.

„Ich spüre nicht viel Druck. Ich bin hier, um zu lernen und habe einen Zweijahresvertrag. Für mich ist es wichtig, mein bestes zu geben und die bestmöglichen Ergebnisse einzufahren. Das Team macht mir keinen Druck, aber natürlich muss ich einen guten Job machen. Alles, was ich tun kann, ist mein bestes zu geben und nicht zu viel darüber nachzudenken.“

„Natürlich kommt einem der Weltmeistertitel immer mal wieder in den Sinn. Sie ist möglich, aber ein Top 3-Ergebnis ist auch eine tolle Leistung im ersten Jahr. Ich weiß, es war die richtige Entscheidung zu wechseln. Ich wäre sehr gerne weiter Motocross gefahren und die Entscheidung ist mir nicht leichtgefallen, da sie maßgeblich meine Karriere beeinflusst, aber KTM bietet mir die besten Möglichkeiten. Ich bin den ersten Test gefahren und hatte sehr viel Spaß; Motorradfahren ist mein Job, also kann ich nur zufrieden sein. Die Starts und Zweikämpfe im Motocross fehlen mir überhaupt nicht. Ich war immer besonders gut auf meiner Qualifying-Runde und bei Endurorennen bin ich über einen längeren Zeitraum alleine unterwegs.”

Auch über sein neues Arbeitsgerät kann Nathan nur Positives berichten …
„Bei den Tests Anfang des Jahres lief noch nicht alles rund, aber das komplett neue Bike ist großartig und ich bin mehr als zufrieden. Wir haben viel Arbeit in das Setup gesteckt, aber es hat sich gelohnt; das neue Bike ist so viel schneller als das Vorgängermodell. Es könnte nicht besser sein.

Fotos: KTM