RC 390: Kleiner Supersportler mit grossem Funfaktor

More smiles per mile! Nach einem langen Tag im Sattel nehme ich meinen Helm ab und setze mich neben das Bike. Ich schwitze. Mein Herz rast noch immer. Jetzt würde ich mir eine Zigarette anzünden, wenn ich rauchen würde. Jemand reicht mir ein Bier …

Ich habe für den KTM BLOG gerade einen Tag auf der Straße und Rennstrecke mit der RC 390 hinter mir. Das Ausmaß meines Grinsens ist größer, als man es von einem 375 ccm Einzylinder erwarten würde. Wie kommt‘s? Blicken wir zurück zum Start in der Früh …

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Bikes KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Des Herzogs neue Kleider?
Im Konferenzraum des Hotels Una in Modena, Italien, unterbricht KTM PR-Mann Thomas Kuttruf den RC-Projektmanager Diego Arioli bei der Pressekonferenz zur RC 390 gerade zum dritten Mal.

Während Diego vor den versammelten Journalisten aus aller Herren Länder über die technischen Details der vollverkleideten RC schwärmt, kann sich Herr Kuttruf nicht zurückhalten zu betonen, dass das Motorrad weit mehr ist als eine 390 DUKE mit Vollverkleidung. Tatsächlich. Seit die RC 390 auf der EICMA im November 2013 erstmals gezeigt wurde, wartet die Welt auf sie – mich eingeschlossen.

Die Präsentation der 390 DUKE 2013 – dem ersten KTM Motorrad, das weltweit vertrieben wird – zeigte, dass sich der kräftige Einzylinder auch ideal für andere Anwendungsbereiche eignen würde, um Fahrspaß auf allen Ebene trotz geringen Hubraums zu haben.

Eventuell hätte sich KTM viel Arbeit ersparen können und einfach eine Verkleidung sowie Fußrastenanlage auf die DUKE montieren können, das hätte wahrscheinlich schon ein gutes Bike gemacht. Aber die RC bietet mehr. Ein engagiertes Design- und Entwicklungsteam sowie viele Tests garantieren jetzt ein fertiges, eigenständiges Motorrad. Kurzgesagt, es wurde keine Abkürzung in der Entwicklung des Bikes genommen.

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Press Conference KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Leistung und Fahrbarkeit
Gut, einiges an Vorarbeit war schon geleistet. Der Motor der RC ist exakt der von der DUKE; Gehäuse, Getriebe, Auspuff, Kühlung – alles gleich. An dem ist ja nichts Falsches; 44 PS und 35 Nm Drehmoment. Aber ein Supersportmotorrad braucht ein passendes Chassis, um dem Namen gerecht zu werden, und das hat KTM gemacht.

Klar, der orange Gitterrohrrahmen sieht auf den ersten Blick gleich aus wie bei der DUKE, aber die RC wartet mit einem steileren Lenkkopfwinkel, kürzerem Nachlauf und geringerem Radstand aus. Die Gewichtsverteilung – mit und ohne Fahrer – bringt auch mehr Last auf das Vorderrad, was auch geänderte Lenkerstummel begünstigen.

Die Vordergabel von WP Suspensions wurde ebenfalls adaptiert und hat 25 mm weniger Federweg, abgestimmt auf die straffere Dämpfung. Trotz des kompakteren Chassis, konnte die Bodenfreiheit erhöht werden – perfekt für Schräglagen auf den fetten Reifen auf den schon gewohnt orangen Gussfelgen.

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Track KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Ein Rennmotorrad für die Straße
Aber schon das Design allein verrät wieviel Energie in das Bike gesteckt wurde. Auf der Vorderseite des Konferenzraums zeigt eine große Tafel mit Sketches von KISKA die Entwicklung der RC – und jede Bilderserie startet mit einer Zeichnung eines reinen Rennmotorrades.

Diegos Augen leuchten auf: „Alle Anstrengungen wurden dahingehend unternommen, die für die Straßenhomologation notwendigen Teile so gut wie möglich ins Rennmotorrad zu integrieren. Die doppelten Halogen-Frontscheinwerfer sind in die Maske integriert, die vorderen Blinker befinden sich in den Spiegeln, die Kennzeichenhalterung fällt so schlank wie möglich aus und der patentierte Underfloor-Auspuff befindet sich hinter der Bugverkleidung. Wahrscheinlich die beste Lösung stellt aber der Soziussitz dar, der vollfunktionsfähig ist, aber den Anschein einer Abdeckung macht. Sicher, wir hätten uns sehr viel Arbeit ersparen können und einfach einen Soziussitz als KTM PowerPart anbieten können, aber das hätte nicht ins Rennkonzept des Bikes gepasst.“   

Die „Konkurrenten”
Die KTM RC 390 stellt  sich der harten Konkurrenz in Form der Honda CBR300RR und 500R, der Kawasaki Ninja 300R und der kurz bevorstehenden Yamaha R25.

Aber die Orangen sind nicht besorgt so Diego: „Wir haben ein Motorrad entwickelt, das sich in Sachen Leistung und Leistungsgewicht am absoluten Limit der A2-Führerscheinklasse bewegt. Nicht zu vergessen Features wie eine Up-Side-Down-Gabel, serienmäßiges ABS, einen Multifunktionstacho und unzählige LED-Lichter.” Stimmt, wahrlich überzeugende Argumente.

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KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Fahren wir!
Auf der Landstraße geht es von Modena über die Ferrari-Homebase Marranello raus in die hügelige Landschaft der Emilia Romagna. Die Runde führt uns über Serpentinen hoch und runter, auf Straßen mit gutem und schlechtem Asphalt, gezeichnet von Verkehr und den Wettereinflüssen. Wir cruisen auch durch die Stadt und zahlreiche geschäftige Orte und Dörfer. Nicht die Untergründe auf denen man träumt zu fahren, aber eine Mischung aus Fahrbahnbelägen, über die die RC im täglichen Gebrauch und an den Wochenenden meistens geprügelt werden wird.

Beim Überholen eines schäbigen Fiats, der sich die Straßen hochquält, oder im Geschlängel des Stadtverkehrs, beweist die RC 390 auf der Testrunde ihre Qualität und Agilität in vielen unterschiedlichen Situationen. Sie lenkt besser ein als die DUKE, aber auch nicht so extrem, dass es sich unkontrolliert anfühlen würde – die Front gibt jede Menge Rückmeldung und Stabilität.

Auf einer sehr engen Passage kann der Motor seine Vielseitigkeit ausspielen, hängt im dritten Gang am Gas  und beschleunigt von sehr niedriger Drehzahl hoch bis in den Begrenzer. Die Motorbremse funktioniert einwandfrei und man kann sich ganz auf die richtige Linie konzentrieren. Wie beim Scooterfahren, nur tausendmal besser!

Die Lenkerstummel ermöglichen eine angenehme Fahrposition und keineswegs das Gefühl „Kopf unten, Hinterteil oben“, auf dem Bike hat man viel Bewegungsfreiheit – gut geeignet auch für größere Fahrer. Ein äußerst komfortables Sportmotorrad, das aber auch eine perfekte Position für Windschattenschlachten ermöglicht. Was wir natürlich auf der Landstraße nicht gemacht haben 😉

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Road KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Ready to Race
Drei Turns auf dem engen, kurvigen und sehr technischen Autodromo di Modena nach dem Mittagessen bedeuteten, dass nur das Notwendigste gegessen wurde, um das Leistungsgewicht hoch zu halten.

Auf der Rennstrecke konnten wir das agile Handling wieder erfahren und weiter ausloten. Bis Bugspoiler, Fußrasten und Schalthebel am Asphalt schliffen. Die Knieschleifer wurden bis auf das Äußerste gefordert und waren am Ende der Session so heiß wie die Reifen.

Die Leistung der RC 390 ist ausreichend, um zu begeistern, auf trockener Piste gibt es nur zwei Gasgriffstellungen – 0 oder 100 Prozent. Der wirkliche Spaß kommt aber von der gleichbleibenden Geschwindigkeit in den Kurven und viel späterem Bremsen, als man es sich je vorstellen würde – auch verglichen mit größeren Supersportlern, die mit einer weiteren Bremsscheibe und Bremszylinder ausgestattet sind.

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Track KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Wie schon auf der Landstraße, erlaubten die flüssigeren Passagen auf der Rennstrecke im selben Gang zu bleiben und das breite Drehzahlband des Motors auszuspielen, eine Sache weniger, die zu bedenken ist, wenn man eine neue Strecke mit schwierigen Kurvenkombinationen lernen will.

Sicher, einige der Fahrer hatten auch Bodenkontakt, das Chassis der RC gab ihnen offensichtlich genug Selbstvertrauen, um über ihrem Limit zu fahren. Aber bei der Wahl der richtigen Rennstrecke hast du mit der RC 390 mehr Spaß als mit einem 1000 ccm Superbike. Und das Beste, die Reifen und der Benzin halten länger.

Der Sprint von der Rennstrecke zurück zum Hotel war nicht minder aufregend,  das scheint auch der Trick der RC 390 zu sein – aufregender Fahrspaß, egal wie unspektakulär die Strecke gerade ist.

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Dinner KTM RC 390 Press Launch Modena 2014

Photos: www.ktmimages.com, Marco Campelli, Alessio Barbanti